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Interview zu "Mitgehangen": Ist der "Tatort" reine Männersache? Der Realitäts-Check

Interview zu "Mitgehangen"

Ist der "Tatort" reine Männersache? Der Realitäts-Check

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    Die Kommissare Freddy Schenk (Dietmar Bär, l) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, r) sind ein eingespieltes Männerteam. Zeitgemäß ist das nicht, sagt ein Experte.
    Die Kommissare Freddy Schenk (Dietmar Bär, l) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, r) sind ein eingespieltes Männerteam. Zeitgemäß ist das nicht, sagt ein Experte. Foto: Thomas Kost, WDR

    Herr Fiedler, Sie sind stellvertretender Bundesvorsitzender beim "Bund Deutscher Kriminalbeamter". Im Kölner "Tatort" sind Ballauf und Schenk am Werk – ein Männer-Duo. Auch in anderen "Tatort"-Städten, etwa in München, gibt es seit Jahrzehnten zwei männliche Ermittler. Wie zeitgemäß ist diese Konstellation?

    Sebastian Fiedler: Das ist nicht zeitgemäß. In der Realität haben wir eine Reihe von Ermittlerinnen.

    Gibt es denn Ihrer Meinung nach genügend Frauen im "Tatort"?

    Fiedler:16 von 22 "Tatort"-Teams sind auch oder ausschließlich mit Darstellerinnen besetzt. Eine Frauenquote für den "Tatort" möchte ich allein deshalb nicht fordern, auch weil sonst ja eine Figur in Köln ausgetauscht werden müsste. Ballauf und Schenk sind aber bewährte Charaktere: Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär sind aus guten Gründen Träger der Kölner Ehrenkriminalmarke und in Kontakt mit uns, also ihren "echten Kollegen".

    Ballauf und Schenk geraten in der aktuellen Folge aneinander. Kommt es tatsächlich vor, dass Meinungsverschiedenheiten vor Zeugen ausgetragen werden?

    Fiedler: (lacht) Kriminalbeamte sind nur Menschen, deshalb kommt es auch bei uns hin und wieder zu Spannungen. In den ersten Tagen arbeiten Ermittler bei einem Mordfall nicht selten rund um die Uhr. Die Kollegen kommen kaum nach Hause, ziehen hoch motiviert ihre Arbeit durch. Das ist natürlich eine große Belastung. Vor Zeugen sollte Streit möglichst nicht ausgetragen werden.

    Der Tatort lockt Sonntag für Sonntag Millionen vor den Fernseher. Aber wer ermittelt eigentlich wo? Diese  Kommissare bzw. Teams sind derzeit im TV-Einsatz.
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    Der Tatort lockt Sonntag für Sonntag Millionen vor die Fernseher. Aber wer ermittelt eigentlich wo? Diese 22 Kommissare beziehungsweise Teams sind derzeit im TV-Einsatz.

    Spielt es überhaupt eine Rolle, ob eine Frau oder ein Mann in einem Mordfall ermittelt?

    Fiedler: Warum sollte es? Das wirklich Untypische ist vielmehr, dass über Jahre in einem festen Duo ermittelt wird – wie im "Tatort".

    Wie sieht ein modernes Ermittler-Team denn aus?

    Fiedler: Wir sprechen von einer Mordkommission. Die Anzahl der Mitglieder hängt vom Fall ab. Je aufwendiger die Ermittlungen, desto mehr Personen sind involviert. Es können 50 Ermittler und mehr sein.

    Wissenswertes zum "Tatort"

    Der ARD-"Tatort" ist die langlebigste und erfolgreichste Krimireihe im deutschen Fernsehen.

    DER ERSTE FALL: Der erste "Tatort" war "Taxi nach Leipzig", der am 29. November 1970 lief. Der Hamburger Hauptkommissar Paul Trimmel (Walter Richter) musste einen deutsch-deutschen Mordfall klären. Der 1000. Tatort heißt ebenfalls "Taxi nach Leipzig".

    DIE ERSTE KOMMISSARIN: Als erste Ermittlerin der Reihe schickt der Südwestfunk (SWF) 1978 Kommissarin Marianne Buchmüller (Nicole Heesters) mit "Der Mann auf dem Hochsitz" ins Rennen. Bis 1980 gibt es drei Folgen.

    GIFTSCHRANK: Einige wenige Folgen dürfen nicht wiederholt werden. Sie haben senderintern einen Sperrvermerk. Die Gründe sind verschieden. So spielen bei "Wem Ehre gebührt" verletzte religiöse Gefühle eine Rolle, bei "Krokodilwächter" die große Brutalität im Film.

    DER MISSGLÜCKTESTE "TATORT": Zu den Tiefpunkten der "Tatort"-Reihe zählen Kritiker die Fälle (1996 - 1998) des Berliner Kommissars Ernst Roiter (Winfried Glatzeder). Aus Kostengründen hatten die Folgen eine billig wirkende Optik. Zudem warf man den Filmen vor, zu sexistisch, brutal oder zu wirr zu sein. Die Quoten waren trotzdem passabel.

    DIE MEISTEN ZUSCHAUER: "Rot - rot - tot" sahen am Neujahrstag 1978 mehr als 26 Millionen Menschen. Das entspricht einer Quote von 65 Prozent. In heutiger Zeit wäre das undenkbar.

    DIE MEISTEN TOTEN: Die Folge "Im Schmerz geboren" mit Ulrich Tukur als Felix Murot stellt einen Leichenrekord in der "Tatort"-Geschichte auf. Experten vom "Tatort-Fundus" zählen 51 Leichen.

    DER VORSPANN: 30 Sekunden mit spannender, hastiger Ohrwurmmusik, zwei Augen in Nahaufnahme, das rechte im Fadenkreuz, ein Mann, der abwehrend die Arme hebt, rennende Beine auf nassem Asphalt und ein Fingerabdruck, dessen Linie den Flüchtenden einkreist.

    So viele?

    Fiedler: Denken sie an den Fall Mirco aus dem Jahr 2010. Der zehnjährige Junge aus der Nähe von Grefrath in Nordrhein-Westfallen galt zunächst als vermisst und wurde später tot aufgefunden. Die Sonderkommission aus etwa 80 Beamten ermittelte in dem Mordfall. Ganz zu schweigen von den Polizeibeamten, die sich an der Suche beteiligt haben. Hundertschaften haben Landstriche durchstreift, und Tornado-Kampfjets der Bundeswehr kamen zum Einsatz – eine der aufwendigsten Mordermittlungen in der deutschen Kriminalgeschichte.

    Wer genau kümmert sich eigentlich um Mordfälle bei der Polizei?

    Fiedler: In Deutschland sind bestimmte Kommissariate für Tötungsdelikte zuständig. Klassischerweise kümmert sich bei "einfacheren" Delikten diese Dienststelle darum. Ist der Fall komplexer und die Mordkommission größer, dann kommen auch Beamte aus anderen Dienststellen zu Hilfe. Vor allem am Anfang der Ermittlungen. Das können zum Beispiel Kollegen sein, die sich normalerweise mit Fahrzeugaufbrüchen beschäftigen.

    Sebastian Fiedler ist Vizechef beim "Bund Deutscher Kriminalbeamter". Die Kölner "Tatort"-Ermittler kennt er persönlich.

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