Herr Wilder, Sie verlassen das ZDF-"Traumschiff" nach der Kapstadt-Folge, die am 26. Dezember um 20.15 Uhr ausgestrahlt wird. Was treibt Sie so plötzlich von Bord?
Nick Wilder: Es treibt mich nicht von Bord. Ich bin freiwillig von Bord gegangen. Viele fragen mich: Wie kannst du so einen Job in unsicheren Zeiten aufgeben? Andere Schauspieler würden viel dafür geben, da mitspielen zu können.
Sie nicht. Warum eigentlich?
Wilder: Erstens habe ich für die Zukunft vorgesorgt, und zweitens ist heuer eine runde Zahl. Vor 20 Jahren hat mich meine Frau Christine Mayn dem Herrn Rademann (Erfinder der Reihe, die Red.) vorgestellt. Daraufhin folgten drei bis vier Episodenrollen. 2010 hat mich Rademann dann zum Schiffsarzt gemacht. Das ist nun auch schon wieder zehn Jahre her. Und Wolfgang Rademann lebt ja leider nicht mehr. Er hat beim "Traumschiff" diesen besonderen Zauber versprüht. Der Mann hatte eine Wertschätzung für alle, auch dem Kabelträger gegenüber. Das gibt es leider heute so nicht mehr.
"Ohne Rademann ist alles viel nüchterner"
Könnte man sagen, die Seele des "Traumschiffs" ist tot?
Wilder: Ja, ohne Rademann ist alles viel nüchterner. Und da Drehzeit ja Lebenszeit ist, habe ich mir gesagt, ich habe noch so viel vor, da möchte ich lieber noch etwas anderes angehen. Was viele Zuschauer nicht wissen: Der Aufwand beim "Traumschiff" ist enorm. Um zwei Kreuzfahrten ins Glück und ein Spezial zu drehen, ist man gut sechs bis sieben Monate unterwegs. Dann geht nebenbei nicht viel anderes. Immerhin bekomme ich eine Abschiedsstory. Jedenfalls ist die Kollegin, die mich als Schicksalsfee sozusagen vom "Traumschiff" bringt, auch zufällig meine Frau.
Das passt wirklich perfekt zum "Traumschiff" – kitschig schön.
Wilder: Ja, das ist eine runde Sache. Sie hat mich Rademann vorgestellt und entscheidet nun, dass ich es verlasse.
Wie viel Spaß hatten Sie denn als "Traumschiff"-Doktor Sander?
Wilder: Ich hatte sehr viel Spaß. Ich hätte mir zwar immer gewünscht, dass meine Rolle noch etwas präsenter gewesen wäre. Aber es ist auch für die Schreiber nicht leicht, alle Charaktere in einer Geschichte unterzubringen. Es ist ja jetzt sogar noch ein Staff-Kapitän hinzugekommen, weil Florian Silbereisen als Kapitän möglicherweise mal aus Termingründen keine Zeit hat. Damit gibt es jetzt einen Kapitän, dazu die Barbara Wussow und den Harald Schmidt und die Gäste. Das bei immer drei Geschichten pro Film – und da sind 90 Minuten nicht lang.
Wenn man Sie in zehn Jahren fragt, was Sie mit dem "Traumschiff" verbinden? Was werden Sie antworten?
Wilder: Sonne, Lächeln und die tiefe Erfahrung, dass der Mensch überall gleich ist. Egal, welches Land, egal welche Religion. Fast alle wollen ein harmonisches Leben. Das war eine tolle Erkenntnis.
Über "Traumschiff"-Gaststar Linda Evans aus den USA sollen Sie mal gesagt haben: Ihre blauen Augen waren schöner als das Meer.
Wilder: Das stimmt. Linda Evans ist nun zwar auch schon ein paar Takte älter, aber wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. Ich lebe ja in Montana, sie in Oregon. Das sind Nachbarstaaten in den USA. Auf Instagram sind wir bis heute befreundet.
Wilder ließ sich von "Bonanza" inspirieren
Als Schiffsarzt hatten Sie nie eine Affäre. Warum?
Wilder: Das habe ich auch nicht verstanden. Das habe ich übrigens auch Linda Evans gefragt. Ich sagte zu ihr: "Linda, du kennst doch ’Loveboat’, das amerikanische Vorbild fürs ’Traumschiff’. Der Arzt da, ein hässlicher Vogel, schleppte die schönsten Frauen ab. Wie kommt das?" Und Evans sagte: "Der hat vermutlich die Drehbuchautoren bestochen." Ich kenne zwar auch die Schreiber des "Traumschiffs" und habe sie oft um eine Lovestory angehauen. Doch von selbst ist da leider keiner von denen draufgekommen.
Die "Bild" schreibt, Sie werden jetzt Cowboy in Montana.
Wilder: Ich habe gerade ein Buch geschrieben. Das erzählt von meinem verrückten Leben, von dem kleinen Bauernjungen Klaus aus Fehmarn, der loszog und große Träume hatte. Das fing mit "Bonanza" an. Die Serie sah ich als Bub im Fernsehen. Und ich habe mir immer gewünscht, auf so einen Berg mit einem See davor zu leben. Dieser Wunsch ist mit meinem Haus in Montana in Erfüllung gegangen.
Es ist ein 16 Hektar großes Anwesen mit Haupthaus und Gästehaus.
Wilder: Ja, das ist mein privates Montana mit Blick auf den Missouri River. Da hat sich bei mir ein Kreis geschlossen. Andere kaufen sich einen Porsche, ich habe mein Geld in dieses Anwesen gesteckt. Als ich meinen Windsurfladen damals in Florida verkauft habe, hat mich eine Bekannte, die von meinem Montana-Wunsch wusste und gerade dorthin gezogen war, angerufen und gefragt, wann ich nachkomme. Denn ich hatte immer von Montana geschwärmt, obwohl ich nie da war. Dann bin ich hingereist und habe 1996 spontan dieses Grundstück gekauft. Das ist für mich heute der schönste Platz der Welt.
"Wir reisen nach wie vor sehr gerne"
Sie leben nicht mehr in Deutschland?
Wilder: Nein. Schon seit 38 Jahren habe ich in den USA und auch teilweise in Dänemark gelebt. Inzwischen habe ich weder in Deutschland noch in Dänemark oder in Südtirol, woher meine Frau kommt, eine Bleibe. Wir leben nur mehr in Montana. Aber wir reisen nach wie vor sehr gerne.
In den 90ern waren Sie der Herr Kaiser, eine Werbefigur des Versicherers Hamburg-Mannheimer. 86 Prozent der Deutschen kannte Sie. Ein ähnlicher Bekanntheitsgrad, wie ihn Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer hatte. Was war das für ein Gefühl?
Wilder: Dieses Gefühl konnte ich damals nicht so richtig ausleben, denn ich wohnte ja nicht in Deutschland. Ich habe damals tatsächlich mit Kaiser Franz einige Fotos für die Versicherung gemacht. Dass ich als Herr Kaiser aber so bekannt war, davon hatte ich lange keine Vorstellung.
Wie sind Sie denn der Herr Kaiser geworden?
Wilder: Ich wohnte damals in Los Angeles. Eine Bekannte rief mich an und sagte, dass die Hamburg-Mannheimer sozusagen den James Bond der Versicherung suchen würde. Die wollten moderner werden. Und sie meinte, das wäre etwas für mich. Ich habe tief Luft geholt, meinen Flug aus den USA selber bezahlt und bin zum Casting geflogen. Letztlich haben die mich aus 160 Leuten ausgesucht. Nach dem ersten Werbespot, der in Barcelona gedreht wurde, bin ich wieder zurück nach Los Angeles. Bei der ersten Werbeveranstaltung, die von Ex-Glücksradfee Maren Gilzer dann moderiert wurde, trat ich vor 20.000 Leuten auf. Da sind die Leute völlig ausgeflippt. Ich dachte: Was ist denn hier los? Aber in diesem Moment wusste ich: Herr Kaiser ist wohl so eine Art Rockstar unter den Versicherungsleuten. Und wenn ich dann bei Karstadt mal einkaufte, hörte ich die Leute tuscheln: "Schau, der Herr Kaiser kauft sich neue Socken."
Sprechen Sie in Deutschland immer noch Menschen auf der Straße mit Herr Kaiser an?
Wilder: Ja natürlich. Ich habe doch immer noch meine Haare auf dem Kopf, auch wenn sie etwas grauer geworden sind. Und nach der Kaiser-Phase kam übrigens das Angebot von Rademann. Plötzlich war der Herr Kaiser Schiffsarzt. Die Kaiser-Zeit war eine wunderbare Zeit. Ich habe da die schrägsten Sachen erlebt.
Was denn so?
Wilder: Einmal musste ich beispielsweise bei einem Fußballspiel im Berliner Olympiastadion einen Ball vom Dach der Tribüne aufs Spielfeld schießen. Auf dem Glasdach war das eine heikle Mission. Bei der Generalprobe misslang der Schuss noch. Beim Spiel waren dann 65000 Zuschauer da, und ich sehe mich plötzlich auf den Anzeigetafeln. Ich dachte mir fast panisch: Wenn ich jetzt auf dem Arsch lande, bin ich die Lachnummer. Am Ende gelang mir der Schuss aber perfekt und der Ball landete direkt auf dem Elfmeterpunkt.
Heutzutage etwas in Vergessenheit geraten ist die Tatsache, dass Sie 1977 Surfweltmeister waren. Pflügen Sie noch ab und zu durch die Wellen?
Wilder: Ab und zu schon, aber eher selten. Wenn wir beim "Traumschiff" an einer Insel anlegten und guter Wind war, habe ich mich immer mal wieder drauf gestellt. Aber das Verlangen nach dem Surfen ist eher gering. Bei mir hat eben alles seine Zeit.
Sie sind vor kurzem 68 Jahre geworden. Welchen Traum wollen Sie jenseits des "Traumschiffes" noch verwirklichen?
Wilder: Eine ganze Menge Träume. Ich hatte schon immer das Verlangen zu schreiben, aber nie die Geduld dazu. Zudem betreiben wir ja das Gästehaus in Montana. Und ich bin noch an einer anderen Geschichte dran, von der man sicherlich noch etwas hören wird. Das ist eine zehnteilige Episodengeschichte in einer Art Netflix-Format. Demnächst werde ich auch noch in zwei Produktionen in den USA mitspielen. Sie sehen, auch nach dem "Traumschiff" wird es mir nicht langweilig.
Nick Wilder/Björn Sülter: Hallo, Herr Kaiser! Das Leben ist wilder als man denkt. In Farbe und Bunt Verlag, 480 Seiten, 19,90 Euro
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