In den Romy-Schneider-Filmen ist Sisi, die einstige Kaiserin von Österreich, eher brav. Sie, Frau Pfeiffer, als Kulturwissenschaftlerin und Autorin, haben jetzt ein Buch mit dem Titel „Die wilde Kaiserin“ veröffentlicht. Ist an dem romantischen Mythos also gar nichts dran?
Wilma Pfeiffer: Nein, nicht ganz. In dem Film wird ein sehr verträumtes, für die 50er Jahre typisches, Bild gezeichnet. Dabei hat Sisi schneller als im Film dargestellt herausgefunden, dass das Leben am Hof nicht zu ihr passt. Sie wollte sich nicht in ein Protokoll hineinquetschen lassen. Im Laufe ihrer Ehe hat sie sich zu einer sehr emanzipierten, selbstbewussten Frau entwickelt.
Was heißt das? Hielt sie nichts von kaiserlicher Etikette?
Pfeiffer: Wenig. Sie war garantiert nicht nur das süße Mädchen, sondern wollte aus dem gesellschaftlichen Korsett ausbrechen. Sie verkleidete sich als Mann, um in Hosen reiten zu können, oder badete und sonnte sich nackt – außerordentlich gewagt für eine Kaiserin.
Sisi badete und sonnte sich nackt?
Pfeiffer: Ja, bei einem Badeaufenthalt in Frankreich. Ihrem besorgten Gemahl, der schon wieder einen Skandal befürchtete, hat sie geschrieben, er brauche sich keine Sorgen zu machen. Sie behauptete, dass sie ganz gegen ihre Gewohnheit in „lichtem Flanell“ bade.
Die Hoffriseurin kannte pikante Geschichten über Sisi
Woher haben Sie pikante Geschichten wie diese?
Pfeiffer: Ich habe in Wien studiert und dort hat mich meine Nachbarin, Fräulein Amalie, eine Frau über 90, jeden Mittwoch zum Kaffeetrinken eingeladen. Bei diesen Treffen erfuhr ich, dass Fräulein Amalie die Großnichte von Fanny Angerer ist.
Wer war Fanny Angerer?
Pfeiffer: Die Hoffriseurin von Sisi.
Und die wusste über bisher unbekannte Details aus Sisis Leben Bescheid?
Pfeiffer: Sie hat sehr viel mitbekommen. Sisi hat sich ihre fersenlangen Haare täglich bis zu drei Stunden frisieren lassen, mit 250 Bürstenstrichen. Die Frisur mit den Diamantsternen im Haar, die auf dem berühmten Gemälde von Franz Xaver Winterhalter zu sehen ist, wurde auch von Fanny Angerer kreiert.
Nun hätten die Geschichten Ihrer Nachbarin aber auch der Fantasie entsprungen sein können?
Pfeiffer: Das habe ich anfangs auch gedacht. Als ich aber nach fast 30 Jahren im Zuge eines Erzählprogramms anfing, zu recherchieren, habe ich herausgefunden, dass die meisten Geschichten stimmen.
Es wird ja gemunkelt, dass Sisi einige Liebschaften hatte, ließ sich das überprüfen?
Pfeiffer: Einerseits nicht, denn Sisi hat keine schriftlichen Quellen hinterlassen. Und Briefe hat sie verbrennen lassen. Aber man bedenke, dass die Hoffriseurin Fanny Angerer der Kaiserin jeden Tag und für jeden Ausflug eine passende Frisur machen musste.
Fanny Angerer hat Sisi für die heimlichen Dates mit ihren Geliebten gestylt?
Pfeiffer: Beweisen lässt sich das natürlich nicht. Aber meine Nachbarin hat es mir so erzählt.
Außerdem gibt es die Gedichte der Kaiserin, in denen sie über ihre Männer schreibt.
Pfeiffer: Ja, in ihrem Gedicht „Das Kabinett“ bezeichnet sich die Kaiserin selbst als Frau Ritter Blaubart, die eine Kammer besitzt, in der ihre abgelegten Geliebten hängen.
Die Schönheit war Sisi größtes Kapital
Obwohl sich die Kaiserin gegen die Etikette sträubte: Die Schönheit war ihr größtes Kapital.
Pfeiffer: Ja, ihr Aussehen hat sie gepflegt, dabei hat sie oft ziemlich übertrieben.
Inwiefern?
Pfeiffer: Sisi hat sich jeden Tag wiegen und messen lassen. Sie trank Fleischsaft, legte sich nachts eine Rindfleischmaske aufs Gesicht und aß zerstoßenes Eis mit ein paar Tropfen Orangensaft als Dessert – um ihre schlanke Figur zu behalten.
Was ist dran an dem Gerücht, dass Sisi tätowiert war?
Pfeiffer: Es gibt einen Eintrag in dem Tagebuch ihrer jüngsten Tochter, in dem die Rede ist von einem tätowierten Anker auf dem linken Schulterblatt. Als ich mich bei meiner Nachbarin nach der Tätowierung erkundigte, fragte sie mich, welches Tattoo ich denn meine.
Sisi hatte also nicht nur ein Tattoo?
Pfeiffer: Meine Nachbarin erzählte mir von einem Adler mit ausgebreiteten Schwingen, oberhalb ihres kaiserlichen Gesäßes.
Ein Arschgeweih.
Pfeiffer: Genau. Nur ob diese Geschichte stimmt, lässt sich nicht überprüfen. Aber es ist sehr wahrscheinlich, weil König Ludwig II. die Kaiserin mit einem am Rücken tief ausgeschnittenen Kleid fotografiert haben soll, dabei war auch das Tattoo über dem Gesäß sichtbar. Das Foto habe ihm wohl so gut gefallen, dass er es in seiner Brusttasche bei sich trug. Als er tot war, habe man versucht, Kaiser Franz Joseph mit der Fotografie zu erpressen.
Gibt es kritische Stimmen, die das Sisi-Bild durch Ihr Buch in den Dreck gezogen sehen?
Pfeiffer: Klar, einige wollen sich das romantische Romy-Schneider-Bild bewahren. Doch das Buch ist dafür da, um den Mythos zu überdenken. Sie hatte eine andere Seite, die nichts mit Ratsch und Tratsch zu tun hat, die damals nur einfach nicht filmtauglich war.