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Interview: Schauspieler Christian Berkel zu Antisemitismus: "Wir müssen wachsam sein"

Interview

Schauspieler Christian Berkel zu Antisemitismus: "Wir müssen wachsam sein"

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    Christian Berkel spielt seit 14 Jahren in der ZDF-Serie "Der Kriminalist". Er ist mit Schauspiel-Kollegin Andrea Sawatzki verheiratet. Das Foto zeigt ihn bei Dreharbeiten.
    Christian Berkel spielt seit 14 Jahren in der ZDF-Serie "Der Kriminalist". Er ist mit Schauspiel-Kollegin Andrea Sawatzki verheiratet. Das Foto zeigt ihn bei Dreharbeiten. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Herr Berkel, seit 14 Jahren ermitteln Sie nun in der Serie "Der Kriminalist" als Kommissar Bruno Schumann in Berlin, doch damit ist bald Schluss. Gab es dafür spezielle Beweggründe?

    Christian Berkel: Na ja, ich habe in den letzten zwei bis drei Jahren immer wieder nach dem richtigen Augenblick für einen Ausstieg gesucht. Ich wollte nie das, was man hier und da bei Serien oder auch in der Politik beobachten kann – ich wollte nie an einer Sache so kleben, dass die Leute sagen: Jetzt ist aber auch gut. Ich wollte den Moment finden, um loszulassen und mich auf andere Aufgaben zu fokussieren. Und jetzt fühlte es sich eben richtig an.

    Gab es denn einen Auslöser?

    Berkel: Das war schon aus dem Gefühl heraus. Es hatte aber auch sicherlich damit zu tun, dass mein erster Roman gerade erschienen war. Und mir wurde das alles auch ein wenig zu viel. Man muss sich vorstellen, allein "Der Kriminalist" benötigt etwa 100 Drehtage, dann noch zwei, drei weitere Filme und das Schreiben. Am Ende habe ich sieben Tage die Woche gearbeitet. Dieses Pensum lässt sich auf die lange Strecke nicht bewältigen. Darunter würde letztendlich alles leiden.

    Es wird kein dramatisches Ende des Kommissars Bruno Schumann geben. Sie wollten das nicht, hieß es.

    Berkel: Das stimmt, wir haben uns vor der letzten Staffel zusammengesetzt und haben beratschlagt, wie so ein Ende aussehen könnte. Gemeinsam haben wir dann entschieden, dass es nicht ein Abschied sein sollte, den man schon hundertfach gesehen hat.

    Die Liste der Regisseure, mit denen Sie im Laufe der Jahre gearbeitet haben, ist beeindruckend: Es begann mit Ingmar Bergman, da waren Sie 18. Wie kamen Sie eigentlich zum Film?

    Berkel: Obwohl die ersten zwei, drei Arbeiten tatsächlich sehr früh waren, wollte ich erst einmal nur zum Theater. So habe ich die ersten 16 Berufsjahre weitgehend fürs Theater gearbeitet. Ich habe übrigens meine ersten Theaterjahre in Augsburg verbracht.

    Und wie sind Sie in Schwaben zurechtgekommen?

    Berkel: Gut. Mich verbindet viel mit Augsburg und auch Ihrer Zeitung. Das war das erste Blatt, das über meine frühen Rollen und Aufführungen geschrieben hat.

    Wann spielten Sie in Augsburg?

    Berkel: Das war 1977 bis 1979, meine zwei Anfängerjahre, eine für mich sehr wichtige Zeit. Ich konnte damals schöne Rollen spielen, beispielsweise den Romeo. Ich war auch im Sommernachtstraum dabei.

    Ihre Filmkarriere begann dann so richtig in den 90er Jahren. Aber wann fingen Sie mit dem Schreiben von Büchern an?

    Berkel: Die Auseinandersetzung mit der Literatur hat mich mein ganzes Leben begleitet. Vielleicht war auch das Theater ein Grund, weil man sich da ja immer mit großen Autoren beschäftigen musste.

    In dem Roman "Der Apfelbaum" von 2018 erzählen Sie über Ihre Familie.

    Berkel: Auch meine Familiengeschichte hat mich natürlich immer begleitet. Ich wusste aber nie, was ich damit machen soll. Irgendwann habe ich mich für einen Roman als Form entschieden. Über die Kernpunkte der Geschichte hat bei uns in der Familie niemand gesprochen. Das war das große Schweigen. Und das ist auch das Thema meines zweiten Romans, der am 12. Oktober erscheinen wird.

    Der Titel ist schon bekannt: "Ada".

    Berkel: Es ist die Geschichte eines Mädchens, das in Argentinien geboren ist, und mit ihrer jüdischen Mutter in den 50er Jahren nach Berlin zurückkehrt. Ada tritt aus dem Schweigen der Elterngeneration heraus. Es ist also eine andere Perspektive, eine andere Hauptfigur, aber es sind auch Figuren dabei, die man aus dem "Apfelbaum" kennt.

    Sie haben jüdische und katholische Wurzeln. Das reichte der rechten Szene schon, um Sie anzufeinden. Sie stehen auf der Liste der sogenannten Verräter der weißen Rasse. Was heißt das?

    Berkel: Das heißt, dass etwas geschehen ist, was wir alle vor zehn bis 15 Jahren noch nicht für möglich gehalten hätten. Wir müssen in der ganzen westlichen Welt einen spürbaren Rechtsruck zur Kenntnis nehmen. Und wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass die Demokratie in Deutschland nicht selbstverständlich ist. Es gibt starke Bestrebungen, diese Demokratie abzuschaffen. Ich bin selbst erschrocken darüber, dass es heutzutage weltweit nurmehr in weniger als der Hälfte der Länder demokratische Staatsformen gibt. Und wenn es in der demokratischen Welt deutliche Gegenbewegungen gibt, dann müssen wir für die Demokratie kämpfen.

    Was kann jeder Einzelne dazu beitragen?

    Berkel: Jeder kann sich zu seiner Auffassung Gedanken machen und dazu stehen. Ich denke, ein entscheidender Punkt ist die Sprache. Rassismus und Antisemitismus beginnt immer mit der Sprache, da wird ausprobiert, wie eine Gesellschaft darauf reagiert. Und so können sich, ohne dass sich die Geschichte wiederholt, wieder totalitäre Strukturen bilden. Und jeder Einzelne von uns kann das alles hinterfragen. Was man aktiv dagegen tun kann, darauf habe ich noch nicht die richtige Antwort gefunden.

    Haben Sie Angst um Ihre Familie?

    Berkel: Nein. Bei uns allen greift da sicherlich auch ein gewisses Verdrängungspotenzial. So habe ich keine unmittelbare Angst, weil wir in einer demokratischen Gesellschaft leben und die absolute Mehrheit dieser Gesellschaft nicht antisemitisch und rassistisch denkt. Aber wir müssen wachsam sein.

    Das Schauspielerpaar Christian Berkel und Andrea Sawatzki auf dem roten Teppich.
    Das Schauspielerpaar Christian Berkel und Andrea Sawatzki auf dem roten Teppich. Foto: Jörg Carstensen (dpa)

    Sie sind mit Schauspielerin Andrea Sawatzki verheiratet. Sie beide gelten als "Traumpaar des deutschen Films". Können Sie damit etwas anfangen?

    Berkel: Nein, denn das sind nicht meine Träume. Aber ich habe auch kein Problem mit dem Begriff. Das Leben ist ja kein Traum, sondern Realität, und wir haben das Glück, uns gefunden zu haben.

    Christian Berkel wurde 1957 in Berlin geboren. Seine Mutter, eine Jüdin, emigrierte 1938 nach Frankreich und später nach Argentinien. Sein Vater war Stabsarzt bei der Wehrmacht. Das ZDF zeigt gerade die letzte Staffel von "Der Kriminalist". An diesem Freitag läuft um 20.15 Uhr die dritte Folge.

    Lesen Sie auch: Der Kriminalist - Wir haben es nicht besser verdient: Handlung, Darsteller, TV-Termin

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