Pater Pfenning, haben Sie das kirchenkritische Video von Komikerin Carolin Kebekus kürzlich gesehen?
Pater Michael Pfenning: Ja, das Video trifft voll ins Schwarze. Spritzig, frech, provokativ und mit erstaunlich viel Insiderwissen.
Sie kritisierte unter anderem, dass Frauen „gerne beim Pfarrfest einen Kuchen backen“ dürften, „aber ein wichtiges Amt und eine Stimme bekommen sie nicht“ in der katholischen Kirche. Eine Social-Media-Redakteurin der Deutschen Bischofskonferenz erkannte in Kebekus’ Video „blasphemische Elemente“. Sie auch?
Pfenning: Es wird natürlich überzeichnet. Ich bin aber sehr froh, dass Kirche noch ein wichtiges Thema fürs Kabarett ist.
Wie denken Sie über die Rolle der Frau in der katholischen Kirche?
Pfenning: Wissen Sie: Mir geht die Diskussion über den Priestermangel und Frauen in der Kirche, die gerade geführt wird, noch nicht weit genug. Und selbst wenn jetzt Bischöfe fast einen Wettlauf darum eröffnet haben, wer mehr Frauen in Leitungspositionen bringt, wirkt das Ganze auf mich noch nicht glaubwürdig – solange nicht über die Zulassung von Frauen zur Diakonen- und Priesterweihe ernsthaft nachgedacht wird. Ich erlebe hier eine Halbherzigkeit. Und dann spricht man immer von den Zeichen der Zeit! Ja ist denn das kein Zeichen der Zeit, dass Frauen in Scharen aus der katholischen Kirche austreten? Für mich ist es das: Es muss sich etwas ändern, man muss das Priesteramt für Frauen öffnen. Das ist schon eine Frage der Gleichberechtigung. Man kann es sich auch nicht so einfach machen und die Kirchenaustritte nur mit Gottlosigkeit oder Glaubensverlust erklären. Ich kann bei diesem Thema richtig ärgerlich werden.
Was ärgert Sie so?
Pfenning: Man mogelt sich um die Zeichen der Zeit herum! Gott will mit seiner Kirche einen neuen Weg gehen. Jede getaufte Frau und jeder getaufte Mann ist zum Dienst in der Kirche berufen. Sicher, der priesterliche Dienst ist ein besonderer, aber ich halte es nicht mehr für vertretbar, ihn in der bisherigen Weise herauszustellen.
Aber die zwölf Apostel, die Jesus berief, seien doch allesamt Männer gewesen, heißt es. Und: Papst Johannes Paul II. erklärte in den 1990ern kraft seines Amtes, „dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden“. Alle Gläubigen hätten sich endgültig an diese Entscheidung zu halten.
Pfenning: Sich einseitig auf Traditionen zu berufen, ist mir auch theologisch nicht stichhaltig genug. Erste Zeugin der Auferstehung war beispielsweise eine Frau. Nein, solche Argumente kann ich nicht mittragen. Ich glaube auch nicht, dass ein Papst diese Frage endgültig entscheiden kann. Und auch wenn ich für die nächsten Jahre realistischerweise keine Öffnung für das Frauenpriestertum sehe, so muss es jetzt und in aller Deutlichkeit vertreten werden. Gott sei Dank tut das der Katholische Deutsche Frauenbund oder das Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Dafür bin ich diesen beiden Organisationen dankbar. Wir dürfen nicht länger schweigen. Dafür nehme ich auch gewisse Anfeindungen in Kauf.
Die dürften von katholisch-konservativer Seite kommen.
Pfenning: In diesen Kreisen glaubt man auch, die Kirche würde „gesund schrumpfen“. Die Kirchenaustritte werden hier also positiv umgedeutet. Das aber würde eine Ghettobildung bedeuten. Das wäre nicht mehr meine Kirche.
Im Jahr 2019 wurden bundesweit nur 55 katholische Diözesanpriester neugeweiht, nach Recherchen unserer Redaktion werden es in diesem Jahr 57 sein. Bei den Ordenspriestern ist die Lage noch dramatischer: 2019 gab es acht Neuweihen. Ist das Priestertum, wie es die katholische Kirche vertritt, ein Auslaufmodell?
Pfenning: Nein, das würde ich nicht sagen. Es wird wahrscheinlich auch künftig das zölibatäre Priestertum noch geben. Aber für mich ist das nur eine Form des Priesterseins. Es ist höchste Zeit, das Priesteramt zu öffnen – nicht nur für Frauen, sondern auch für bewährte, verheiratete Männer. Und ich kann mir noch etwas anderes vorstellen.
Ja?
Pfenning: Ich glaube, unsere studierten und im pastoralen Dienst stehenden Theologen könnten Priester sein. Und mehr noch: Jedes Dorf, jede Gemeinde, könnte aus ihrer Mitte bewährte Frauen und Männer wählen, die entsprechend ausgebildet und dann zum priesterlichen Dienst gesendet werden – quasi im Nebenamt. Es gibt ja bereits nebenberufliche Diakone, warum soll es keine nebenberuflichen Priester geben?
Und das würde funktionieren?
Pfenning: Es gibt in den Dörfern Menschen, die Pfarrgemeinden tragen, weil der Pfarrer weit weg ist. Er muss sich inzwischen ja um große Pfarreiengemeinschaften kümmern. Diese Menschen bringen den Kranken die Kommunion und sind im Wortsinne Seelsorger. Wir brauchen in der Kirche eine viel größere Kreativität, um dem Priestermangel etwas entgegenzusetzen.
Der Augsburger Bischof Bertram Meier sagte im Interview mit unserer Redaktion: „Berufungen lassen sich nicht machen.“ Sehen Sie das auch so?
Pfenning: Das stimmt zwar. Ich glaube aber, dass es durchaus viele Berufungen gibt. Das Problem ist, dass die Kirche sie nicht zulässt. Was auch daran liegt, dass das klerikale Machtsystem aufrechterhalten werden soll. Ich habe ein paar junge Leute erlebt, die überlegt haben, Priester zu werden. Sie wurden es nicht, auch weil sie sich nicht vorstellen konnten, in Großpfarreien arbeiten zu müssen. Das widersprach ihrem Verständnis von Seelsorge. Genau das passiert, wenn wir meinen, wir müssten die pastoralen Räume der Zahl der Priester anpassen. Wir müssen bestimmte Dinge wieder vom Kopf auf die Füße stellen – und dabei von der einzelnen Pfarrgemeinde und dem, was sie braucht, ausgehen.
Wie wird die katholische Kirche in 40 Jahren aussehen?
Pfenning: Wahrscheinlich wird sie nicht mehr Volkskirche sein, wie wir sie heute noch kennen. Die Zukunft der Kirche wird sich allerdings weniger an ihrer Struktur, sondern an der Spiritualität entscheiden.
Wie meinen Sie das?
Pfenning: Die große Frage wird sein: Gelingt es ihr, eine Kraft zu vermitteln, die Menschen stark macht und sie in ihrem Leben, in Krisen stützt? Dafür braucht es viele Menschen, die das vermitteln – nicht nur Priester.
Das sind die Pallottiner: Pater Michael Pfenning wurde 1959 in Spaichingen in Baden-Württemberg geboren. Nach einer Ausbildung zum Krankenpfleger trat er 1982 den Pallottinern bei; 1987 wurde er zum Priester geweiht. Seit 2013 ist er Vizeprovinzial der ordensähnlichen Gemeinschaft – eine Gesellschaft des katholischen Apostolates – für Deutschland und Österreich mit Sitz in Friedberg bei Augsburg. Zu dieser „Herz-Jesu-Provinz“ zählten Anfang 2019 insgesamt 306 Pallottiner, weltweit gibt es etwa 2500. Gegründet wurde die Gemeinschaft 1835 vom Heiligen Vinzenz Pallotti. Pallottiner leben in Armut und ehelos. Als ihre Aufgabe verstehen sie, durch „Leben, Tun und Beten, Gott zur Sprache zu bringen“.
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