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Interview: Meret Becker: #allesdichtmachen war "sehr lehrreich"

Interview

Meret Becker: #allesdichtmachen war "sehr lehrreich"

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    Meret Becker, hier auf der Berlinale 2018, steigt aus dem Berliner „Tatort“ aus.
    Meret Becker, hier auf der Berlinale 2018, steigt aus dem Berliner „Tatort“ aus. Foto: Ralf Hirschberger, dpa

    Frau Becker, Sie waren eine der Schauspielerinnen, die an der umstrittenen Aktion #allesdichtmachen teilgenommen haben. Schauspieler kritisierten dabei ihre Situation in der Corona-Krise. Die Kritik an den teils missglückten Videos war riesig. Haben Sie sich davon erholt?

    Meter Becker: Langsam geht’s wieder. Das war schon ein Trip. Nur dass der normalerweise nach 24 Stunden vorbeigeht, dieser schien ewig.

    Würden Sie an so einer Aktion aus heutiger Sicht nochmals teilnehmen?

    Becker: Nein. Ich finde es zwar gut und wichtig, dass etwas gemacht wurde, dazu stehe ich. Aber die Form war nicht meins. In einer Form, die mir liegt, hätte ich auch die Tritte besser weggesteckt. Die Aktion fand ich trotzdem wichtig und hochinteressant, nur hätte ich sie mir lieber von außen angeschaut.

    Haben wir verlernt, andere Meinungen auch mal stehen zu lassen?

    Becker: Die Reaktion war viel zu heftig. Aber es war fast zu befürchten. Deshalb gab es die Aktion ja letztlich. Das ist so eine Art loop, eine Endlosschlaufe.

    Die Kombo aus einzelnen Video-Standbildern der Internetaktion #allesdichtmachen via Youtube zeigt Schauspieler, die sich an der Internetaktion unter dem Motto #allesdichtmachen beteiligten:
    Die Kombo aus einzelnen Video-Standbildern der Internetaktion #allesdichtmachen via Youtube zeigt Schauspieler, die sich an der Internetaktion unter dem Motto #allesdichtmachen beteiligten: Foto: dpa

    Warum haben Sie Ihr Video zu #allesdichtmachen im Nachgang gelöscht?

    Becker: Ich hatte das Missverständnis befürchtet, mich aber wegen des Rechts auf freie Meinungsäußerung dafür entschieden. Als es also missverstanden wurde, war ich innerlich eigentlich schon darauf vorbereitet und habe sehr schnell reagiert. Dafür gab’s fast mehr Schelte als fürs Mitmachen. Das waren schon alles viele interessante Gedankengänge, sehr lehrreich, und manchmal wusste man nicht mehr, wo oben und unten ist. Es gab Verschwörungstheorien aller Art, von sämtlichen Seiten. Eine beteiligte Kollegin meinte, sie fühle sich wie in einem Lynch-Film.

    Nun zum Positiven. Das Corona-Grau lichtet sich. Wie empfinden Sie die neu sprießende Freiheit im Land?

    Becker: Ich freue mich über lachende Menschen in Cafés. Kürzlich hatte ich meinen ersten Kinobesuch. Da kamen mir die Tränen. Ich bin so dicht am Wasser gebaut. Es war etwas peinlich, es sind ja nicht alle Cineasten oder Filmschaffende, die da um einen rumsitzen.

    Glauben Sie, dass sich das Kino von der Corona-Krise erholen wird?

    Becker: Es wird dauern. Das ist wie bei einem Dominospiel. Sie stupsen nur einen Stein um und es fällt eine ganze Reihe. Es gibt zum Glück viele kluge Menschen, die sich dessen annehmen. Aber leider sind viele draufgegangen. Natürlich immer die Kleinen, die Feinen.

    Was hat die Corona-Krise mit Ihnen gemacht?

    Becker: Das kommt darauf an. Viele sagen, ich will mein altes Leben zurück. Das möchte ich nicht. Ich würde gern besser aus dieser Krise rausgehen.

    Meret Becker (links) im neuen "Tatort", der an diesem Sonntag ausgestrahlt wird.
    Meret Becker (links) im neuen "Tatort", der an diesem Sonntag ausgestrahlt wird. Foto: Gordon Muehle/rbb/ARD, dpa

    In Ihrem neuen „Tatort“ geht es um die Immobilienkrise (Kritik siehe unten, Anm. d. Red.). Ein Mietshaus wird luxussaniert, die alten Mieter sollen rausfliegen. Der Krimi setzt hart an der Wirklichkeit an, oder?

    Becker: Ein Krimi kratzt höchstens an der Wirklichkeit. Er ist in erster Linie Unterhaltung. Aber natürlich nutzen wir die Chance, Gedanken anzustoßen oder auch nur zu sagen: Du wirst gesehen, es wird wahrgenommen. Der „Tatort“ erreicht ja ein großes und diverses Publikum.

    Bei Wohnungsbesichtigungen im Prenzlauer Berg stehen Hunderte Schlange. Berührt Sie das?

    Becker: Es ist eine absurde Szenerie. Wie bei einem Vorsprechen. Das Schlimme daran ist, dass man die Chancenungleichheit so deutlich merkt. Was mich wirklich umhaut, ist, wie viele Menschen derzeit in Berlin wohnungslos sind. Die Betten unter den U-Bahn-Brücken, das sind so viele geworden. Das ist in so extremer Form neu hier. Der Kampf um bezahlbaren Wohnraum nimmt nicht nur in Berlin immer mehr zu.

    Was müsste passieren, damit sich die Lage wieder drehen würde?

    Becker: Es gibt wirklich tolle Konzepte, in denen es ein diverses Miteinander – auch was finanzielle Vielfalt angeht – geben könnte. Es ist halt die Frage, wie viele dieser Konzepte umgesetzt werden, weil Gerechtigkeit meist kein lukratives Geschäft ist, sondern ein anständiges. Und Kapitalismus ist in bestimmten Bereichen eben in höchstem Maße unanständig. So auch beim Wohnen.

    Es ist einer Ihrer letzten „Tatorte“, weil Sie im Frühjahr 2022 aussteigen. Wie geht es Ihnen damit, so einen sicheren beruflichen Hafen zu verlassen?

    Becker: Durch Corona gab es große finanzielle Einbußen im Live-Bereich, die ich jetzt ohne die sichernde Stelle beim „Tatort“ wieder reinholen muss. (...) Ich habe noch viel vor. Quote interessiert mich nach über 30 Jahren Arthouse-Kino, Konzerten, Varieté, Theater, Zirkus, Tanztheater tatsächlich wenig.

    Meret Becker und ihr Bruder Ben im Jahr 2015.
    Meret Becker und ihr Bruder Ben im Jahr 2015. Foto: Daniel Reinhardt, dpa

    Stehen schon neue berufliche Projekte an? Und wenn ja – welche?

    Becker: Ich bin sehr abergläubisch, die ungelegten Eier und so. Aber Konzerte wird es wohl geben, davon gehe ich schwer aus. Sonst schmoll ich richtig, echt!

    Zur Person: Meret Becker, 52, stammt aus einer Künstlerfamilie. So ist beispielsweise auch ihr Bruder Ben ein bekannter Schauspieler. Bekannt wurde sie etwa durch Helmut Dietls „Rossini“. Sie trägt das Bundesverdienstkreuz für gesellschaftliches und künstlerisches Engagement und ist auch Musikerin.

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