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Interview: Influencerin Nasemann: "Nachhaltigkeit geht nur mit Kompromissen"

Interview

Influencerin Nasemann: "Nachhaltigkeit geht nur mit Kompromissen"

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    Marie Nasemann war 2009 bei Germany's Next Topmodel, setzt sich für faire Mode ein und hat ein Buch über Nachhaltigkeit geschrieben.
    Marie Nasemann war 2009 bei Germany's Next Topmodel, setzt sich für faire Mode ein und hat ein Buch über Nachhaltigkeit geschrieben. Foto: Jörg Carstensen, dpa

    Marie Nasemann (32) ist früher bei Germany's Next Topmodel aufgetreten. Als Influencerin setzt sie sich für faire Mode ein. Mit ihrem Buch Fairknallt - Mein grüner Kompromiss, das am 31. Mai erschienen ist, möchte sie zeigen wie man nachhaltiger lebt, ohne den Spaß zu verlieren.

    Frau Nasemann, hatten Sie ein Schlüsselerlebnis das Sie dazu gebracht hat, sich für faire Mode im Speziellen und Nachhaltigkeit im Allgemeinen einzusetzen?

    Marie Nasemann: Mein größter Wendepunkt im Leben war der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza 2013 in Bangladesch. Damals sind über 1000 Menschen ums Leben gekommen. Diese Menschen haben unter menschenunwürdigen Bedingungen Fast Fashion produziert, die es in jeder deutschen Innenstadt zu kaufen gibt. Als ich die Bilder der Katastrophe sah, wurde mir klar: So geht das mit meinem ständigen Überkonsum nicht weiter.

    Wie sind Sie darauf gekommen, Ihr Buch „Fairknallt“ zu schreiben?

    Nasemann: Da ich mich schon lange mit dem Thema Nachhaltigkeit und den unterschiedlichen Lebensbereichen befasse, wollte ich auch gerne ein Buch zu dem Thema schreiben. Allerdings kein klassisches Sachbuch mit 1000 Tipps, die einen eher überfordern, sondern ein sehr persönliches, ehrliches Buch in dem ich mir eingestehe, wo es mir gelingt und wo ich eben auch scheitere. Ich glaube es braucht mehr glaubwürdige Vorbilder und mehr Menschen, die kleine Kompromisse eingehen.

    "Nachhaltige Ernährung fühlt sich nicht an wie eine Einschränkung"

    Mit welchen Veränderungen des Alltags sollte man Ihrer Meinung nach anfangen, um nachhaltiger zu leben, ohne sich zu stark einzuschränken und dann möglicherweise die Lust zu verlieren?

    Nasemann: Ich denke es ist am leichtesten im Bereich der Ernährung etwas zu verändern. Jede Mahlzeit ohne tierische Lebensmittel hat positive Auswirkungen auf den Planeten. Man muss nicht strikt vegan sein, um ein paar vegane Alternativen in den Alltag einzubauen. Hafer-statt Kuhmilch in den Kaffee. Sojajoghurt und Veggie-Bolo. Das sind alles Dinge, die sich für mich nicht nach einer Einschränkung anfühlen. Ansonsten finde ich es im Bereich der Kosmetik sehr leicht auf natürliche Alternativen umzusteigen. Naturkosmetik gibt es inzwischen in jeder Drogerie und zu sehr günstigen Preisen.

    Was sind besonders beliebte Methoden und Veränderungen, um nachhaltiger zu leben?

    Nasemann: Ich glaube das sind sehr individuelle Entscheidungen. Was der einen Person leicht fällt, fühlt sich für eine andere nach einer starken Einschränkung an. Wichtig ist eine persönliche Auseinandersetzung mit den eigenen Lebensbereichen der Ernährung, des Wohnens, des Konsums, des Reisens und der Mobilität. Genauso wie ganz genau hinzugucken, wo man ohne große Einschränkungen etwas verändern könnte, und sich dann realistische Ziele zu setzen.

    Welche Ziele, die Sie in puncto Nachhaltigkeit haben, fallen Ihnen im Alltag besonders schwer?

    Nasemann: Ich würde gerne einmal am Tag ganz vegan essen. Finde es aber immer noch schwer, da ich oft unkreativ bin und es für mich beim Zubereiten von Essen einfach schnell und unkompliziert gehen muss. Noch dazu habe ich gerade ganz schlimme Schwangerschaftsgelüste… Croissants und Fertigpizza...

    "Kleine Schritte kann man sich angewöhnen wie Zähneputzen"

    Sie schreiben über Kompromisse und zeigen auf, dass es keinen Königsweg gibt. Wie wichtig ist eine gewisse Lockerheit, um dauerhaft nachhaltig leben zu können?

    Nasemann: Ich glaube, der Spaß am Leben darf nicht verloren gehen. Sobald wir nur noch „Bad News“ zur Klimakrise lesen verfallen wir schnell in eine Schockstarre und unternehmen gar nichts. Wenn wir uns in unserer Freiheit zu sehr einschränken, reagieren wir oft mit einer Gegenreaktion, weil es einfach in unserem Naturell liegt uns frei und selbstbestimmt zu fühlen. Es geht nur mit Kompromissen und einem grünen Mittelweg. Alles andere halte ich für eine Utopie.

    Wie schafft man es, dass kleine Schritte im Alltag eine große Wirkung erzeugen?

    Nasemann: In dem man sie langfristig umsetzt. So toll die Aktion des veganen Januars (veganuary) ist, finde ich es doch schade, wenn im Februar alle wieder „reinhauen“ und zu alten Gewohnheiten zurück kehren. Lieber kleine Hacks in den Alltag integrieren, die man sich angewöhnen kann, wie das tägliche Zähneputzen.

    Was den Umweltschutz betrifft, hat in den vergangenen Jahren ein Umdenken bei vielen eingesetzt, ein Beispiel ist die inzwischen einflussreiche Bewegung „Fridays for Future“, die von Schülern und Studenten initiiert wurde. Wie haben Sie das bei Ihrer Arbeit als Influencerin gemerkt?

    Nasemann: Instagram ist eine tolle Plattform um sich mit gleichgesinnten auszutauschen und sich zu mobilisieren. Ohne soziale Medien wäre FFF nicht so schnell, so groß und einflussreich geworden. Ich finde es toll an meiner Arbeit, dass ich mich mit anderen reichweitenstarken Influencerinnen und Influencern zusammen tun kann, um auf wichtige Aktionen aufmerksam zu machen. Das betrifft Themen der Nachhaltigkeit, aber auch feministische Themen wie die Frauenquote oder Spendenaktionen für Geflüchteten-Camps.

    "Der Bereich der fairen Mode wächst beständig"

    Sie stehen für faire Mode und setzen sich mit Ihrer Reichweite in den sozialen Medien dafür ein. Welchen Einfluss hat faire Mode auf das Kaufverhalten generell, und damit auch auf den Umweltschutz und Nachhaltigkeit?

    Nasemann: Fair Fashion macht leider immer noch einen sehr kleinen Anteil der verkauften Mode in Deutschland aus. Aber das Gute: Er wächst beständig! Faire Mode zeigt, dass es auch anders gehen kann. Nämlich dass Mode im Einklang mit der Natur produziert werden kann und dass die Menschen, die diese Mode produzieren fair entlohnt werden können. Außerdem rufen Fair Fashion Brands in der Regel zu einem bewussteren Konsum auf. "Buy less, choose well, make it last" ist das Motto.

    Was können Sie als Influencerin in puncto Nachhaltigkeit tatsächlich verändern?

    Nasemann: Meine Arbeit ist natürlich ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber meine Community wächst beständig. Ich möchte das Gefühl haben, alles versucht und mich eingesetzt zu haben. Und ich möchte eine Antwort auf die Frage meiner Enkel und Enkelinnen haben, wenn sie fragen: „Was habt ihr damals gegen die Klimakrise unternommen?"

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