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Interview: "Holy Moses"-Frontfrau Sabina Hirtz: "Metal hat mich glücklich gemacht"

Interview

"Holy Moses"-Frontfrau Sabina Hirtz: "Metal hat mich glücklich gemacht"

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    Sabina Hirtz steht seit fast 40 Jahren als Metal-Sängerin auf der Bühne.
    Sabina Hirtz steht seit fast 40 Jahren als Metal-Sängerin auf der Bühne. Foto: obs, RTL II

    Frau Hirtz, Sie gelten in einschlägigen Kreisen als eine deutsche Metal-Legende. Schon seit den 80er Jahren sind Sie Sängerin der Thrash-Metal-Band "Holy Moses". Thrash Metal gilt verkürzt gesagt als Musik, die aus einer Verschmelzung von Punk und britischem Heavy Metal der frühen 80er Jahre entstand, und wird extrem schnell gespielt. Nun schreibt die Zeitschrift "Psychologie heute", dass Metal glücklich macht. Wie glücklich hat der Metal Sie eigentlich gemacht?

    Sabina Hirtz: Sehr glücklich! Ich war als Jugendliche schon einmal in einer – ganz anderen – Männerdomäne. Ich habe damals nämlich ziemlich intensiv Fußball gespielt. Und bei einem Nachwuchsreporter-Wettbewerb des RTL-Hörfunks – ich habe damals Fußballer wie Kalle Del’Haye oder Gerd Müller interviewt – hatte ich einen Aufenthalt in der Fußballschule von Franz Beckenbauer und Pelé in New Jersey gewonnen. In den USA war es für ein Mädchen völlig normal, Fußball zu spielen. In Deutschland war das Ende der 70er aber noch nicht der Fall. Es wurde belächelt. Ich fing dann an, Hardrock – so hieß das damals noch – zu hören. Und erlebte das als unglaubliche Befreiung. Ich bin durch den Metal um die ganze Welt gekommen. Korea, Japan, die USA – bald spielen wir wieder in Russland. Metal hat mich glücklich gemacht.

    Metal-Fans - wie hier beim Wacken Open Air - erleben bei Konzerten Glück. Das sagt eine Psychotherapeutin.
    Metal-Fans - wie hier beim Wacken Open Air - erleben bei Konzerten Glück. Das sagt eine Psychotherapeutin. Foto: Axel Heimken, dpa

    Sie sind bekannt für Ihre eindrucksvolle, schreilastige Sangesweise. Zugleich betreiben Sie in der Nähe von Hamburg eine Praxis für Psychotherapie und sind Heilpraktikerin. Wie geht das zusammen?

    Hirtz: Ein Klient, ein Patient muss spüren, dass ein Therapeut mit beiden Beinen auf dem Boden steht, ausgeglichen und zugleich empathisch ist. Das ist auch wichtig, wenn man auf der Bühne steht. Gerade als Sängerin oder Sänger muss man sich fragen: Wie bekomme ich die Menschen nun ins Glücklichsein, in die Freude?

    Warum macht Heavy Metal glücklich?

    Hirtz: Da gibt es mehrere Aspekte. Schauen Sie sich Rituale der inneren Reinigung in Urkulturen an – etwa bei Indianern. Da wird getrommelt, man schüttelt sich, verliert sich in sich, gerät in einen meditativen Zustand, der glücklich macht. Da gibt es eine Analogie zu einem Metalkonzert. Auch da wird sozusagen laut getrommelt, dazu kommt das Headbanging, das ja auch etwas Ritualhaftes hat. Selbst der Schüchterne, Melancholische kriegt Mut, klettert auf die Bühne, steht auf einmal im Mittelpunkt und lässt sich beim Stagediving in die Menge fallen, die ihn auffängt. Ein unglaubliches Gefühl. Konzerne geben Riesensummen aus, um ihren Managern ähnliche Coachingerlebnisse zu vermitteln. Mit Fallschirmsprüngen, Bungee-Jumping und so weiter. Beim Metal gibt es dieses Gefühl einfach so.

    Heavy Metal ist seit Jahrzehnten nicht unterzukriegen, die Fangemeinde ist riesig und treu. Woran liegt das?

    Hirtz: In unserer modernen westlichen Welt erleben sich viele als vereinzelt. Viele Familien gehen heute schnell auseinander. In der Metal-Community gibt es einen enormen Zusammenhalt. Das erlebt jeder, der mal auf einem Festival war. Das ist ein wichtiger Punkt, der Metal so attraktiv macht.

    Und was noch?

    Hirtz: Dazu kommt, dass es viele der Bands schon unglaublich lange gibt. Nehmen wir Ozzy Osbourne, Iron Maiden, ACDC, Deep Purple und viele andere. Das verschafft ein Gefühl von Bestand und Kontinuität. Das ist auch ein Grund, warum immer wieder neue junge Fans nachwachsen. Sie spüren diese Kontinuität und erleben sie als etwas Verlässliches, als etwas, das starke Struktur gibt.

    Warum wird Metal vor allem von Männern gehört?

    Hirtz: Männer werden dazu erzogen, dass sie ihre Aggressivität, die sie in gewissen Maßen einfach von Natur aus haben, unterdrücken sollen. Wenn sie Metal hören, dürfen sie aber diese Aggressivität spüren und etwa bei einem Konzert vor der Bühne auf positive Weise ausleben, ohne dass jemand zu Schaden kommt. Das ist anziehend. Aber man muss auch sagen: Heute gibt es viel mehr Frauen, die Metal hören, viel mehr als noch in den 80ern. Auch für sie kann Metal anziehend sein. Im Metal muss man nicht das liebe kleine Mädchen sein. Es darf jetzt aus seiner Rolle rauskommen.

    Metal hat auch den Vorteil, dass in der Fangemeinde das Alter der Anhänger keine Rolle spielt. Man ist auch mit 70 auf einem Festival gern willkommen. Sie sind nun 56. Wie lange werden Sie noch am Mikrofon stehen?

    Hirtz: Eine gute Frage. Man möchte natürlich nicht peinlich aussehen. Darum denke ich oft über den richtigen Zeitpunkt nach, von der Bühne abzutreten. Allerdings habe ich noch das Gefühl, dass wir den Fans etwas geben können. Kommendes Jahr gibt es unsere Band seit 40 Jahren. Darum planen wir noch ein neues Album und eine Tournee, die uns auch auf große Festivals führen soll. Dann sehen wir weiter.

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