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Interview: Hier wird Kalli aus dem "Tatort" mal ganz politisch

Interview

Hier wird Kalli aus dem "Tatort" mal ganz politisch

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    Ein Team, das sich bestens ergänzt: Ivo Batic (Miroslav Nemec, links), Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, rechts) im „Tatort“.
    Ein Team, das sich bestens ergänzt: Ivo Batic (Miroslav Nemec, links), Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, rechts) im „Tatort“. Foto: BR, Clausen + Putz Filmproduktion GmbH, Henrik Heiden

    Ferdinand Hofer, Sie kommen aus Großseeham, einem Ortsteil von Weyarn in Oberbayern. Wären Sie ein typischer Weyarner, müssten Sie stolz sein, auf dem Land zu leben und München als heimliche Hauptstadt Deutschlands ansehen - so jedenfalls steht es auf der Internetseite der Gemeinde. Sind Sie so einer?

    Hofer: Einige Weyarner, die ich kenne, schimpfen dauernd auf die „Stodtera“, die immer am Wochenende aufs Land kommen, den Verkehr behindern und denken, sie als Flachlandler könnten jeden Berg besteigen. Aber München, heimliche Hauptstadt? Ich mag München wirklich gerne, aber die Hauptstadt ist nun mal Berlin, da führt kein Weg dran vorbei. Andererseits: Ich war länger in den USA, und die Menschen dort - zumindest die mit weniger Länderkenntnis - stellen sich einen Deutschen schon wie einen Bayern vor. Insofern ist München zumindest symbolisch schon ein Mittelpunkt Deutschlands.

    Regisseur Max Färberböck, mit dem Sie schon mehrere „Tatorte“ gedreht haben, sagt über Sie, Sie würden das „schlierseehafte Bayerntum“ verkörpern. Was meint er damit?

    Hofer: Ich glaube, er meint eine gewisse Natürlichkeit, Offenherzigkeit, die Art, dass ich ehrlich meine Rollen spiele. Den natürlichen bayerischen Charme, kann man vielleicht sagen. Er meint sicher auch die Färbung in meiner Sprache - und vielleicht die Lebensfreude. Der Kalli im „Tatort“ ist ja auch einer, der immer gut gelaunt ist. Das ist glaube ich auch eine Eigenschaft des schlierseehaften Bayern, dass er bayerischen Humor hat und fröhlich ist - auch, wenn er mal grantelt. Der typisch bayerische Grantler grantelt ja auch oft, weil er’s einfach lustig findet.

    Wissenswertes zum "Tatort"

    Der ARD-"Tatort" ist die langlebigste und erfolgreichste Krimireihe im deutschen Fernsehen.

    DER ERSTE FALL: Der erste "Tatort" war "Taxi nach Leipzig", der am 29. November 1970 lief. Der Hamburger Hauptkommissar Paul Trimmel (Walter Richter) musste einen deutsch-deutschen Mordfall klären. Der 1000. Tatort heißt ebenfalls "Taxi nach Leipzig".

    DIE ERSTE KOMMISSARIN: Als erste Ermittlerin der Reihe schickt der Südwestfunk (SWF) 1978 Kommissarin Marianne Buchmüller (Nicole Heesters) mit "Der Mann auf dem Hochsitz" ins Rennen. Bis 1980 gibt es drei Folgen.

    GIFTSCHRANK: Einige wenige Folgen dürfen nicht wiederholt werden. Sie haben senderintern einen Sperrvermerk. Die Gründe sind verschieden. So spielen bei "Wem Ehre gebührt" verletzte religiöse Gefühle eine Rolle, bei "Krokodilwächter" die große Brutalität im Film.

    DER MISSGLÜCKTESTE "TATORT": Zu den Tiefpunkten der "Tatort"-Reihe zählen Kritiker die Fälle (1996 - 1998) des Berliner Kommissars Ernst Roiter (Winfried Glatzeder). Aus Kostengründen hatten die Folgen eine billig wirkende Optik. Zudem warf man den Filmen vor, zu sexistisch, brutal oder zu wirr zu sein. Die Quoten waren trotzdem passabel.

    DIE MEISTEN ZUSCHAUER: "Rot - rot - tot" sahen am Neujahrstag 1978 mehr als 26 Millionen Menschen. Das entspricht einer Quote von 65 Prozent. In heutiger Zeit wäre das undenkbar.

    DIE MEISTEN TOTEN: Die Folge "Im Schmerz geboren" mit Ulrich Tukur als Felix Murot stellt einen Leichenrekord in der "Tatort"-Geschichte auf. Experten vom "Tatort-Fundus" zählen 51 Leichen.

    DER VORSPANN: 30 Sekunden mit spannender, hastiger Ohrwurmmusik, zwei Augen in Nahaufnahme, das rechte im Fadenkreuz, ein Mann, der abwehrend die Arme hebt, rennende Beine auf nassem Asphalt und ein Fingerabdruck, dessen Linie den Flüchtenden einkreist.

    Gibt es denn Unterschiede zwischen den schlierseehaften Bayern und denen aus anderen Regionen?

    Hofer: Ich glaube, der Oberbayer ist besonders offen und fröhlich. Und in gewisser Weise selbstbewusst. Franken zum Beispiel haben ja gerne mal Angst, dass sie wegen ihres Dialekts diskriminiert werden. Aber jetzt haben sie sogar ihren eigenen „Tatort“, das zeugt ja auch von Wertschätzung.

    ...und einen Ministerpräsidenten.

    Hofer: Stimmt. Da hab’ ich jetzt gar nicht dran gedacht.

    Wenn man in einem bayerischen Dorf aufwächst, hat man immer ein bisschen das Gefühl, dass die Regierung und Bayern als Einheit empfunden werden, dass erst die CSU in den Augen vieler Bewohner den Himmel weiß-blau macht. Fällt Ihnen das auch auf?

    Hofer: Stimmt, das ist mir erst kürzlich wieder aufgefallen. Wir waren unterwegs zu einem Klettersteig am Tegelberg. Wenn man durch die Dörfer fährt, hat die CSU immer die größten Wahlplakate, immer mit diesen Sprüchen: „Bayern, das sind wir.“ Bei der älteren Generation ist das definitiv so, dass die CSU gleich Bayern ist und andersrum genauso. Mancher auf dem Land hat seinen - sagen wir - 40-Kilometer-Radius ums eigene Haus, den er selten verlässt. Das soll nicht abwertend klingen, ich finde es toll, wenn man seiner Heimat treu ist und sich im Dorf engagiert. Es ist wirklich schön bei uns, es herrscht eine Grundsicherheit, eine gewisse Ordnung. Dem durchschnittlichen Bürger geht es also gut. Und solange in dem Radius, in dem er sich bewegt, alles in bester Ordnung ist, gibt es keinen Grund, eine Änderung zu wollen.

    Wandelt sich das gerade?

    Hofer: Wenn man in die jüngere Generation schaut, wandelt sich das, da wird der Radius gesprengt. Die Leute gehen in die Städte, sammeln Erfahrungen im Ausland. Diese Eindrücke prägen einen, und dadurch wird alles ein bisschen bunter. Und gerade in München - wo ich heute wohne - ist es ja überhaupt nicht so, dass die CSU für die Leute die einzige Partei ist, die man wählen kann. Eher ist das Gegenteil der Fall, zumindest in meinem Alter.

    Es scheint, als würden Sie sich viel mit solchen Themen befassen?

    Hofer: Ja, ich versuche die verschiedenen Sichtweisen auf die Welt zu verstehen. Ich habe meine Freunde in München, die studieren, aber auch Freunde von Zuhause, die dort wohnen geblieben sind und eine Ausbildung gemacht haben. Ich merke, dass die jeweils einen die jeweils anderen oft nicht so akzeptieren, vielleicht sogar etwas abschätzig aufeinander schauen. Das tue ich nicht. Ich versuche in solchen Fällen, Verständnis für beide Parteien aufzubauen.

    Sie sind Schauspieler und studieren Betriebswirtschaftslehre. Bewegen Sie sich auch da in zwei Welten?

    Hofer: Ja, ich versuche immer wieder, ein bisschen zu vermitteln. Zwischen den einzelnen Betriebswirten, die denken: „Diese Künstler machen ja gar nichts“ und manchen Schauspielern, die die Betriebswirte als Karrieristen abtun, die nur aufs Geld aus sind. Beides stimmt natürlich überhaupt nicht, alles total stereotyp. Und natürlich denkt auch nicht jeder so.

    Ihre Kollegen aus dem Münchner „Tatort“ äußern sich auch hin und wieder politisch - Miroslav Nemec spricht viel über den Sozialismus in seiner Heimat, dem früheren Jugoslawien. Wird in der Branche generell viel über Politik diskutiert?

    Hofer: Ja, das beste Beispiel war kürzlich die Eröffnung des Filmfestes in München, wo Ministerpräsident Söder gesprochen hat. Den mögen viele nicht. Andererseits interessiert er sich, anders als zum Beispiel Seehofer vorher, für die Filmbranche und fördert sie. Manche werfen ihm dann vor, das seien alles nur Wahlkampfmanöver. Ich bin auch kein Fan von Söder, aber am Ende ist es doch egal, warum er München als Filmstandort Geld gibt, Hauptsache er tut es. Um die Gründe zu erfahren, kann man ihn eigentlich nur selber fragen: „Findest du bayerische Filme wirklich gut?“ Vielleicht gefallen sie ihm ja tatsächlich. Andererseits: Wenn nicht, würde er es wohl auch für sich behalten.

    Künstler und CSU, das geht also nicht zusammen?

    Hofer: Ich würde sagen, dass der Großteil der Künstler in ganz Deutschland eher sozial eingestellt ist - vor allem in Bezug auf Flüchtlinge. Da treffen politische Werte aufeinander, die sich komplett entgegenstehen.

    Bisher haben Sie selbst vor allem unpolitische Charaktere gespielt. Könnten Sie sich vorstellen, eine politisch eingefärbte Filmrolle zu übernehmen?

    Hofer: Ja klar, das macht es ja spannend, Charaktere zu verkörpern, die verschiedene Überzeugungen haben, anders sind als man selbst. Wobei, um das klarzustellen: In Wirklichkeit bin ich natürlich nicht so blauäugig wie Metzgerssohn Max Simmerl in den „Eberhofer“-Krimis. Also ja, das Angebot für eine politische Rolle würde ich schon gerne annehmen - außer sie widerspricht komplett meinen tiefsten Prinzipien. Einmal wurde mir die Rolle eins Typen angeboten, der Frauenrechte einfach komplett verachtet. Da habe ich entschieden: „Das kann ich nicht machen.“

    In den Verfilmungen der Autorin Rita Falk (rechts) spielt Hofer den Metzgerssohn Max Simmerl.
    In den Verfilmungen der Autorin Rita Falk (rechts) spielt Hofer den Metzgerssohn Max Simmerl. Foto: Marc Müller, dpa

    Was meinen Sie, ist Ihr bekanntestes Alter Ego, Kalli aus dem Münchner „Tatort“, auch ein wenig politisch? Würde er wählen gehen?

    Hofer: Puh, das habe ich mir noch gar nicht überlegt. Er würde auf jeden Fall wählen. Aber was? Hm. Er ist auf keinen Fall total konservativ. Auf der anderen Seite ist er bei der Polizei. Manche Befugnisse aus dem neuen Polizeigesetz dürfte er dann wohl schon gut finden.

    Mit dem Polizeiaufgabengesetz sprechen Sie eine der strittigsten Entscheidungen an, die die CSU in dieser Wahlperiode getroffen hat. Waren Sie bei den Demonstrationen, bei denen in München Zehntausende gegen das Gesetz protestiert haben?

    Hofer: Nein. Ich finde es generell schwer, zu so komplexen politischen Sachverhalten pauschal Ja oder Nein zu sagen. Man müsste vielmehr sagen: „Ja, aber...“ oder „Nein, weil...“. Radikale Positionen sind immer schwierig. Viele Menschen mit extremen Meinungen setzen sich nicht ausführlich mit der Gesamtsituation auseinander. Ich finde, man muss sich sehr genau informieren und sich dann eine Meinung bilden. Wer keine Meinung hat, ist unverantwortlich in einer Demokratie. Und erst, wenn man eine Meinung hat, kann man diskutieren.

    Wird in der bayerischen Politik genug diskutiert?

    Hofer: Es führt zu nichts, wenn keine Partei überhaupt versucht, die Meinung der anderen zu verstehen. Und es führt auch zu nichts, wenn Söder ständig sagt, Bayern mit der CSU sei das coolste Bundesland. Das ist genau die Haltung, die Donald Trump in den USA vertritt. Man muss halt aufeinander zugehen und kann nicht immer davon überzeugt sein, dass man der Beste ist. Man muss auch in die anderen Bundesländer schauen und sagen: „Hey, das läuft hier besser und das dort.“ Man darf sich nicht auf dem Erfolg ausruhen. Das ist eine Sache, die lernst du ja eigentlich schon in der Schule.

    Wird die CSU das bei dieser Wahl auch noch lernen?

    Hofer: Da bin ich mir nicht so sicher. Ich glaube im Moment meinen sie trotz aller Umfragen noch, sie bekämen wieder die absolute Mehrheit. Und so handeln sie gerade auch gegenüber den anderen Parteien.

    Wie informieren Sie sich als junger Wähler eigentlich über Politik? Als im Juni 2018 der Münchner „Tatort“ über Reichsbürger lief, meinten Sie, Sie hätten von der Gruppierung erst durch die „heute-show“ erfahren. Es heißt, dass solche Satireshows als einzige Informationsquelle die Gefahr bergen, dass man Politik nur noch als großen Klamauk sieht.

    Hofer: Ich sehe vielmehr die Gefahr, dass zu viele Leute es ernst nehmen, was da gesendet wird. Aber ich glaube, wenn man ein gewisses Grundlevel an Allgemeinbildung hat, kann man das auch einordnen. Ich finde solche Satireformate gut, weil ich dadurch auf irgendwelche extremen Randphänomene aufmerksam werde, die es nicht in die Nachrichten schaffen, weil sie viel zu absurd sind - auf die Verschwörungstheorien durch Chemtrails zum Beispiel. Wenn solche Sendungen dazu führen, dass die Zuschauer sich dann weiter über ein Phänomen informieren, finde ich das bereichernd.

    Die „heute-show“ ist eine der beliebtesten Sendungen im deutschen Fernsehen. An den „Tatort“ kommt sie trotzdem nicht heran. Egal, wie sehr das Volk politisch gespalten ist, der „Tatort“ versammelt sie alle vor dem Fernseher. Können wir uns auf den Sonntagskrimi als verbindendes Element verlassen?

    Hofer: Ich glaube schon, dass die Leute sich nach Haltepunkten im Alltag sehnen, wenn alles so unsicher und schnelllebig ist. Darauf, dass am Sonntag um 20.15 Uhr der „Tatort“ läuft, kann man sich verlassen. Besonders interessant finde ich aber auch, dass ja nicht nur die „Eberhofer“-Krimis gerade einen Riesenerfolg haben, sondern auch so viele andere bayerische Filme. Irgendwie sehnen sich die Bayern wieder nach Heimat. Das wiederum ist natürlich gut für mich als Schauspieler - und kann auch gerne so weitergehen.

    Zum Schluss noch ein zweites Zitat von Regisseur Max Färberböck: Er hat mit Blick auf Ihre fehlende Schauspieler-Ausbildung gesagt, dass im Freistaat auch Laien gute Schauspieler sind. Welche Partei hat denn die besten?

    Hofer: Oh, schwierig. Auf internationaler Ebene ist auf jeden Fall Donald Trump der größte Schauspieler. Moment, hat der nicht auch bayerische Wurzeln?

    Seine Großeltern kommen aus Kallstadt in der Pfalz - aber die hat damals im 19. Jahrhundert ja noch zu Bayern gehört.

    Hofer: Na also, sag’ ich doch!

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