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Interview: Heilsames Donnerwetter: Fluchen lindert Schmerz

Interview

Heilsames Donnerwetter: Fluchen lindert Schmerz

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    Asterix flucht auch mal...
    Asterix flucht auch mal... Foto: dpa/cim

    Fluchen lindert Schmerzen. Diese Alltagsbeobachtung hat der britische Psychologe Richard Stephens wissenschaftlich belegt. Daher erhielt er in diesem Jahr den alternativen Nobelpreis Ig-Nobel in der Kategorie "Frieden". Die Auszeichnung hat ihren Namen von einem Wortspiel - das englische Wort "ignoble" kann mit "unwürdig" übersetzt werden. Verliehen wird sie seit 1991 von der altehrwürdigen Harvard-Universität in Cambridge (USA) für skurrile wissenschaftliche Arbeiten. Ein Gespräch.

    Herr Stephens, gestehen Sie: Mit der Schimpf-Studie wollten Sie eine Prise Spaß ins Universitätsleben bringen!

    Stephens: Ehrlich gesagt: Ich hatte keine Ahnung, dass das Thema eine solche Karriere machen würde. Eines Tages bin ich einfach über den Sachverhalt gestolpert, dass Menschen, wenn sie sich wehtun, erst einmal einen Fluch ausstoßen. Doch zum Zusammenhang von Schmerz und Fluch gab es kaum Untersuchungen - dabei ist das Verhalten doch kurios.

    Wie haben Sie Ihre Versuchspersonen denn zum Fluchen gebracht?

    Stephens: Sie mussten ihre Hand fünf Minuten lang in Eiswasser tauchen - das ist lang genug, um wehzutun und zu kurz, um ihnen dauerhaften Schaden zuzufügen. Es stellte sich heraus, dass 75 Prozent der Flucher, also die überwiegende Mehrheit, wesentlich länger im Eiswasser verharren konnten als Nicht-Flucher.

    Und welche Schimpfwörter sind Ihnen als Versuchsleiter in der Zeit so um die Ohren geflogen?

    Stephens: Och, alles Mögliche. In England zetern wir ganz durchschnittlich. Das ist nicht überall so: Holländer, habe ich mir sagen lassen, fluchen mit Krankheitsbegriffen - zum Beispiel: Verfluchter Krebs! Und in Deutschland zetert man eher in der Fäkalsprache als mit Sex-Wörtern. Sie sehen: Fluchen ist etwas sehr Persönliches.

    Kann ich davon ausgehen, dass sich mein ganzer Alltag leichtfüßiger und befreiter anfühlt, wenn ich fauchend durchs Leben gehe?

    Stephens: Nein, und das ist ein wichtiger Punkt: Je häufiger man flucht, desto wirkungsloser ist das Toben im Ernstfall. Schmerzlindernd wirkt ein Donnerwetter nur bei denen, die sich nicht ans Schimpfen gewöhnt haben.

    Warum schaltet eine saftige Schimpftirade den Schmerz ab?

    Stephens: Unsere Theorie ist, dass Fluchen die urmenschliche Kampf- oder Flucht-Reaktion verstärkt. Das ist eine Reaktion des Körpers bei Gefahr: Das Herz rast, das Verdauungssystem fährt runter - das Gehirn bereitet uns darauf vor, so schnell wie möglich flüchten oder kämpfen zu können. In dieser Phase sind wir schmerzunempfindlicher. Wir glauben, dass ein Fluch, der ja Tabus bricht und somit ein emotionaler Stimulus ist, diesen Zustand einleitet oder intensiviert.

    Sie haben für die Studie den Ig-Nobelpreis bekommen, eine humorvolle Ehrung von Forschungsarbeiten, die mehr als andere für ein Lächeln sorgen. Warum aber haben Sie mit Ihrer Schimpf-Studie ausgerechnet in der Kategorie "Frieden" gewonnen?

    Stephens: Ich bin fest davon überzeugt, dass Fluchen manche Konflikte mildert. Schon der Psychoanalytiker Sigmund Freud hat einst gesagt: "Derjenige, der zum ersten Mal anstelle eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation."

    Dürfen Ihre Kinder fluchen?

    Stephens: Nein, nein, nein! Wenn meine kleine Tochter das erste Mal in ihrem Leben flucht, wird das sicher ein großer Schock für mich sein. Interview: Jasmin Fischer

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