Sie sind Stand-Up-Comedian, gerade mit Ihrem Programm "Hype" auf Tour. Sie sind die eine Hälfte des erfolgreichen Podcasts "Gemischtes Hack". Und Ihr Buch "Sonne und Beton" ist in die Spiegel-Bestseller-Liste gekommen. Was ist eigentlich Ihr Hauptjob?
Felix Lobrecht: Stand-up-Comedy auf jeden Fall. Wenn man mich nach meinem Job fragt, sage ich immer, ich bin Comedian.
Sie haben einmal in einem Interview gesagt, wenn man auf einer Straße zehn zufällig ausgewählte Leute fragt, würden neun Sie nicht kennen.
Lobrecht: Ich glaube, das kommt schon hin. In einer repräsentativen Stichprobe würden mich neun von zehn nicht kennen. Vielleicht sind es mittlerweile auch acht von zehn. Wenn ich durch eine Gegend laufe, in der Leute sind, die potenziell meine Zielgruppe sind, ist es natürlich anders.
Finden Sie es schlecht, dass so viele Menschen Sie nicht kennen?
Lobrecht: Gar nicht. Ich habe gerade ein angenehmes Maß an Prominenz. Es gibt wenige Leute, die mich einfach so auf der Straße anpöbeln. Ich werde schon öfter angequatscht, aber es ist nicht so, dass ich nicht mehr normal leben könnte.
Das liegt auch daran, dass man Sie nicht oft im Fernsehen sieht.
Lobrecht: Fernsehen macht mir keinen Spaß.
Ist Ihre Karriere erst in der heutigen Zeit möglich, in der Sie über Ihren Podcast und YouTube bekannt werden können, ohne das Fernsehen?
Lobrecht: Ich glaube, Chris Tall ist der letzte Comedian, bei dem dieser klassische Weg funktioniert hat. Es gibt viele Kolleginnen und Kollegen, die viel im Fernsehen sind, bei denen es aber nicht halb so gut läuft wie bei mir – obwohl die prominenter sind. Fernsehen hat immer mit Kompromissen zu tun. Und das macht keine Karriere mehr. Dafür ist die Welt zu globalisiert. Die Leute wissen, wie Comedy auch sein kann. Durch Netflix, durch YouTube, aus den Staaten oder sonst wo. Das Internet hat das Fernsehen gefickt. Die Leute müssen nicht mehr alles fressen, was ihnen vorgesetzt wird.
Gibt es Sendungen, zu denen Sie zusagen würden? Vielleicht finden Sie ja das "Promi-Dinner" super?
Lobrecht: "Promi-Dinner" ist jetzt nicht so meins. Aber ich finde nicht per se Fernsehen schlecht. Ich wüsste nur keine Sendung, in der ich in meiner Funktion als Comedian auftreten könnte. Ich wäre gerne bei "TV Total" gewesen, weil ich das immer geguckt habe. "Schlag den Star" würde ich in einer witzigen Kombination vielleicht machen. Ich würde auch bei "Bares für Rares" mitmachen und bei ein paar Sendungen, die ich einfach witzig finde. Beim "Gefragt - Gejagt Promispecial"! Dafür würde ich mir auch einen peinlichen Spruch überlegen: "Ich bin Felix. Ich bin Comedian. Aber heute Jäger, gibt’s hier nichts zu lachen!"
Das klang schon sehr gut geprobt.
Lobrecht: Nein, das war richtig gut gefreestylt.
Sie beziehen zu vielen Themen klar Stellung. Warum ist es Ihnen wichtig, dass die Leute wissen, was Sie denken?
Lobrecht: Ich mag es, wenn ich bei Leuten weiß, woran ich bin. Und es ist nicht so, dass ich rausgehe und den Leuten meine Meinung aufdrücke. Wenn ich gefragt werde, antworte ich ehrlich. Und es gibt nichts Langweiligeres, als Künstler, die aus Kalkül private Meinungen zurückhalten.
Weil man immer einen Teil der Fans verprellen kann?
Lobrecht: Man kann immer jemanden verprellen, ja. Es gibt einen geilen Spruch vom Rapper Drake: "I never bend my morals for the ticket sales." (Anm. der Redaktion: "Ich verbiege meine Moral nicht für die Ticketverkäufe.") Und da sehe ich mich.
Wie passt das zu Ihren Witzen über Fridays for Future? Sie beleidigen die Aktivisten in einer Nummer ziemlich scharf. Sie sagen, Sie finden die Demos lächerlich, weil das Kinder seien, die keine Ahnung haben. Auf der anderen Seite erklären Sie auch, dass Sie die eigentlich gut finden.
Lobrecht: Diese Nummer fängt ja an damit, dass es cool und wichtig ist, was die machen. Trotzdem habe ich eben die Stimme in mir, die das andere denkt. Mir ist völlig klar, dass das richtig sinnvoll ist, was die machen. Das schließt sich in meinen Augen nicht aus. Und als Comedian ist es dein Job, in Dingen das Witzige zu finden.
Wie hätte der 14-jährige Felix Lobrecht reagiert, wenn ihn ein Promi so beleidigt hätte, wie Sie die Fridays-for-Future-Demonstranten?
Lobrecht: Das wäre völlig an mir vorbeigegangen. Wenn mein 14-jähriges Ich überhaupt davon Notiz genommen hätte, hätte es wahrscheinlich gelacht. Ich wäre aber mit 14 niemals bei Fridays for Future mitgelaufen.
Warum nicht?
Lobrecht: Ich habe noch nicht so weit gedacht. Da hatte ich ganz andere Sorgen. Ich habe auch das Gefühl, dass diese Generation ganz anders ist als meine Generation in dem Alter. Wir waren destruktiver und nicht so gemeinwohlorientiert. Saufen, kiffen und rauchen, das war mehr Thema.
Wie ist Ihr Verhältnis zu den Aktivisten von Fridays for Future?
Lobrecht: Da sind auch Fans von mir. Ich habe mit Fridays for Future Berlin bei Instagram was zusammen gemacht. Die Leute, die sich aufregen, sind ja eh nie die, die betroffen sind. Es regen sich immer irgendwelche Judiths auf, die glauben, dass sie besser wissen, was eigentlich wen diskriminiert.
Woher wissen Sie das?
Lobrecht: Ich hab mal eine Show in Paderborn gespielt, alle hatten einen guten Abend. Dann les ich einen Artikel in der Paderborner Liest-kein-Schwein-Zeitung. Da steht drin: Felix Lobrecht hat übertrieben, Witze über Behinderte gehen gar nicht. Das Witzige ist, dass ich noch nie so viele Rollstuhlfahrer im Publikum hatte wie genau an dem Abend. Und die haben alle brav Schlange gesessen und wollten noch ein Foto. Da denke ich mir: Wen beschützt ihr hier gerade eigentlich? Viele verstehen das einfach nicht. Ich hab neulich einen Blogbeitrag gelesen über einen Auftritt von mir. Da habe ich erzählt, Verhütung bei Frauen sei Wissenschaft. Ich sage da "Spirale reinballern". Die Autorin hat dann geschrieben, dass das ganz anders geht. Ich dachte mir: Bin ich ein Gynäkologen-Professor, Alter? Ich erzähle Witze. Manche Leute sind überhaupt nicht in der Lage, Sachen in einen Kontext zu rücken. Nicht alles, was gesagt wird, muss immer durchdacht und richtig sein. Die glauben, man muss immer alles perfekt gegendert formulieren, sonst ist man Adolf Hitler.
Der Name fällt in Ihren Interviews häufiger?
Lobrecht: Hitti? Ja, man ist ja auch so schnell da. Wir leben in so einer komischen Zeit, in der die Leute Lust daran haben, alle als Nazi zu bezeichnen. Das ist lächerlich. Ich habe das Gefühl, dass es meine Aufgabe ist, manchmal drüber und eklig zu sein, damit wir nicht so krass verweichlichen. Und damit die Leute irgendeinen Gegenpol kriegen, der nicht von Rechts ist. Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit werden gerade – unter einem Deckmantel – von Rechts propagiert. Dabei sind das absolute freiheitlich-demokratische Grundwerte, für die Links eigentlich steht. Aber das ist gerade die politische Strömung, die Meinungsfreiheit und Redefreiheit am meisten gefährdet. Deswegen ist es wichtig, dass wir im Podcast einfach drauflosquatschen. Deswegen ist es wichtig, dass ich die Witze mache, die ich mache. Deswegen ist es wichtig, dass die ganzen Ami-Comedians – Bill Burr, Dave Chappelle – noch stattfinden dürfen. Weil hier sonst alle so irre werden. Political Correctness ist so eine sinnvolle Sache. Für Diskriminierungsmechanismen sensibilisiert werden und zu wissen, dass Sprache verletzen kann. Aber diese aktuelle Interpretation ist ins Lächerliche gekippt und konterkariert die Bewegung.
Wie sehr überlegen Sie sich vorher, was Sie sagen wollen?
Lobrecht: Wenn ich auf der Bühne harte Witze mache, da mache ich mir schon Gedanken. Je härter der Witz, desto besser muss er sein – darauf achte ich. Aber wenn der Trade-off zwischen hart und witzig funktioniert und ich einen Witz geil finde, dann mache ich den.
Gefällt es Ihnen, dass Sie polarisieren?
Lobrecht: Ich glaube, es gibt für einen Künstler nichts Schlimmeres, als wenn dich alle irgendwie okay finden. Meine Bücher haben entweder Fünf- oder Null-Sterne-Bewertungen. Die Leute finden mich entweder wirklich geil oder richtig scheiße.
Ihr Programm heißt "Hype". Sie sagen, Ihnen sei bewusst, dass der Erfolg plötzlich vorbei sein kann. Haben Sie einen Plan B?
Lobrecht: Ich habe keinen konkreten Plan B. Aber ich hatte noch nie Zukunftsängste. Auch nicht früher, als ich pleite und ohne Schulabschluss dastand. Ich habe mir nie Sorgen gemacht. Die Fähigkeiten, die mich hierher gebracht hat, die werden mir auch bei irgendetwas anderem helfen. Vor Leuten quatschen und witzig sein hilft. Egal in was.
Sie sind in Berlin-Neukölln aufgewachsen, Ihr Vater hat Sie, Ihren Bruder und Ihre Schwester alleine mit sehr wenig Geld aufgezogen. Wenn Sie sagen, dass Sie nie Zukunftsängste haben: Hat Ihnen dabei sogar geholfen, dass Ihre Kindheit nicht leicht war?
Lobrecht: Ich hab ja keinen mittelschichtsituierten mit beiden Eltern aufgewachsenen Vergleichs-Felix. Aber ich glaube, dass es rückblickend fast ein Privileg ist, so aufgewachsen zu sein. Weil ich Sachen viel mehr zu schätzen weiß. Und weil ich unter anderen Umständen vielleicht nicht so schnell selbständig und zielstrebig geworden wäre.
Zur Person: Felix Lobrecht, 30, ist Stand-up-Comedian und Autor. Er ist in Berlin-Neukölln aufgewachsen. Nachdem seine Mutter gestorben war, zog sein Vater ihn und seine Geschwister alleine auf. Sein Roman "Sonne und Beton" ist keine Autobiographie, allerdings von seinen Erfahrungen in dem Berliner Bezirk geprägt. Felix Lobrecht flog mit 14 Jahren vom Gymnasium und machte zuerst einen Realschulabschluss, bevor er das Abitur nachholte. Er hat Politikwissenschaft in Marburg studiert. Erste Bekanntheit erlangte er als Poetry-Slammer, seit 2015 tritt er als Comedian auf. Seit 2017 veröffentlicht er zusammen mit dem Comedy-Autor Tommi Schmitt den wöchentlich erscheinenden Podcast "Gemischtes Hack". Der Podcast erreicht etwa eine halbe Million wöchentliche Hörer.
Wir möchten wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.