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Interview: Catherine Deneuve: „Das Gefühl von Einsamkeit gehört zum Beruf“

Interview

Catherine Deneuve: „Das Gefühl von Einsamkeit gehört zum Beruf“

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    Der neue Film „La Vérité“ heißt auf Deutsch „Leben und lügen lassen“ und kommt am 5. März in die Kinos. Deneuve spielt darin an der Seite von Juliette Binoche und Ethan Hawke.
    Der neue Film „La Vérité“ heißt auf Deutsch „Leben und lügen lassen“ und kommt am 5. März in die Kinos. Deneuve spielt darin an der Seite von Juliette Binoche und Ethan Hawke. Foto: Gregor Fischer, dpa (Archiv)

    In Ihrem neuen Film „La Vérité“ sind Sie als kapriziöse Film-Diva zu sehen, Frau Deneuve. Wie viel steckt von Ihnen in dieser Rolle?

    Catherine Deneuve: Die ist ganz weit von mir entfernt. Wenn ich nur daran denke, welche Art von Beziehung die Frau zu ihrer Tochter und ihrem Mann hat – das hat überhaupt nichts mit mir zu tun. Ich habe mich nie als Diva gesehen. Deshalb konnte ich nur aus meiner Fantasie schöpfen.

    Von Ihren Erfahrungen ist also nichts ins Drehbuch eingeflossen?

    Deneuve: Ganz und gar nichts.

    Auch wenn Sie keine Diva sind, wie Sie sagten, als Ikone könnte man Sie schon bezeichnen...

    Deneuve: Lieber nicht. Wer will schon als Ikone betrachtet werden? Irgendwann fangen die Leute dann an, dich schlecht zu machen. Ich möchte mich ganz normal in der Öffentlichkeit bewegen. Mich als Königin oder als Göttin zu behandeln ist lächerlich. Es gibt nur einen Fall, wo das hübsch war. Einmal spielte ich die französische Königin in einem Film, und als ich in meinem Kostüm in einer Pause schlief, machte eine befreundete Fotografin einen Schnappschuss von mir. Aber dieses Foto zeigt eben, dass ich ein gewöhnlicher Mensch bin.

    Sie können doch nicht bestreiten, dass Sie eine Ausnahmestellung besitzen.

    Deneuve: Meine Haltung ist die, dass ich das, was über mich geschrieben wird, nicht ernst nehme. Ich habe es natürlich realisiert, als der Rummel um meine Person losbrach. Erst habe ich mich nicht davon beeindrucken lassen, aber in meinen 30ern wurde mir der Stress zu groß. Ich habe keine Lust, den Erwartungen der Menschen gerecht zu werden. Und ich habe keine Lust, mich jeden Tag aufzustylen, um einem sogenannten Image gerecht zu werden. Das tue ich höchstens für offizielle Anlässe. Und selbst für die macht es mir immer weniger Spaß, weil der Aufwand so groß geworden ist.

    Auch wenn Sie das jetzt nicht mehr so mögen, es gab eine Zeit, da galten Sie als Muse des Stil-Papstes Yves-Saint-Laurent.

    Deneuve: Er hat mich natürlich stark beeinflusst. Als er meine Kostüme für „Belle de Jour“ schneiderte, war ich erst 24, und danach trug ich fortwährend seine Kreationen. Wenn du so tief in die Welt eines Designers eintauchst, prägt dich das in deinem Gefühl für Farben und Stil. Aber in meiner Garderobe finden sich verschiedene Designer, und wenn ich zuhause bin, laufe ich im Trainingsanzug oder in Jeans herum.

    Was man sich fast nicht vorstellen kann.

    Deneuve: Ich gebe zu, da kann schon ein Trainingsanzug von Yves-Saint-Laurent dabei sein. Aber es stimmt schon, die Leute sind enttäuscht, wenn sie mich so sehen. Was soll ich machen. Auf dem Land bei der Gartenarbeit ist so eine Kleidung wesentlich praktischer und bequemer.

    Mit Ihrem Wunsch nach Normalität sind Sie eigentlich beim Film nicht richtig aufgehoben.

    Deneuve: Aber die Schauspielerei ist längst meine zweite Natur geworden. Ich habe schon mit 13 gespielt, meine Mutter ist Schauspielerin, meine verstorbene Schwester war es. Ich liebe Filme, ich gehe selbst häufig ins Kino, und es gibt befreundete Regisseure, die für mich Rollen schreiben. Und ich identifiziere mich so sehr mit meinen Projekten, dass ich dafür auch Werbung mache und um die ganze Welt fliege. Andere Kollegen tun das nicht. Die sehen sich nicht mal die Tagesmuster während der Dreharbeiten an. Aber ich spüre da ein großes Verantwortungsgefühl.

    Sie sind ständig mit neuen Filmen zu sehen. Fürchten Sie nie, dass Ihnen die Kraft ausgeht? Ende letzten Jahres erlitten Sie einen leichten Schlaganfall.

    Deneuve: Es gibt schon Phasen, wo ich mich müde fühle. Mir ist klar, dass ich mein Energieniveau nicht auf die Dauer halten kann. Aber wenn ich ein Projekt angenommen habe, dann ziehe ich das durch.

    Wann gibt es denn bei Ihnen Müdigkeitsphasen? Wie gehen Sie damit um?

    Deneuve: Das passiert meistens im Lauf des Nachmittags. Aber ich habe gleichzeitig die unglaubliche Fähigkeit, zu schlafen, wo immer ich kann und wann immer ich will. Und sei es auch nur für zehn, 15 Minuten. Das ist vor allem bei der Arbeit sehr nützlich. Selbst wenn ich Kostüm und Make-up trage, schaffe ich es, mich so hinzulegen, dass ich nichts kaputt mache.

    Wie viel arbeiten Sie eigentlich?

    Deneuve: Es ist weniger als es aussieht. Zwei Filme pro Jahr ist mein Maximum. Vorher und danach machte ich Monate lang Pause. Nur die Promotion für die Filme kostet Zeit, aber die Arbeit ist keine lästige Pflicht. Sie macht mir Spaß.

    Sind Sie jemand, der seinen Tag genau plant?

    Deneuve: Zwangsläufig, denn ich habe so viele Verabredungen und Termine, dass es gar nicht anders geht. Alles nicht geregelt zu kriegen, das ist meine größte Sorge. Wenn es nach mir ginge, dann würde ich am liebsten meinen ganzen Vormittag freihalten, denn ich funktioniere besser in der zweiten Tageshälfte und gehe sehr spät schlafen.

    Sind Sie eine Nachteule?

    Deneuve: So könnte man das ausdrücken.

    Das heißt, Sie gehen in Klubs und auf Parties...

    Deneuve: Das nun auch wieder nicht. Wenn ich nicht gerade Leute treffe, dann gehe ich ins Kino. Das mache ich sehr häufig.

    Die Deneuve geht ganz allein wie ein normaler Zuschauer ins Kino?

    Deneuve: Ich bin ein Mensch wie jeder andere auch. Und so schaue ich eben ganz normal Filme an. Zum Glück behelligt mich niemand. Die Leute in meiner Gegend sind es gewohnt, mich zu sehen.

    Fühlen Sie sich dabei nicht einsam?

    Deneuve: Das Gefühl von Einsamkeit gehört zum Beruf des Schauspielers. Deshalb lieben wir es ja, Filme zu drehen – das Team wird dann zu unserer Ersatzfamilie. Ich mag es nicht, allein zu sein.

    Im Film "Die Liebenden - Von der Last, glücklich zu sein" standen Catherine Deneuve und Chiara Mastroianni gemeinsam vor der Kamera.
    Im Film "Die Liebenden - Von der Last, glücklich zu sein" standen Catherine Deneuve und Chiara Mastroianni gemeinsam vor der Kamera. Foto: Senator Filmverleih, dpa (Archiv)

    Sie haben ja noch Ihre Tochter Chiara Mastroianni – zu der haben Sie hoffentlich ein anderes Verhältnis als zu Ihrer Filmtochter in „La Vérité“...

    Deneuve: Absolut, das lässt sich nicht vergleichen. Aber ich sehe sie leider nicht jeden Tag. So geht es eben einer Mutter: Du kannst nie genug von deinen Kindern kriegen, vor allem, wenn sie aus dem Haus sind. Ich bin deshalb auch glücklich, wenn wir zusammen drehen.

    Waren Sie damit einverstanden, dass sie ebenfalls Schauspielerin wird?

    Deneuve: Sie hat mich nicht gefragt. Auf jeden Fall habe ich sie nicht zu diesem Beruf getrieben. Eigentlich war ich davon nicht sonderlich begeistert. Aber ein befreundeter Regisseur rief mich an, ob er mit ihr Testaufnahmen machen könne. Und so sagte ich: Warum nicht? Denn ich wusste, dass sie mit ihrem Studium nicht besonders glücklich war. Und prompt bekam sie die Rolle.

    Chiaras Vater, Marcello Mastroianni, starb 1996. Wie oft denken Sie an die Menschen, die Sie verloren haben?

    Deneuve: Sehr häufig. Ich muss es seit Jahrzehnten erleben, dass Menschen, die mir nahestehen, aus dem Leben scheiden. Natürlich ging für mich das Leben nach einer Trauerphase weiter, aber es ist für mich immer schwer zu verstehen, wenn jemand plötzlich einfach verschwindet. Das hat etwas Abstraktes.

    Blicken Sie eigentlich häufiger in die Vergangenheit zurück?

    Deneuve: Ich habe keine nostalgischen Anwandlungen. Ich schaue mir auch nicht meine alten Filme an, höchstens ein paar Minuten, wenn einer zufällig im Fernsehen läuft.

    Sie haben in Filmen gespielt, die große Klassiker geworden sind. Waren Sie sich bewusst, dass hier etwas Großartiges am Entstehen war?

    Deneuve: In der Regel nicht. Du hast beim Dreh eine Menge um die Ohren, vieles läuft schief, da vermagst du nicht zu sagen, was dabei herauskommt, selbst wenn du das Drehbuch kennst. Manchmal sind die Dreharbeiten unglaublich, aber der Film funktioniert trotzdem nicht. Das ist ein großes Geheimnis für mich. Nur bei Truffauts „Die letzte Metro“ hatte ich das Gefühl, dass hier etwas Besonderes entsteht.

    Wie sind Ihre Erinnerungen an die Arbeit mit Roman Polanski, mit dem Sie „Ekel“ drehten?

    Deneuve: Die Dreharbeiten verliefen großartig. Roman hatte schon als Schauspieler gearbeitet, ehe er Regisseur wurde. Er war sehr präzise, und ich war eine junge Schauspielerin, die sich ihrem Regisseur öffnen wollte. Wir sind sehr gut miteinander klargekommen. Ich mag Romans Filme und ich mag ihn auch als Person, er hat einen ganz besonderen Charakter.

    Im Zeitalter der „MeToo“-Bewegung wird seine Person allerdings auch negativ bewertet. Sie selbst gerieten selbst ins Kreuzfeuer, als Sie einen offenen Brief unterzeichneten, der sich gegen „diese Art des Feminismus“ richtete.

    Deneuve: Ich habe das gemacht, weil es sich richtig anfühlte. Ich möchte mich dazu aber nicht mehr äußern, denn alles, was ich sage, kann aus dem Zusammenhang gerissen und als eine Form von Aggression gewertet werden. Ich passe jetzt besser mit dem auf, was ich von mir gebe.

    Weniger problematisch verlief die Versteigerung Ihrer Yves-Saint-Laurent- Kleider, die Sie vor einem guten Jahr vornehmen ließen. Aber warum entschlossen Sie sich zu diesem Schritt?

    Deneuve: Weil ich aus meinem Haus in Paris auszog, wo ich einen großen Speicher hatte. Und in meinem neuen Domizil konnte ich diese Kleider nicht alle aufbewahren. Es war ein wenig traurig, aber wenn du dich zu so einem Schritt entschließt, dann musst du ihn auch durchziehen. Und die Auktion selbst war ja spektakulär. Das war schon richtig so.

    Das ist aber jetzt kein Zeichen das Abschieds?

    Deneuve: Nein, nein. Ich könnte mir nicht vorstellen, in den Ruhestand zu gehen. Ich liebe Filme, meine ganzen Freunde sind Leute aus der Branche – Schauspieler, Regisseure, Techniker. Zwar habe ich ein Landhaus mit Garten, aber würde ich dort für immer leben wollen? Niemals! Und ich habe das Bedürfnis zu arbeiten, bin immer noch neugierig.

    Ihre Mutter ist 108. So gesehen sollten Ihnen noch viele Jahre bevorstehen..

    Deneuve: Dass ich es soweit schaffe, glaube ich nun auch wieder nicht.

    Vielleicht müssten Sie nur mit dem Rauchen aufhören?

    Deneuve: Da bin ich mir nicht sicher. Ich mag es halt. Es liegt wohl daran, dass es mir früher geschmeckt hat. Das ist wie bei einem Lieblingsdrink oder -essen. Wenn Sie’s das nächste Mal zu sich nehmen, gehen Sie automatisch davon aus, dass es Ihnen wieder Vergnügen bereitet. Manchmal wünschte ich mir, es wäre damit vorbei, aber das ist halt nicht die Realität.

    Zur Person: Catherine Deneuve, 76, ist eine der großen Persönlichkeiten des französischen Kinos. Berühmt aus unzähligen Filmen, von Polanskis „Ekel“ (1965) über Truffauts „Die letzte Metro“ (1980) und „Begierde“ (1983) bis zu Lars von Triers „Dancer in the Dark“ (2000), aber auch bekannt als Mode-Ikone und Sängerin sowie sich öffentlich bekennend in gesellschaftlichen Debatten.

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