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Interview: Anja Kling: "Manchmal hat man gar keinen Namen mehr"

Interview

Anja Kling: "Manchmal hat man gar keinen Namen mehr"

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    Anja Kling, 51 und geboren in Potsdam, wurde zusammen mit ihrer Schwester Gerit bekannt. 18 Jahre lebten sie unter einem Dach.
    Anja Kling, 51 und geboren in Potsdam, wurde zusammen mit ihrer Schwester Gerit bekannt. 18 Jahre lebten sie unter einem Dach. Foto: dpa

    Frau Kling, man sagt, Sie hätten eine Phobie gegen Talkshows. Wie sieht es denn mit Interviews aus?

    Anja Kling: Bei Interviews ist es glücklicherweise nicht so schlimm. Bei Talkshows trifft das aber tatsächlich zu, da sieht man mich nämlich dann auch noch.

    Woher kommt diese Angst?

    Kling: Ich habe eine schlechte Erfahrung gemacht. Als ganz junge Schauspielerin bin ich nämlich mal in eine Talkshow mit lauter Politikern geraten. Und die haben sich mörderisch in die Haare gekriegt. Der Moderator wiederum hat in seiner Not immer gefragt: Frau Kling, was sagen denn Sie dazu? Und statt mit 21 Jahren zu sagen: ,Ich bin da nicht kompetent genug, fragen Sie die anderen‘, habe ich versucht, mich da stammelnd rauszuwinden. Das fand ich so schrecklich, dass ich zunächst nicht mehr in eine Talkshow gehen wollte! Fünf Jahre habe ich das durchgehalten. Inzwischen hab ich mich aber beruhigt.

    Mit Talkshows kann man Sie ängstigen, womit kann man Sie zur Weißglut bringen?

    Kling: Mit Lügen und Humorlosigkeit. Wenn jemand so gar keinen Humor hat, kann mich das wahnsinnig machen.

    Anja Kling hat "Respekt vor jeder Rolle"

    Obwohl Sie eine sehr erfolgreiche Schauspielerin in Deutschland sind, sagen Sie von sich selbst, Sie hätten große Selbstzweifel. Woher kommen die?

    Kling: Selbstzweifel habe ich nicht. Ich habe aber einen gewissen Respekt vor jeder Rolle. Letztendlich beflügelt mich das aber auch.

    Bei Dreharbeiten am Set gibt es aber inzwischen Routine, oder?

    Kling: Die große Nervosität stellt sich bei mir vor dem ersten Drehtag ein. Spätestens ab der ersten Mittagspause am Set wird es von Minute zu Minute besser.

    "Das Quartett": (von links) Linus Roth (Anton Spieker), Pia Walther (Annika Blendl), Maike Riem (Anja Kling) und Christoph Hofherr (Shenja Lacher).
    "Das Quartett": (von links) Linus Roth (Anton Spieker), Pia Walther (Annika Blendl), Maike Riem (Anja Kling) und Christoph Hofherr (Shenja Lacher). Foto: Oliver Vaccaro, ZDF

    Wie lange haben Sie sich denn auf Ihre Rolle in der Krimireihe „Das Quartett“ vorbereitet, die am Samstag wieder um 20.15 Uhr im ZDF läuft? Da ermitteln vier Polizisten – schön paritätisch zwei Frauen, zwei Männer.

    Kling: In den ersten Folgen geht es in dieser Rolle ja nicht so sehr um uns als Menschen. Wir geben den Fällen den Raum und stellen uns nicht in den Vordergrund. Ich weiß natürlich, dass diese Maike Riem, die ich spiele, ein Kind hat, dass sie alleine lebt und dass sie überhaupt mit ihren privaten Problemen sehr zurückhaltend ist. Da ist in Sachen Ausgestaltung der Figur sicherlich noch Luft nach oben.

    "Das Quartett" im ZDF: Fall passt zur Pandemie

    Wie hebt sich dieser Krimi bei der Flut an Krimis im Fernsehen Ihrer Meinung nach sonst noch von den anderen ab? Das Thema ist Medizinforschung, ganz aktuell in Zeiten einer Pandemie.

    Kling: Ja, total. Aber es ist zufällig, weil es das Drehbuch schon vor Corona gab. Es passt wahnsinnig gut rein, denn es geht um die Erforschung eines neuen Medikaments. Es geht um gefälschte Forschungsergebnisse, um Geld und Macht. Und insofern wird es brandaktuell. Wir wissen ja, dass es in der medizinischen Forschung nicht nur ums Gute, sondern insbesondere auch ums Geschäft geht. Da kommt es immer wieder zu Korruption.

    Was spielen Sie eigentlich lieber? Heldin oder die Böse?

    Kling: Beides. Eigentlich sagen Schauspielerinnen immer: die Böse. Ich bin da nicht so festgelegt. Auch bei der Frage, ob große oder kleine Rollen, bin ich es nicht. Es kommt auf das Buch, auf das ganze Paket an.

    Gerit Kling im Jahr 2017. Sie und ihre Schwester verstehen sich gut.
    Gerit Kling im Jahr 2017. Sie und ihre Schwester verstehen sich gut. Foto:  Stefan Sauer, dpa

    Wie eng sind Sie aktuell mit Ihrer Schwester Gerit, die ja auch Schauspielerin ist?

    Kling: Wir verstehen uns prima.

    Dabei können Sie aber auch streiten wie die Kesselflicker, heißt es.

    Kling: Das ist wahr. Das ist aber bei vielen Geschwistern so. Aber wir vertragen uns auch wieder. Wir haben ja 18 Jahre zusammen unter einem Dach gelebt, inzwischen ist sie nach Potsdam gezogen, sieben Kilometer weg von mir. Diese räumliche Trennung hat uns gutgetan. Wir besuchen uns jetzt wieder wie andere Geschwister auch.

    Sie sind im vergangenen Jahr 50 geworden...

    Kling: ja, da ja Corona war und ich nicht feiern konnte und dieses Jahr wieder nichts geht, habe ich beschlossen, dass ich noch 49 bin. Ich sehe überhaupt nicht ein, dass ich diese Jahre mitrechnen soll (lacht).

    Gute Idee, aber im Ernst: Ihre Kollegin Désirée Nosbusch sagte jüngst, das sei für Schauspielerinnen beruflich ein schwieriges Alter. Wie ist das bei Ihnen?

    Kling: Da hat Désirée Nosbusch absolut recht. Das trifft nämlich wirklich zu. Jetzt bin ich noch gut im Geschäft und muss mich nicht grämen. Aber auch ich beobachte das natürlich: Sagen Sie mir zehn erfolgreiche Schauspielerinnen in Deutschland über 55. Sie werden merken, nach drei Schauspielerinnen wird es schon eng. Vielleicht kommt man auf zehn, aber wo sind die anderen 90, die mit 30 gut zu tun hatten?

    Weg vom Fenster?

    Kling: Die Heldinnen beim Film sind zwischen 20 und 40 Jahre alt. Dann wird man die Mutter der Heldin oder die Anwältin oder die gute Freundin. Manchmal hat man gar keinen Namen mehr und ist nur mehr die Nachbarin.

    Wäre es nicht längst Zeit für ältere Heldinnen im Fernsehen?

    Kling: Absolut, das ist schon über der Zeit.

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