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Interview: ARD-Talkerin Anne Will: Talkshows haben AfD nicht groß gemacht

Interview

ARD-Talkerin Anne Will: Talkshows haben AfD nicht groß gemacht

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    ARD-Talkerin Anne Will.
    ARD-Talkerin Anne Will. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Der Ton in der Diskussion mit Andersdenkenden ist oft aggressiv, gerade in den sozialen Medien. Für die Gäste ihrer Talksendung gelte das aber nicht, sagte ARD-Talkerin Anne Will der Deutschen Presse-Agentur. "Es ist im Übrigen meine Aufgabe, Entgleisungen zu benennen und im Zweifel zu beenden, aber das muss ich gar nicht, denn sowohl unsere Gäste als auch wir legen es nicht auf enthemmte Sprache oder einen respektlosen Umgang miteinander an." Mit ihrer Talksendung "Anne Will" kommt sie in wenigen Tagen zurück aus der Sommerpause. 

    Sie sind ab Sonntag nach der Sommerpause wieder auf Sendung. In den Monaten davor war die Kritik an Talksendungen noch massiver als sonst. Wie haben Sie das wahrgenommen?

    Anne Will: Als ein Beispiel für die aufgeladene Stimmung in unserer Gesellschaft. Dabei muss man sehen: Solche Diskussionen sind oft getrieben durch die sogenannten sozialen Medien. Das ist aber eine Teilöffentlichkeit. Wenn ein Tweet 4000 Likes bekommt, gilt das schon als durch die Decke gegangen. Wenn wir 4000 Zuschauer hätten, könnten wir den Laden dicht machen. Und auch inhaltlich finde ich das Einschlagen auf die Talkshows einigermaßen wenig durchdacht. Die Angriffe kommen in der Mehrzahl ohne jeden Beleg aus und verkaufen sich dann wiederum in den sozialen Medien besonders gut und rasend schnell, je hämischer sie daherkommen. 

    Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, hat im Juni dem Ersten und dem ZDF nahegelegt, die Talker für ein Jahr in eine Pause zu schicken? Was haben Sie gedacht, als Sie das gehört haben?

    Will: Ganz ehrlich, ich kannte den Deutschen Kulturrat gar nicht. Und wenn es darum gegangen ist, sich bekannter zu machen, dann hat das vielleicht geklappt. Ansonsten habe ich den Vorschlag nicht ganz ernst nehmen können. Wenn der Kulturrat für das eintritt, was sein Name suggeriert, dann kann er nicht mehreren Redaktionen Arbeits-, Denk- und Sprechverbot erteilen.

    Die Kritik, es werde zu viel getalkt, gibt es allerdings schon lange.

    Will: Ja, die gibt es seit Bestehen dieses Formats. Aber es ist ja so: Die Talkredaktionen machen ein Angebot, und jede Zuschauerin und jeder Zuschauer ist frei darin, dieses Angebot anzunehmen oder auch nicht. Und die Zuschauerzahlen zeigen, dass es ein großes Interesse gibt an Talk. Das liegt, glaube ich, auch an einem ganz natürlichen Empfinden der Menschen: Man interessiert sich für andere und deren Meinungen. Das ist auch der erhebliche Vorteil des Fernsehens, dass man - selbst wenn jemand schweigt - der Interaktion zuschauen kann. 

    Talkshows sind natürlich an guten Einschaltquoten interessiert - da liegt der Gedanke nahe, bei der Auswahl Aufregerthemen zu bevorzugen. Und von da ist es nicht weit zum Vorwurf, sie seien populistisch.

    Will: Ich kann keinen Beleg dafür finden, dass der Vorwurf stimmen würde. Es ist nicht so, dass Themen, die von Populisten mit Interesse bespielt werden, also Islam oder Flüchtlinge, bei uns besonders gut gesehen würden. Insofern sind wir unverdächtig, dass wir aus Quotengründen bestimmte Themen wichtiger nähmen, als sie wichtig zu nehmen sind. Und wir haben ein hochpolitisches Publikum. Deshalb funktioniert auch, was ich uns unter dem Eindruck der enthemmten Tonlage vor allem in den sozialen Medien verordnet habe: Dass wir abrüsten. Sowohl in den Sendungstiteln als auch in unseren Besetzungen und in der Frage, wie wir die Sendungen anlegen. Interessanterweise werden wir ja umso besser geschaut, je differenzierter wir diskutieren. Das ist ein gutes Zeichen, finde ich.

    Es gibt auch den Vorwurf, die Talkshows hätten die AfD groß gemacht.

    Will: Das kommt wiederum komplett ohne Beleg aus. Schauen wir doch auf unsere Zuschauerzahlen: Wir werden vergleichsweise schwach geguckt in den ostdeutschen Bundesländern. Besonders gut hingegen, also von besonders vielen Menschen, werden wir geguckt in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg. Das sind interessanterweise die Bundesländer, in denen die AfD kein Bein auf den Boden bekommt.

    So laut wie nie war zuletzt die Kritik, Talkshows würden durch Framing, also etwa durch den Titel der Sendung vorgeben, wie über ein Thema diskutiert wird - nehmen Sie das ernst?

    Will: Wir achten sehr auf die Wortwahl in unseren Titeln. Vor Jahren haben wir gerne mal die Zuspitzung gesucht, aber das machen wir schon lange nicht mehr. Unser Ziel ist es, abzurüsten und einen sachlichen Gegenpol zu setzen gegen enthemmte Diskussionen. Wir mögen gerne solche nüchternen Titel wie "Was verändert sich gerade in Deutschland?" oder "Anne Will nach der Bundestagswahl". Es ist also nicht so, dass wir einen Diskurs vorgeben würden. Außerdem ist jeder unserer Gäste mühelos dazu in der Lage, sich von einer Fragestellung zu distanzieren, sollte sie missraten oder tendenziös sein.

    Viele beklagen die Verrohung der Sprache und die zunehmende Aggressivität in öffentlichen Diskussionen - sind auch die Auseinandersetzungen in den Talkshows unangenehmer geworden?

    Will: Den Eindruck habe ich nicht. Ich sehe nicht, dass das in den Ablauf unserer Sendung oder in das Verhalten unserer Gäste hineinragt. Sehe aber natürlich, dass die politische Auseinandersetzung in Teilen härter geworden ist. 

    Aber das gilt nicht dafür, wie die Gäste miteinander umgehen?

    Will: Finde ich nicht. Es ist im Übrigen meine Aufgabe, Entgleisungen zu benennen und im Zweifel zu beenden, aber das muss ich gar nicht, denn sowohl unsere Gäste als auch wir legen es nicht auf enthemmte Sprache oder einen respektlosen Umgang miteinander an. Krawall um des Krawalls willen machen wir nicht.

    Zur Person: Anne Will wurde 1966 in Köln geboren. Sie studierte Geschichte, Politologie und Anglistik in Köln und Berlin. Anschließend volontierte sie beim Sender Freies Berlin. Von 2001 bis 2007 moderierte sie die ARD-"Tagesthemen". Ihre Talkshow "Anne Will" ist seit 2007 auf Sendung. (Andreas Heimann, dpa)

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