Herr Schmincke, auf Bali fürchtet man, dass der 3030 Meter hohe Vulkan Agung ausbricht. 100 Busse wurden angemietet, um Urlauber von der Insel zu bringen. Kommt das überraschend?
Hans-Ulrich Schmincke: Nein. Der Agung gehört zu den Vulkanen, die alle paar Jahrzehnte ausbrechen. Das letzte Mal war das 1963 der Fall. Damals sind die Gase des Vulkans so hoch gestiegen, dass man eine Klimaauswirkung nachweisen konnte.
Ist der Klimawandel schuld, dass dieser Vulkan wieder ausbricht?
Schmincke: Nein, ob ein Vulkan ausbricht oder nicht, wird von den Vorgängen im Inneren eines Vulkans gesteuert, also dem Aufstieg von Magma aus der Tiefe und der einhergehenden Freisetzung von Gasen. Man glaubte lange, dass die Aschen eines Vulkans das Sonnenlicht verdunkeln und daher den Klimawandel bewirken. Doch das ist falsch.
Vulkan Agung: Wann kommt es auf Bali zu einem Ausbruch?
Erst kürzlich ist auf einer der Inseln des Pazifikstaates Vanuatu der Manaro ausgebrochen. Ist das Zufall?
Schmincke: Bei großen Erdbeben weiß man heute, dass sie auch in hunderten Kilometern Entfernung in einem Vulkan eine Eruption auslösen können. Auch das große Erdbeben von Fukushima hat sich auf Vulkane ausgewirkt. Vulkane sind wie Schwämme, vollgesaugt mit Wasser. Wird das aufgeheizt, kann es zu Ausbrüchen kommen. Aber ich glaube nicht, dass es zwischen beiden Vulkanen einen Zusammenhang gibt. Auf Vanuatu sind die Ausbrüche nicht so stark. Beide Inseln liegen weit voneinander entfernt.
Wie kommt ein Ausbruch zustande?
Schmincke: Das Magma entsteht aus festem Gestein im Erdmantel. In hundert Kilometern Tiefe ist der Erdmantel fest. Schmilzt das Mantelgestein etwas, steigt das Magma in Rinnsalen auf und sammelt sich unter der relativ leichten Erdkruste. Steigt viel Magma nach oben, nutzt es alte Aufstiegswege oder bricht sich neue Bahnen. Ist die Magmaproduktion im Erdmantel sehr groß, kommt es häufig zu Ausbrüchen. So scheint es beim Agung zu sein.
Vulkanausbrüche: Bei Vulkan Agung blieb genug Zeit zum Evakuieren
1963 kamen dort mehr als 1100 Menschen ums Leben. Wie groß ist die Gefahr jetzt?
Schmincke: Man kann Vulkanausbrüche heute sehr gut vorhersagen. Jedes Jahr werden tausende bis hunderttausende von Menschen vor einem Vulkanausbruch in Sicherheit gebracht – etwa am Merapi in Java. Es ist ein gutes Zeichen, dass man jetzt auch auf Bali rechtzeitig warnt und bereits 80.000 Menschen in Sicherheit gebracht hat. Vor 50 Jahren hätte man das noch nicht tun können. Damals hat man die Signale vor einem Ausbruch noch nicht so genau messen können.
Was sind die Signale?
Schmincke: Vulkan-Eruptionen haben den großen Vorteil, dass sie Punktquellen darstellen. Man kann sie über Jahrzehnte überwachen und nachvollziehen, ob und wann ein Vulkan ausbricht. Wichtige Änderungen sind Aufwölbungen der Erdkruste, bestimmte Arten von Erdbeben, verstärktes Austreten von Schwefelgasen oder wenn es im Umkreis eines Vulkans wärmer wird. Das ist der große Unterschied zu Erdbeben, die man in absehbarer Zeit nicht vorhersagen kann.
Die aktivsten Vulkane der Welt
Der Kilauea auf Hawaii ist der aktivste Vulkan der Erde. Er stößt mit Abstand das meiste Magma aus. Zu explosiven Ausbrüchen kommt es aber in der Regel nicht.
Der Popocatepetl in Mexiko stößt seit 1994 immer wieder Asche und bisweilen auch Lava aus. Zuvor hatte er eine rund 50-jährige Ruheperiode.
Der Ätna auf der Insel Sizilien gilt als einer der aktivsten Vulkan Europas.
Der Stromboli auf der gleichnamigen italienischen Insel ist der aktivste Europas.
Der Vesuv mit seinen derzeit 1281 Metern Höhe ist der einzige aktive Vulkan auf dem europäischen Festland, jedoch seit 1944 in einer Ruhephase. Er liegt am Golf von Neapel. Im Jahr 79 n. Chr. verschüttete ein Ausbruch des Vesuvs die Stadt Pompeji.
Der Mount St. Helens im Grenzgebiet zwischen USA und Kanada gilt als sehr aggressiv und unberechenbar. Spektakulär war sein großer Ausbruch 1980. Im Herbst 2004 brach er wieder aus - ebenso überraschend wie beim Mal davor.
Schwierig auszusprechen, dennoch in aller Munde: Der Vulkan Eyjafjallajökull auf Island spuckte im März 2010 kilometerhohe Aschewolken in die Luft und löste damit ein Chaos im weltweiten Flugverkehr aus.
Der Mount Sinabung auf Sumatra brach im Sommer 2010 eher überraschend aus. Die Eruption des Vulkans, der zuvor 400 Jahre schlief, war rund acht Kilometer weit zu spüren.
Der Mayon auf den Philippinen liegt rund 330 Kilometer östlich der Hauptstadt Manila. Er brach in den letzten Jahrhunderten immer wieder aus. Besonders folgenschwer war eine Eruption 1993. Dabei starben 79 Menschen.
Der Nyiragongo mit seinen knapp 3500 Metern Höhe gilt als einer der gefährlichsten Vulkane Afrikas. Er steht im Grenzgebiet zwischen Demokratischer Republik Kongo und Ruanda.
Der Kelud auf der indonesischen Insel Java brach zuletzt 2014 aus. Mehrere Menschen starben. Bei einem Ausbruch 1990 kamen 30 Menschen um, 1919 kamen mehr als 5000 Menschen um.
Wie viele aktive Vulkane gibt es?
Schmincke: Das ist schwer zu sagen. An sich wird jeder Vulkan, der in den letzten 12000 Jahren ausgebrochen ist, als aktiv bezeichnet. Im 20. Jahrhundert sind vermutlich über 1000 Vulkane weltweit ausgebrochen. Ich möchte aber eine Lanze brechen für eine Ansicht von Vulkanen, die bei den häufigen Katastrophenmeldungen über Vulkane oft in den Hintergrund treten.
Wie meinen Sie das? Viele Menschen haben schließlich Angst vor den Feuer speienden Bergen...
Schmincke: Bricht ein Vulkan aus, zerstört er Felder, Menschen können sterben. Andererseits sind Vulkane ein ganz normaler, wunderbarer Teil der Natur. Und sie sind für die Menschen immer extrem nützlich gewesen. Auf Bali etwa wird intensive Landwirtschaft betrieben, ermöglicht durch die lockeren, vulkanischen und sehr fruchtbaren Böden. Zudem wird aus Vulkangestein Baumaterial gewonnen und Erdwärme ist eine wichtige Energiequelle. Kurz: Die Menschen müssen mit Vulkanen leben und sie nicht als Angst einflößende bedrohliche Gebilde ansehen.