Kinder gehen ins Wasser, plötzlich kommt eine tiefe Stelle - und sie sind verschwunden. "Ertrinken ist ein sehr leiser Vorgang", sagt der Verbandssprecher der DLRG, Frank Villmow. Eltern von Kindern, die noch nicht schwimmen können, müssten beim Baden immer "in Griffnähe" ihres Nachwuchses sein, betont der Retter mit jahrzehntelanger Erfahrung. Die Zahl der ertrunkenen Kinder und Jugendlichen unter 20 Jahren ist im vergangenen Jahr in Deutschland besonders stark gestiegen, um 38 Prozent, wie die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft am Donnerstag in Hamburg mitteilte. Unter den 71 Todesopfern dieser Altersgruppe waren 26 Kinder im Vor- und Grundschulalter.
Quer über alle Altersgruppen hinweg kamen mindestens 504 Menschen bei Badeunfällen ums Leben. Das waren den Angaben zufolge 100 mehr als im Jahr 2017, allerdings 33 weniger als 2016. Den Anstieg um fast 20 Prozent mit dem herausragenden Sommer zu erklären, sei zu einfach, sagte DLRG-Präsident Achim Haag. Es könnten leider nicht alle Menschen schwimmen, viele überschätzten sich oder unterschätzten die Gefahren in Gewässern. 407 Badetote waren männlich, 92 weiblich. Bei den übrigen Todesfällen konnte die DLRG das Geschlecht nicht klären. "Ertrinken scheint ein männliches Problem zu sein", sagte DLRG-Sprecher Achim Wiese.
Nur fünf Prozent der Unfälle passierten im Meer
Die meisten tödlichen Badeunfälle ereigneten sich an Flüssen und Seen. An Nord- und Ostsee starben 25 Menschen, 3 weniger als 2017. Das waren nur knapp fünf Prozent aller Badetoten. An den Stränden der Ostsee zählte die DLRG 21 Opfer, an der Nordsee 4. Die ehrenamtliche Arbeit der Rettungsschwimmer in den Seebädern habe sich ausgezahlt, sagte Haag.
Im Vergleich der Bundesländer hatte Bayern mit 89 Badetoten erneut die meisten zu beklagen. Es folgten mit deutlichem Abstand Nordrhein-Westfalen mit 63 und Niedersachsen mit 61 Badetoten.
Die DLRG sieht die Schließung von Schwimmbädern als großes Problem, weil Gelegenheiten zum Schwimmenlernen verloren gingen. Die Zahl der Bäder in Westdeutschland sei von rund 7800 im Jahr 2000 auf 6500 im Jahr 2017 gesunken. Die Zahl der Grundschüler, die nicht sicher schwimmen könnten, sei nach repräsentativen Studien des Instituts Forsa von 50 Prozent im Jahr 2010 auf 59 Prozent im Jahr 2017 gestiegen. Mit einer Online-Petition fordert die DLRG einen bundesweiten Masterplan zur Erhaltung der Bäder.
Für ihre Statistiken wertet die Hilfsorganisation vor allem Pressemeldungen aus. Darum kann die tatsächliche Zahl der Ertrunkenen noch höher liegen. Allerdings können gerade bei Älteren auch Krankheiten wie Herzinfarkt eine Todesursache sein. Die Über-55-Jährigen gelten der DLRG als Risikogruppe. 203 Todesopfer (40 Prozent) gehörten in diese Altersklasse. Besonders oft verunglückten beim Baden auch Asylbewerber. Im vergangenen Jahr starben 33 Flüchtlinge, nach 23 im Vorjahr. Fast alle seien Nichtschwimmer gewesen, sagte Haag.
Das Gesundheitsministerium fördert Senioren-Schwimmkurse
Damit weniger ältere Menschen ertrinken, bietet die DLRG Bayern ab Mai Schwimmkurse für Personen über 65 Jahre an. Das Gesundheitsministerium in München unterstützt das Projekt "Zurück ins Wasser - gemeinsam fit in Bayern" mit 200 000 Euro, wie ein Sprecher am Donnerstag mitteilte. In den Kursen lernen die Teilnehmer richtiges Verhalten im Wasser, Fremdrettung und Erste Hilfe an Land. Das Projekt ist auf zwei Jahre befristet und wird von der Universität der Bundeswehr München wissenschaftlich begleitet. Die Standorte sind noch nicht festgelegt.