100 Jahre nach dem Untergang der "Titanic" gleicht der Meeresboden rund um das Schiffswrack einer Müllkippe. Der meiste Abfall stammt von Schiffen, die den Ort der Katastrophe im Nordatlantik passieren: "Bierdosen, Plastikbecher, solche Sachen", sagt James Delgado. Mit dem allgemeinen Zustand des Wracks selbst aber ist der Leiter des Programms für Kulturstätten im Meer der US-Wetter- und Ozeanografiebehörde (NOAA) aber zufrieden.
Besucher hinterlassen Gedenktafeln und Plastikblumen
"Sogar eine Packung Waschmittel haben wir gefunden", berichtet Delgado von einer Expedition im August 2010, bei der er sich an Bord des russischen Tauchfahrzeuges "Mir" dem gesunkenen Schiff näherte. Sie diente dazu, eine genaue Karte des riesigen Trümmerfelds in knapp 4000 Metern Tiefe zu erstellen. "Dieser Müll wird dort für lange Zeit liegen bleiben", fürchtet er.
Nicht nur Wissenschaftler, auch Privatleute besuchen inzwischen den Ort, an dem die "Titanic" am 15. April 1912 auf ihrer Jungfernfahrt einen Eisberg rammte und sank. 45.000 Euro pro Person kostet die Reise in die Tiefe. Doch auch die Luxusausflügler sorgen für unerwünschte Spuren: "Jeder, der dort hinuntertaucht, hinterlässt Plastikblumen, eine Gedenktafel oder sonstige Andenken", sagt Jamie Shreeve, der sich als Wissenschaftsredakteur der Zeitschrift "National Geographic" mit der "Titanic"-Saga beschäftigte. "Es sieht aus wie an einer Unfallstelle auf der Autobahn. Die archäologische Stätte ist nicht mehr unverfälscht."
Keine Abfälle mehr im Umkreis von 35 Quadratkilometern
Der Meeresarchäologe Delgado setzt sich deshalb dafür ein, den in internationalen Gewässern liegenden Fundort des Wracks zur Gedenkstätte erklären zu lassen. Oder ihn anders zu schützen: Vor kurzem forderte die Internationale Seeschifffahrts-Organisation alle Schiffe auf, keinen Müll und keine Abwässer mehr in einer 35 Quadratkilometer großen Zone rund um das Wrack zu entsorgen.
Das Schiff steht unter dem Schutz der Unesco
Nach hundert Jahren die das Wrack nun auf dem Grund des Nordatlantiks liegt, hat die Unesco die "Titanic" unter den Schutz gestellt. "Der Untergang der Titanic ist im Gedächtnis der Menschheit verankert", erklärte Unesco-Generaldirektorin Irina Bokova am Donnerstag in Paris. Künftig werde das Wrack durch die Unesco-Konvention zum Schutz des kulturellen Erbes unter Wasser geschützt. Die Plünderung von Kulturstätten werde an Land nicht geduldet, dies sollte auch für versunkene Kulturgüter unter Wasser gelten.
Anders als viele glauben, hält sich das Wrack erstaunlich gut. Der Rost scheint es stärker zu respektieren als seine ehrfürchtigen Besucher. Es sieht so aus, als werde es noch Jahrzehnte lang intakt bleiben. "Der Schiffsrumpf ist weiterhin sehr stabil", sagt Delgado. "Im Innern sind immer noch Holzteile und Stoffe erhalten." "Immer wieder gab es Spekulationen, dass das Wrack in 20 oder 30 Jahren komplett verrostet sein wird", berichtet auch Wissenschaftsredakteur Shreeve. Tatsächlich aber hätten ihm alle Experten bestätigt, dass es sich um einen viel langsameren Prozess handle.
Der Luxusliner war am 14. April 1912 nach einer Kollision mit einem Eisberg im Nordatlantik gesunken; 1514 Menschen starben bei dem Unglück. Das Wrack wurde erst 1985 von einem Unterwasserarchäologen in mehr als 3700 Metern Tiefe entdeckt. Es liegt in internationalen Gewässern. Vielen Teile des Luxusschiffs und seines Inventars können Rost und Zersetzungsprozesse nichts mehr anhaben: Rund 5500 Fundstücke - von einem 17 Tonnen schweren Teil des Rumpfes bis zum Porzellan der Erste-Klasse-Passagiere - haben Taucher geborgen. Zum 100. Jahrestag des "Titanic"-Dramas werden sie in New York versteigert. afp/AZ