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Immobilien: Ein paar Quadratmeter in Paris

Immobilien

Ein paar Quadratmeter in Paris

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    Der Eiffelturm in Paris.
    Der Eiffelturm in Paris. Foto: Maison de la France/dpa/gms

    Paris „Was wollen Sie denn? Es ist doch alles da!“ Der Vermieter versteht den zweifelnden Blick nicht, wünscht sich mehr Begeisterung. Zur Bekräftigung zählt er auf: Kochnische, Tisch mit Stuhl, Wandschrank, Nasszelle – jeder Zentimeter optimal ausgenutzt. Der Schlafbereich in einer Zwischenetage direkt unter der Dachschräge, über eine Leiter erreichbar. Aufrecht sitzen kann man im Bett nicht, aber dort wird ja ohnehin nur gelegen. Die Gemeinschaftstoilette am Gang ist nur ein paar Meter entfernt. Und das alles für schlappe 550 Euro ohne Nebenkosten – der Vermieter ist begeistert. Wenigstens er.

    In nur einem Jahr stiegen die Mietpreise um 22,7 Prozent

    Willkommen in Paris. Tatsächlich sind 550 Euro Monatsmiete für ein möbliertes Zimmer ein guter Preis für Frankreichs beengte Metropole. Sie gehört zu den teuren Pflastern – und die Tendenz steigt. In Krisenzeiten investieren besonders viele in Immobilien, wohlhabende Ausländer treiben den Preis weiter an, der innerhalb eines Jahres um 22,7 Prozent gestiegen ist. Im Schnitt kostet der Quadratmeter inzwischen über 8000 Euro.

    Viele Familien können sich die Mietpreise nicht mehr leisten und ziehen außerhalb der Stadtgrenzen, wo die Preise deshalb ebenfalls steigen. Des einen Leid, des anderen Freud: Antoine Cazalis de Fondouce hat sich auf Immobilien-Beratung und -Verkauf auf dem linken Seine-Ufer spezialisiert, auf die historischen Studenten- und Intellektuellenviertel Quartier Latin und Saint-Germain-des-Prés. Studenten und Künstler können sich hier allerdings kaum mehr einmieten – es sei denn, sie ergattern eines der „Chambres de bonne“, Dachkammern von sieben bis zwölf Quadratmetern Fläche. Offiziell gibt es davon mehr als 20000 in Paris. Meist wohnen hier Studenten, die Zuschüsse bis zu 300 Euro beantragen können, aber auch Au-pair-Mädchen, Einwanderer, manchmal ganze Familien – ein kosmopolitischer Mix in einer Wohnetage, immer der obersten. Und wenn das Zimmer nicht gerade in den Innenhof weist, bietet es oft eine gigantische Aussicht auf die Dächer von Paris.

    Eingang: Über einen gesonderten Dienstbotenaufgang

    Oft erreicht man diesen letzten Stock heute noch über einen gesonderten Dienstbotenaufgang. Und während die Wohnungen in den übrigen Etagen großzügig geschnitten sind und prächtig mit Stuck verzierte Wände haben, herrscht hier schlichte Kargheit. Denn bei den „Chambres de bonne“ handelt es sich um die ehemaligen Behausungen der Dienstmädchen der bourgeoisen Familien, „Bonne“ genannt – gut für alles. Es gibt sie seit 1830, als die Angestellten nicht mehr bei ihren Hausherren schliefen.

    Oft herrschten so erbärmliche hygienische Umstände, dass bei der Tuberkulose-Ausstellung 1906 in Paris die „Chambres de bonne“ mit Gefängniszellen verglichen wurden. Anfang des 20. Jahrhunderts schrieb Paris dann eine Minimal-Fläche von acht, später neun Quadratmetern vor. Eingehalten wird sie nicht immer. Im Frühjahr drohte Benoist Apparu, Staatssekretär für Wohnungswesen, mit einer höheren Steuer für Vermieter, die Mini-Zimmer für Wucherpreise von bis zu 900 Euro für zehn Quadratmeter anbieten. Aber die schönste Stadt der Welt, erklärt Vermieter Cazalis de Fondouce, hat eben ihren Preis: „Paris ist eine Stadt mit außergewöhnlich hoher Lebensqualität.“ Und diese Art des Hausens hat in der Tat ihren ganz eigenen, etwas morbiden Charme. Birgit Holzer

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