Im brasilianischen Amazonas-Gebiet infizieren sich immer mehr Indigene mit dem Coronavirus. Zuletzt stieg die Zahl bekannter Fälle innerhalb von 24 Stunden von 9 auf 23, wie aus den Daten des Spezialsekretariats für Indigene Gesundheit Sesai hervorgeht.
Vier Ureinwohner aus Indigenen-Gebieten sind nach Angaben der Behörde Funai bisher in Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben.
Der erste erfasste Corona-Tote aus einem Indigenen-Gebiet war ein Jugendlicher vom Volk der Yanomami. "Der Tod des Jungen hat gezeigt, dass weder die Diagnose noch die Behandlung funktioniert haben", sagte Luis Ventura vom Indigenistischen Missionsrat Cimi in der Stadt Boa Vista der Deutschen Presse-Agentur.
Der 15-Jährige war schon zuvor gesundheitlich angeschlagen, wie die Website "Amazônia Real" unter Berufung auf einen Arzt für Infektionskrankheiten des Sesai berichtete, er habe unter Mangelernährung, Blutarmut und Malaria gelitten. Der Jugendliche sei seit Mitte März mehrmals ins Krankenhaus gekommen und wieder entlassen worden, ohne dass eine Corona-Infektion festgestellt worden wäre, zwischenzeitlich sei er sogar in sein Dorf zurückgekehrt.
Indigene in geschützten Gebieten haben ihren eigenen Gesundheitsdienst, wobei schwere Fälle in das öffentliche Gesundheitssystem verwiesen werde. Im Amazonas, in dem mehr Indigene leben als in jedem anderen brasilianischen Bundesstaat, hat die Regierung bereits erklärt, dass das Gesundheitssystem zusammenbricht. Etwa die Hälfte der Ureinwohner leben nicht mehr in geschützten Gebieten, aber reisen regelmäßig zum Land ihrer Vorfahren und können so das Coronavirus einschleppen. Die brasilianische Regierung des Präsidenten Jair Bolsonaro hatte den Schutz und die Einrichtungen für Indigene reduziert. Viele Dörfer sind durch evangelikale Missionare, Goldsucher, Holzfäller und andere Eindringlinge bedroht. Ventura vom Indigenistischen Missionsrat sagte: "Die Erwartung ist, dass der Staat zum Schutz des Territoriums einschreitet und Eindringlinge herausholt."
Die Tendenz ist jedoch eine andere. Präsident Bolsonaro befürwortet, Indigene Gebiete zur wirtschaftlichen Ausbeutung freizugeben. Nachdem das Brasilianisches Bundesumweltamt Ibama kürzlich eine Mega-Operation gegen illegale Goldsucher und Holzfäller im Süden des Bundesstaates Pará gefahren hatte, wurde einer der Direktoren des Ibama von Umweltminister Ricardo Salles entlassen.
Die Indigenen sind aus verschiedenen Gründen besonders gefährdet. Die Wissenschaftler Lucas Ferrante und Philip Martin Fearnside vom Nationalen Amazonas-Forschungsinstitut Inpa in Manaus weisen darauf hin, wie stark eingeschleppte Krankheiten die indigenen Völker in Südamerika in der Vergangenheit dezimiert haben. So brachten illegale Goldsucher in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren die Masern zu den Yanomami, rund 15 Prozent von ihnen starben. (dpa)