Die 200 Seiten der Studie „Kirchenmitglied bleiben?“ haben es in sich. Diese untermauert mit repräsentativ erhobenen Zahlen, was viele bislang nur annahmen – und zeichnet für die katholische Kirche ein insgesamt verheerendes Bild.
So denken 41 Prozent der bundesweit Befragten an einen Kirchenaustritt. Und das bei Austrittszahlen in Deutschland, die seit 1990 bei mehr als 100.000 liegen, Jahr für Jahr. Oder: 46 Prozent glauben zwar an eine höhere Macht, „aber nicht an einen Gott, wie ihn die Kirche beschreibt“. Auch dass der Besuch eines Sonntagsgottesdienstes zweitpopulärstes kirchliches Angebot ist, erscheint nur auf den ersten Blick positiv – bedenkt man, dass 2017 die Zahl der Gottesdienstbesucher nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz bei 9,8 Prozent lag. Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar: Die Kirchenstudie ist ein Schock
Schock-Botschaft: Immer mehr Mitglieder kommen der Kirchen abhanden
Für die Kirchenverantwortlichen enthält die Studie weitere bittere Botschaften. Etwa, dass unter den jüngsten Befragten – den 18- bis 29-Jährigen – nur recht wenige der Kirche vor Ort verbunden seien. So geht es weiter, ebenfalls bei den Gründen für Kirchenmitgliedschaft.
Die drei Studienautoren stellen hierzu unter anderem fest: „Das konservative Profil der Kirche und die Verteidigung der christlichen Leitkultur sind keine mehrheitsfähigen Motive der Kirchenmitgliedschaft.“ Dennoch seien Traditionen und Rituale der katholischen Kirche mächtige Bindungsfaktoren. 51 Prozent der Befragten gaben an, dass der Satz „Ich bin Kirchenmitglied, weil ich an Jesus Christus glaube“ voll und ganz zutreffe. 50 Prozent aber sagten, dass sie Kirchenmitglied seien, weil „das bei uns in der Familie einfach immer so war“ – und 42 Prozent, weil „ich kirchlich heiraten können möchte“.
Wilfried Günther, Geschäftsführer der Münchner „Medien-Dienstleistung GmbH (MDG)“, einer Unternehmensberatung der katholischen Kirche, sagte am Dienstag im Gespräch mit unserer Redaktion: „Auch mich hat manche Zahl geschockt.“ Die MDG erstellte die Studie mit dem Heidelberger Sinus-Institut. Ihm mache etwa große Sorge, so Günther, dass sieben Prozent der Befragten angaben, vor einem Kirchenaustritt zu stehen. In der Realität seien es jährlich etwa 0,5 bis ein Prozent der Mitglieder, die der Kirche den Rücken kehrten – 2017 waren es 167.504 Menschen.
Negativ-Schlagzeilen: Missbrauchsskandale schädigen Bild der Katholischen Kirche
Günther fordert einen „Kulturwandel“. Man müsse die unterschiedlichen ’Katholiken-Typen’ – Entfremdete wie Bekennende – gezielt ansprechen. „Dafür brauchen wir überzeugende Angebote.“ Zudem müsse die Kirche Präsenz zeigen, von ihrer altbackenen Sprache wegkommen und das, was sie tue, besser kommunizieren – nach dem Motto: Tue Gutes und rede darüber.
Er könne sich ebenfalls ein flexibleres und vielseitigeres Gottesdienstangebot vorstellen. „Ich bin verhalten optimistisch, denn es gibt Aufbrüche“, sagte Günther. „Aber der Tanker katholische Kirche lässt sich nicht von heute auf morgen in eine andere Richtung lenken.“
Bernhard Kellner, Sprecher des Erzbistums München und Freising, wollte die Studienergebnisse nicht im Einzelnen kommentieren. Auf Anfrage sagte er: „Wir wissen, dass die allgemeine Situation schwierig ist.“
Was kein Wunder sei, blicke man etwa auf die Missbrauchsskandale. „Wir wissen um den Verdruss und nehmen ihn sehr ernst“, sagte er. „Wir überlegen fortwährend, wie wir authentisch Seelsorge organisieren und auch Menschen erreichen, die uns fern stehen.“ Die Ergebnisse der Studie müsse man nun kritisch diskutieren.