Herr Lichter, lassen Sie uns mal etwas Neues ausprobieren - das geschwiegene Interview.
Horst Lichter: Ah, das ist eine schöne Sache! Aber da hätte ich wohl schon nicht antworten dürfen.
Im Ernst: Sie waren ja im Schweigekloster und Ihr nun erschienenes Buch trägt den Titel „Ich bin dann mal still“. Da fühlten Sie sich aber nicht richtig wohl, oder?
Lichter: Sagen wir mal so: Ich war am falschen Ort. Wobei der Ort andererseits gar nicht so falsch war, weil sonst das Buch nicht so geworden wäre, wie es geworden ist.
Die Leute im Kloster waren – Ihrem Empfinden nach – seltsam. Sie starrten vor sich hin und haben andere gar nicht wahrgenommen.
Lichter: Womit ich tatsächlich schwer zurechtkam, war weniger das Schweigen. Darauf habe ich mich ja eingestellt. Aber dass Gestik und ein freundliches Lächeln oder ein Zunicken so grundsätzlich fehlten, das ging mir wirklich ab. Das Thema hat mich lange beschäftigt, weil ich jemand bin, der gerne grüßt. Aber so habe ich Toleranz gelernt, das als spezielle Art des Miteinanderumgehens zu akzeptieren. Immerhin taten mir die ja nicht weh!
Was haben Sie herausgefunden? Dass es keinen Königsweg für inneren Frieden gibt?
Lichter: Die Zeit im Schweigekloster war sozusagen eine Abstinenz vom lauten Leben. Ich vergleiche das Ganze mit einer Diät. Die ersten Tage geht es einem nicht gut. Ab dem vierten, fünften Tag wird es besser. Und nach Abschluss der Kur fühlt man sich gut. Ich konnte besser riechen, schmecken, fühlen.
Man verbindet mit Ihnen eigentlich so ziemlich das Gegenteil von Ruhe, nämlich Kunst und Kitsch, Kartöffelschen und Klößchen, Schnurrbart und Brille – und immer einen flotten Spruch auf Kölsch.
Lichter: Ja, es ist mein inneres Bedürfnis, Menschen zu unterhalten und dafür zu sorgen, dass alles gut geht. Ich bin nämlich harmoniesüchtig. Ich meine, Lachen ist die beste Medizin. Aber die Menschen, die mich wirklich kennen, die wissen auch, dass ich zudem ein ausgesprochen guter Zuhörer sein kann. Denn als Geschichtenerzähler muss man die Geschichten ja erst einmal erzählt bekommen. Ich kann auch gut mit mir alleine sein.
Horst Lichter: "Habe ich noch Zeit, mich über unwichtige Dinge zu ärgern?
Was viele nicht wissen: Mit 26 Jahren hatten Sie Ihren ersten Schlaganfall, mit 28 folgte der zweite, zusammen mit einem Herzinfarkt. Sie haben auch von einer Nahtoderfahrung berichtet. Was hat das alles mit Ihnen gemacht?
Lichter: Natürlich wirke ich auf viele Menschen eher laut und lustig, als einer, der gerne mal einen flotten Spruch raushaut. Aber alle meine Schicksalsschläge haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin: sehr bewusst, sehr reflektiert, vielleicht auch demütig.
Sie haben ein bewegtes Leben hinter sich. Bereits mit 19 Jahren haben Sie geheiratet und gerieten durch den Kauf eines Hauses in finanzielle Schwierigkeiten. Sie arbeiteten damals im Bergbau und daneben noch fünf Tage in der Woche auf einem Schrottplatz. Dann haben Sie vieles richtig gemacht, oder?
Lichter: Auf jeden Fall würde ich alles noch einmal ganz genauso machen, mit den gleichen Entscheidungen und auch Fehlern.
Was würden Sie den Menschen mit auf den Weg geben?
Lichter: Man muss den Augenschein aufs Große und Ganze legen. Beispielsweise, dass man freundlich und respektvoll mit einem umgeht. Wichtig ist auch, dass man sich selber mag. Ich glaube auch, durch meine Fehler bin ich der geworden, der ich bin.
Sie haben sich auf eine Reise in Ihr Inneres gemacht, nachdem sie festgestellt hatten, dass sich wesentliche Parameter in Ihrem Leben verändert haben. Ihre Mutter ist gestorben, und sie stellten fest, zwei Drittel einer durchschnittlichen Lebensstrecke bereits hinter sich zu haben.
Lichter: Ja, das begann schon vor sechseinhalb Jahren, als ich das Sterben meiner Mutter begleitet habe.
Was wurde Ihnen da bewusst?
Lichter: Meine Mutter war immer eine starke Persönlichkeit. Ich dachte, die wird mit 95 noch Fahrrad fahren. Sie hat nicht gesoffen, nicht geraucht, immer gesund gelebt und plötzlich ist sie krebsverseucht. Und in der Folge hieß das auch: Jetzt bin ich der Opa und als nächstes dran, wenn das Leben normal läuft. Ich stellte mir die Frage: Wie lange habe ich noch?
Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
Lichter: Mein Papa ist mit 57 Jahren gestorben. So, demnach bin ich schon im Plus. Ich habe mir damals ein Maßband genommen und mal verglichen. Wenn wir Männer im Schnitt heute um die 80 werden – wo stehe ich dann jetzt? Es blieben mir 25 Sommer. Und dann habe ich mich gefragt, was ich in den 25 Sommern noch erleben will. Und dann fragte ich mich außerdem, ob ich noch Zeit habe, mich über unwichtige Dinge zu ärgern. Das war der Moment, in dem ich vier Fernsehsendungen gekündigt habe – und nur mehr einmal pro Woche ein bisschen „Bares für Rares“. Dass die Sendung so erfolgreich wurde, dass ich noch mehr arbeiten musste, war nicht abzusehen.
Horst Lichter: "Das kann mir kein Zen-Meister dieser Welt geben"
Was haben Sie dann unternommen?
Lichter: Mir war klar, dass meine Frau und ich uns zu selten gesehen haben. Also sind wir vom Bodensee wieder zurück nach Köln gezogen, wo die Sendung aufgenommen wird.
Was ist Ihnen heute wirklich wichtig?
Lichter: Schöne Abende, an denen man entspannt lacht. Corona ist schlimm. Aber wenn wir beide ehrlich sind, dann leiden wir nicht darunter. Mir tun jene leid, die schwere Krankheitsverläufe haben – und deren Familien. Und andere erleben Leid, weil sie ihre Jobs verlieren.
Sie schreiben: Arm ist nicht der, dessen Träume nicht in Erfüllung gehen, sondern der, der nicht träumt. Das ist eine kurze Lebensanweisung, oder?
Lichter: Ja, weil zu viele über das jammern, was nicht in Erfüllung gegangen ist und nicht sehen, was in Erfüllung gegangen ist. Man kann ja auch mal mit dem Erreichten zufrieden sein. Dazu gehört aber ein Schuss Demut im Leben.
Nochmal ein anderes Thema. Sie haben einen Pudel. Wie wirkt sich der Hund aufs Seelenleben aus?
Lichter: Ich hätte es nicht für möglich gehalten, wie viel Liebe, Lachen und Freude dieses Tierchen in unsere Familie gebracht hat.
Was macht Horst Lichter, wenn er nicht vor einer Fernsehkamera steht? Sie schreiben, Sie stehen gerne beim „Männeryoga“ in der Garage.
Lichter: Ja, da bin ich gerne. Ich sitze da mit einer Tasse Tee, habe ein Zigarettchen an und fühle mich sauwohl zwischen all meinen Spielsachen und Tausenden von Büchern. Da gucke ich raus in den Garten und bin glücklich und zufrieden. Das ist mein Männeryoga. Das kann mir kein Zen-Meister dieser Welt geben.
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