Anfang des Jahres veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation WHO einen eindringlichen Appell. Sie rief Regierungen auf, Anreize für Forscher in Universitäten und Pharmafirmen zu schaffen, um neue Antibiotika zu entwickeln. Denn die Zahl der Keime, die resistent gegen die ansonsten hochwirksamen Medikamente seien, wachse rasant. Die Organisation warnte gar vor einer „postantibiotischen Ära“ in der nicht allzu fernen Zukunft, in der „harmlose Verletzungen wieder tödlich sein könnten“. Aber warum schlagen immer mehr Antibiotika nicht mehr an? Und wie gefährlich sind die resistenten Keime für den Einzelnen? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Was sind antibiotikaresistente Bakterien?
Es gibt bestimmte Keime, die unempfindlich gegen gängige Antibiotika sind, von diesen Medikamenten also nicht abgetötet werden können. Dazu gehören nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung, kurz BfR, unter anderem die sogenannten ESBL-Bakterien. Sie bilden Enzyme, die Antibiotika unwirksam machen, und können diese Eigenschaft auch an andere Erreger weitergeben. Die Resistenzen können langfristig dazu führen, dass bisher leicht zu behandelnde Erkrankungen nur noch schwer oder gar nicht mehr geheilt werden können.
Wie entstehen die Resistenzen?
Hinter dem Problem steckt nach Ansicht des Gesundheitsministeriums vor allem „der unsachgemäße Einsatz von Antibiotika“. Davon spricht man, wenn der Patient vielleicht nur einen Schnupfen und gar keine bakterielle Infektion hat oder wenn die Arzneimittel falsch dosiert werden. Auch in der Landwirtschaft werden nach Ansicht von Experten zu oft Antibiotika verordnet, um kranke Tiere zu behandeln oder Erkrankungen vorzubeugen. Zwar hat sich nach Angaben des Amts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die Zahl der in der Tierhaltung verabreichten Antibiotika zwischen 2011 und 2016 halbiert. Fachleute warnen aber, dass mittlerweile höher konzentrierte Mittel zum Einsatz kommen, sich das Problem also nur verschoben habe. Ein Beispiel: Im gleichen Zeitraum ist die Menge der an Tiere abgegebenen Fluorchinolone angestiegen. Diese sogenannten „Reserve-Antibiotika“ sind aber eine Art letzte Hoffnung für menschliche Patienten. Denn sie kommen dann zum Einsatz, wenn alle anderen Medikamente nicht mehr anschlagen.
Wie kommen die resistenten Keime in den menschlichen Körper?
Dem BfR zufolge gibt es verschiedene Wege, auf denen antibiotikaresistente Bakterien übertragen werden. Ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht den Experten zufolge nach Auslandsreisen oder in Krankenhäusern, wo die Keime von Mensch zu Mensch übertragen werden können. Eine häufige Ursache ist laut Gesundheitsministerium mangelnde Händehygiene, auch Patienten oder Besucher können die Keime in das Krankenhaus tragen. Tiere können die Erreger ebenfalls auf den Menschen übertragen. So wurden nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums im vergangenen Jahr bei Kontrollen in fast jeder zweiten Probe Hühner- und Putenfleisch aus dem Supermarkt entsprechende Keime gefunden. Welcher Infektionsweg der häufigste ist, wird laut BfR derzeit erforscht.
Wie gefährlich sind die Keime für den Einzelnen?
Die meisten Bakterien, die etwa ESBL-Enzyme bilden, sind dem BfR zufolge „harmlose Darmbewohner“, die keine Erkrankungen hervorrufen und deshalb gar nicht bemerkt werden. In Süddeutschland tragen demnach etwa fünf Prozent aller Menschen diese Keime im Körper. Es gibt unter den ESBL-Bakterien aber auch solche Keime, die den Träger krank machen können, zum Beispiel Salmonellen oder die sogenannten Escherichia coli, besser bekannt als Ehec. Diese Keime sind besonders für Risikogruppen gefährlich, also für ältere Menschen oder Menschen mit einem geschwächten Immunsystem, Schwangere oder Kleinkinder.
Was passiert, wenn antibiotikaresistente Keime einen Menschen krank machen?
Die Erkrankung kann durch die Antibiotikaresistenz länger oder schwerer verlaufen. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts kommt es in deutschen Krankenhäusern jedes Jahr zu etwa 30000 bis 35000 Infektionen mit resistenten Keimen. Den Wissenschaftlern zufolge enden 1000 bis 4000 dieser Infektionen tödlich, andere Schätzungen sprechen sogar von bis zu 15000 Todesfällen.
Was können Verbraucher tun, um sich vor Infektionen zu schützen?
Wichtig ist nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung vor allem umfassende Hygiene. Wer Kontakt mit Tieren – auch Haustieren – hatte, sollte sich deshalb stets die Hände mit warmem Wasser und Seife waschen, am besten mindestens 20 Sekunden lang. Heidrun Schubert, Ernährungs-Expertin der Verbraucherzentrale Bayern, rät dazu, stets Bio-Fleisch oder Fleisch vom Bauern des Vertrauens zu kaufen. Es lasse sich nie ganz ausschließen, dass auch dieses Fleisch antibiotikaresistente Keime enthält, die Gefahr sei aber deutlich geringer als bei Fleisch aus Massentierhaltung. Lebensmittel, insbesondere Fleisch und Eier, sollten laut BfR darüber hinaus gut durchgegart werden. Auch Rohkost, also Salate, Sprossen, Gemüse und Obst, sollten Verbraucher immer gründlich mit Trinkwasser waschen oder das Obst und Gemüse schälen.
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