Großbritannien steckt in einer Absatz-Debatte, die, angestoßen von einer Frau, nun hunderttausende Frauen fast zur Rebellion treibt. Der Grund: Etliche Britinnen möchten keine Stöckelschuhe mehr bei der Arbeit tragen. Dementsprechend haben fast 140.000 Menschen eine Petition unterzeichnet, die fordert, dass es Arbeitgebern in Großbritannien per Gesetz verboten wird, weibliche Angestellte zum Tragen von High Heels zu zwingen. Und das alles wegen Nicola Thorp, die sich in der vergangenen Woche an die Öffentlichkeit wandte und aus dem beruflichen Nähkästchen plauderte.
Die 27-Jährige wagte es im Dezember zu ihrem ersten Tag als Empfangsdame bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PWC), in Ballerinas zu erscheinen. Das kam bei der Zeitarbeitsfirma Portico, die ihr die Arbeit bei PWC vermittelt hatte, gar nicht gut an. Stattdessen erhielt sie die Anordnung, Schuhe mit Absätzen zwischen fünf und zehn Zentimetern zu tragen. Nach ihrem Einwand, ihre männlichen Kollegen arbeiteten ebenfalls in flachen Schuhen, wurde sie erst ausgelacht, dann nach Hause geschickt – ohne Bezahlung.
Kleiderordnungen in Großbritannien erlaubt
Tatsächlich dürfen Arbeitgeber im Königreich ihren Angestellten unterschiedliche Kleiderordnungen vorschreiben, solange bei Mann und Frau dasselbe Maß an Eleganz verlangt wird. Portico verteidigte deshalb zunächst die gängige Praxis, knickte dann aufgrund des öffentlichen Aufschreis ein. Die Richtlinien wurden Mitte vergangener Woche mit sofortiger Wirkung geändert. Der Chef der Zeitarbeitsfirma, Simon Pratt, verkündete, dass alle Kolleginnen schlichte flache oder hohe Schuhe tragen könnten, ganz so wie sie es bevorzugten.
Absatz gut, alles gut? Nicht doch. Längst ist auf der Insel eine Debatte um Sexismus und Geschlechter-Diskriminierung im Berufsalltag entbrannt. Denn ist eine Krawattenpflicht vergleichbar mit dem Zwang, stundenlang auf High Heels den Beruf auszuüben? Tausende Frauen aus aller Welt bestreiten das und meldeten sich via Facebook, Twitter und Instagram, um von ihren leidvollen Erfahrungen zu berichten. Bilder von blutenden Zehen und geschwollenen Füßen lösen Empörung aus. So beschwerten sich beispielsweise weibliche Hotelangestellte und Kellnerinnen darüber, dass High Heels oft zur Uniform gehören. „Wir können nicht ohne sie arbeiten“, kritisierte eine Britin. Rücken- und Knieprobleme seien häufig die Folge. Verschiedene Kleidervorschriften zu verhängen, sei so lange gerecht, wie sie nicht eines der Geschlechter bevorzugen, findet Nicola Thorp. Indem man Frauen Absätze tragen lasse, handele man zugunsten von Männern, da deren Schuhwerk nicht ihre Bewegungsfähigkeit beeinflusse und keine langfristigen Gesundheitsprobleme hervorrufe. Die formalen Kleiderordnungen von heute seien überholt und sexistisch, so Thorp.
Thema im britischen Parlament
Weil die Petition die Marke von 100.000 Unterschriften überschritten hat, muss das Thema im britischen Parlament diskutiert werden. Wirtschaftsminister Sajid Javid zeigte zwar Verständnis für die Empfindungen, die hinter der Kampagne stecken, doch eine Gesetzesänderung stellte er nicht in Aussicht. Dafür appellierte er Anfang dieser Woche an die Unternehmen: Keine Frau sollte gezwungen werden, Stöckelschuhe zu tragen. Verantwortungsvolle Arbeitgeber sollten keine Richtlinie benötigen, die ihnen das sagt.