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Heidenheim: Halbes Jahr die Ermittler genarrt: 40-Jähriger wollte Fall Bögerl selbst lösen

Heidenheim

Halbes Jahr die Ermittler genarrt: 40-Jähriger wollte Fall Bögerl selbst lösen

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    Halbes Jahr die Ermittler genarrt: 40-Jähriger wollte Fall Bögerl selbst lösen
    Halbes Jahr die Ermittler genarrt: 40-Jähriger wollte Fall Bögerl selbst lösen

    Der Fall der ermordeten Maria Bögerl aus Heidenheim ist rätselhaft  - und ohne Zweifel spektakulär: Viele Spuren, doch nie eine heiße.

    Einen, den das Verbrechen offenbar nicht losließ, war ein 40 Jahre alter Mann aus Giengen an der Brenz in der Nähe von Heidenheim. Eine andere Erklärung hat der verhandelnde Heidenheimer Richter Eberhard Bergmeister nicht für diesen Betrug.

    In einem Casino in Herbrechtingen wollte der 40-Jährige zwei verdächtige Männer belauscht haben. Dabei soll der Satz gefallen sein: "Hast du die Sachen von der Frau Bögerl entsorgt?" Nach diesem Erlebnis beschloss der 40-Jährige den Fall Bögerl selbst zu lösen. "So hat er es zumindest vor Gericht begründet", sagt Bergmeister. 

    Nach Aktenzeichen XY bot sich eine Möglichkeit, anonym mit der Polizei Kontakt aufzunehmen

    Als dann die Sendung Aktenzeichen XY im Herbst 2012 nochmals auf das Verbrechen aufmerksam machte, nahm sein Vorhaben Fahrt auf. Nach der Ausstrahlung richtete die Polizei ein  Meldesystem ein, mit dem Hinweisgeber sich anonym an  die Polizei wenden konnten.

    Chronologie: Der Fall Maria Bögerl

    12. Mai 2010: Am Vormittag wird die Ehefrau des Vorsitzenden der Kreissparkasse Heidenheim, Maria Bögerl, aus ihrer Wohnung in Heidenheim-Schnaitheim von unbekannten Tätern entführt.

    Wenig später erhält ihr Ehemann eine telefonische Lösegeldforderung über 300.000 Euro. Der Anrufer spricht einen regional typisch schwäbischen Dialekt und verwendete die Formulierung "machen Sie keine Sperenzchen".

    13. Mai 2010: Eine Lösegeldübergabe am Nachmittag des Entführungstages scheitert. An der Übergabestelle an der A7 holen die Täter das deponierte Lösegeld nicht ab.

    14. Mai 2010: Maria Bögerls Handy wird gefunden. Ihre schwarze Mercedes Benz A-Klasse, in der sie entführt wurde, entdeckt die Polizei nach Hinweisen im Hof des Klosters Neresheim.

    18. Mai 2010: Die Belohnung für Hinweise zur Aufklärung des Falls wird auf 100.000 Euro verdoppelt. Die Sonderkommission "Flagge" wird gebildet.

    19. Mai 2010: Mit einem verzweifelten Appell wendet sich die Familie in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" an die Täter. Trotz zahlreicher Hinweise gibt es keine heiße Spur.

    3. Juni 2010: Ein Spaziergänger entdeckt die Leiche von Maria Bögerl in der Nähe von ihrem Haus im Wald. Die Obduktion ergibt, dass Maria Bögerl erstochen wurde. Am 9. Juni wird sie unter großer Anteilnahme beigesetzt.

    11. Juli 2011: Maria Bögerls Ehemann Thomas erhängt sich in seinem Haus. Auch er war zwischenzeitlich in Verdacht geraten.

    14. Juli 2011: Die Kinder der Bögerls kritisieren öffentlich die Polizei.

    5. September 2012: Die Polizei wendet sich über die Sendung "Aktenzeichen XY" des ZDF an die Bevölkerung. Mehr als 500 Zuschauer melden sich.

    Januar 2013: Die Soko wird von 16 auf 12 Ermittler verkleinert. Mehr als 3000 Speicheltests machten die Beamten bis dato auf der Suche nach dem Täter oder den Tätern. Gut 9800 Hinweise gingen bisher ein.

    8. Mai 2013: Es ist ausschließlich die Rede von mehreren Tätern. Sie werden im Spielhallen-Milieu im Raum Neresheim, Giengen an der Brenz oder Dillingen gesucht.

    14. Februar 2014: In Neresheim (Ostalbkreis) soll ein DNA-Massentest die entscheidenden Hinweise bringen. Mehr als 3000 Männer sollen zur Reihenuntersuchung antreten.

    21. August 2014: Die zweite Auflage des Massentests: Auch in Giengen an der Brenz werden rund 500 Männer zum DNA-Test aufgefordert.

    Februar 2015: Ein Zeuge, der früher in Augsburg lebte, behauptet, er kenne die beiden Täter. Die Polizei ist skeptisch, da es sich beim Zeugen um einen notorischen Betrüger handelt.

    13. Februar 2015: Das Amtsgericht Ellwangen will mehrere Männer zur Speichelprobe zwingen. Diese hätten die Teilnahme an den freiwilligen DNA-Massentests bislang verweigert, gegen sie lägen aber "weitere Verdachtsmomente" vor.

    23. April 2015: Die Staatsanwaltschaft Ellwangen verkündet, den angeblichen neuen Zeugen vorerst nicht mehr vernehmen zu wollen.

    November 2015: Auf der Suche nach dem Täter werten die Ermittler mit einer neuen Software 600.000 alte Datensätze aus – darunter vor allem Handy-Verbindungsdaten aus dem Tatzeitraum.

    April 2016: Knapp sechs Jahre nach dem Mord an der Bankiersgattin geht die Polizei noch einmal 150 neuen Ermittlungsansätzen nach.

    Dezember 2016: Sechseinhalb Jahre Arbeit, über 10.300 Hinweise und keine heiße Spur. Beim Mordfall Maria Bögerl tappen die Ermittler seit Jahren im Dunkeln – aber der Fall treibt sie weiter um.

    5. April 2017: Die Ermittler suchen nach einem Verdächtigen und gehen einer entscheidenden Spur nach. Der Mann ist in Nordrhein-Westfalen gesehen worden. In der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY" suchen die Ermittler erneut nach Zeugen. Sie veröffentlichen ein Phantombild und Teile einer Tonaufnahme.

    6. April 2017: Ein Verdächtiger im Mordfall Bögerl wurde festgenommen. Er soll die Tat vergangenen Sommer betrunken vor Zeugen gestanden haben. Ein DNA-Abgleich verlief aber negativ.

    Um an Informationen der Polizei heranzukommen, nahm er als Tom Kontakt mit den Ermittlern auf und gab vor, wichtige Hinweise liefern zu können. Dafür gab er sich noch eine weitere Identität: Josef. Der tauchte dann auch persönlich bei der Polizei auf.

    Tom und Josef lieferten der Polizei wechselseitig wertlose Informationen

    Tom und Josef entwickelten sich zum Dreamteam und führten die Polizei an der Nase herum, indem sie gegenseitig aufeinander verwiesen. Als Aufwandsentschädigung ließ sich Josef alias Tom alias der 40-Jährige aus Giengen bezahlen. 

    Als nächstes bot er den Beamten rund 30 tatrelevante Fotos an. Die Leiche von Maria Bögerl sollte darauf unter anderem zu sehen sein. Tom und Josef drohten die Fotos zu vernichten, bekämen sie nicht 3500 Euro. Die Ermittler gaben nach, bezahlten das Geld.

    Doch schnell stellte sich heraus, dass die Fotos keinerlei Bezug zum Mord an der Bankiersfrau hatten. "Da wusste man dann schon, dass was faul ist", sagt Richter Bergmeister.

    Doch Tom und Josef machten weiter, die Polizei ging darauf ein. Sie behaupteten, Gegenstände zu besitzen, die etwas mit der Tat zu tun haben - zum Beispiel einen Handschuh des Täters und die Folie, in der die Leiche von Maria Bögerl eingewickelt gewesen sein soll. Auch dafür gab es noch einmal 3000 Euro.

    Sogar unschuldige Menschen schwärzte der 40-Jährige an

    Auch Namen wurden schließlich genannt - und realexistierenden, aber an der Tat völlig unschuldigen Menschen. Schließlich wurde es den Beamten zu bunt. Sie forschten nach und stellen anhand der Handyverbindungen fest, dass Tom und Josef ein- und dieselbe Person sind. Im April 2013 fliegt der falsche Informant auf.

    Bis dahin war der Aufwand der Ermittler enorm, bestätigt Bergmeister. "Es wurde sehr aufwendig ermittelt." 77 Mal seien allein Beamte des LKA aus Stuttgart nach Heidenheim gefahren. Mehrere tausend Euro hatte die Polizei dem vermeintlichen Informanten gegeben. Nicht zu letzt, weil er all das in Kauf nahm und das Verwirrspiel so lange trieb, bescheinigt der Richter dem 40-Jährigen eine starke kriminelle Energie.

    Dieser Fall ist gelöst, der Fall Bögerl aber noch lange nicht.

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