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Heidenheim: Fall Bögerl: Die Suche nach dem Mörder geht weiter

Heidenheim

Fall Bögerl: Die Suche nach dem Mörder geht weiter

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    Polizisten im Mai 2010 bei Heidenheim-Großkuchen.
    Polizisten im Mai 2010 bei Heidenheim-Großkuchen. Foto: Stefan Puchner (dpa)

    Das Ehepaar hat es sich am offenen Fenster gemütlich gemacht. Beide stützen sich am Fensterbrett ab und schauen auf die Straße in Königsbronn, einem Ort zehn Kilometer von Heidenheim entfernt. Fast direkt gegenüber haben in der Nacht Polizeibeamte den 47-jährigen Sohn der Nachbarn festgenommen. Der Verdacht: Mord an der 2010 entführten Bankiersfrau Maria Bögerl. Die Indizien: Aussagen des Verdächtigen, die Frau erstochen zu haben. Das Problem am Nachmittag: Die DNA-Spur des Festgenommenen stimmt nicht mit der am Tatort gefundenen DNA überein. Der Mann ist daher wieder auf freiem Fuß. Damit sind die Ermittler nun wieder ohne heiße Spur.

    Vor dem Haus in ruhiger Wohnlage ist normalerweise nicht viel los. Deshalb will das Ehepaar jetzt nichts verpassen, wenn Reporter, Ermittler und neugierige Königsbronner sich in der Straße aufhalten. „Wir wollen uns nicht äußern“, sagen sie zunächst. Dann aber heißt es, der Festgenommene sei ein Sonderling. Dass er nachts mit seinem Rucksack in den Wald gegangen sei. Und, dass er viel getrunken habe. Die Nachricht, dass der Fall am Mittwochabend bei „Aktenzeichen XY“ aufgerollt wurde, verbreitete sich in der Nachbarschaft wie ein Lauffeuer.

    Fall Maria Bögerl: Mehrstündige Vernehmung

    Im vergangenen Sommer hatte der 47-Jährige bei einem Krankenhausaufenthalt in Hagen zu zwei Männern gesagt, dass er Bögerl mit einem Messer erstochen habe. Die Männer hatten das Gespräch aufgenommen und waren zur Polizei gegangen. Auf der Aufnahme, die auch in der Fernsehsendung abgespielt wurde, sei der Mann zweifelsfrei zu erkennen, sagen die Nachbarn. Hinweise aus der Bevölkerung führte die

    Auch eine Wohnungsdurchsung brachte keine neuen Beweise. Polizisten hatten am Donnerstag die Wohnräume des 47-Jährigen in einem Haus in Königsbronn nahe Heidenheim unter die Lupe genommen. Die Ermittlungen gegen inzwischen freigelassenen Mann würden nun routinemäßig abgearbeitet, sagte Staatsanwalt Armin Burger am Freitag in Ellwangen

    Chronologie: Der Fall Maria Bögerl

    12. Mai 2010: Am Vormittag wird die Ehefrau des Vorsitzenden der Kreissparkasse Heidenheim, Maria Bögerl, aus ihrer Wohnung in Heidenheim-Schnaitheim von unbekannten Tätern entführt.

    Wenig später erhält ihr Ehemann eine telefonische Lösegeldforderung über 300.000 Euro. Der Anrufer spricht einen regional typisch schwäbischen Dialekt und verwendete die Formulierung "machen Sie keine Sperenzchen".

    13. Mai 2010: Eine Lösegeldübergabe am Nachmittag des Entführungstages scheitert. An der Übergabestelle an der A7 holen die Täter das deponierte Lösegeld nicht ab.

    14. Mai 2010: Maria Bögerls Handy wird gefunden. Ihre schwarze Mercedes Benz A-Klasse, in der sie entführt wurde, entdeckt die Polizei nach Hinweisen im Hof des Klosters Neresheim.

    18. Mai 2010: Die Belohnung für Hinweise zur Aufklärung des Falls wird auf 100.000 Euro verdoppelt. Die Sonderkommission "Flagge" wird gebildet.

    19. Mai 2010: Mit einem verzweifelten Appell wendet sich die Familie in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" an die Täter. Trotz zahlreicher Hinweise gibt es keine heiße Spur.

    3. Juni 2010: Ein Spaziergänger entdeckt die Leiche von Maria Bögerl in der Nähe von ihrem Haus im Wald. Die Obduktion ergibt, dass Maria Bögerl erstochen wurde. Am 9. Juni wird sie unter großer Anteilnahme beigesetzt.

    11. Juli 2011: Maria Bögerls Ehemann Thomas erhängt sich in seinem Haus. Auch er war zwischenzeitlich in Verdacht geraten.

    14. Juli 2011: Die Kinder der Bögerls kritisieren öffentlich die Polizei.

    5. September 2012: Die Polizei wendet sich über die Sendung "Aktenzeichen XY" des ZDF an die Bevölkerung. Mehr als 500 Zuschauer melden sich.

    Januar 2013: Die Soko wird von 16 auf 12 Ermittler verkleinert. Mehr als 3000 Speicheltests machten die Beamten bis dato auf der Suche nach dem Täter oder den Tätern. Gut 9800 Hinweise gingen bisher ein.

    8. Mai 2013: Es ist ausschließlich die Rede von mehreren Tätern. Sie werden im Spielhallen-Milieu im Raum Neresheim, Giengen an der Brenz oder Dillingen gesucht.

    14. Februar 2014: In Neresheim (Ostalbkreis) soll ein DNA-Massentest die entscheidenden Hinweise bringen. Mehr als 3000 Männer sollen zur Reihenuntersuchung antreten.

    21. August 2014: Die zweite Auflage des Massentests: Auch in Giengen an der Brenz werden rund 500 Männer zum DNA-Test aufgefordert.

    Februar 2015: Ein Zeuge, der früher in Augsburg lebte, behauptet, er kenne die beiden Täter. Die Polizei ist skeptisch, da es sich beim Zeugen um einen notorischen Betrüger handelt.

    13. Februar 2015: Das Amtsgericht Ellwangen will mehrere Männer zur Speichelprobe zwingen. Diese hätten die Teilnahme an den freiwilligen DNA-Massentests bislang verweigert, gegen sie lägen aber "weitere Verdachtsmomente" vor.

    23. April 2015: Die Staatsanwaltschaft Ellwangen verkündet, den angeblichen neuen Zeugen vorerst nicht mehr vernehmen zu wollen.

    November 2015: Auf der Suche nach dem Täter werten die Ermittler mit einer neuen Software 600.000 alte Datensätze aus – darunter vor allem Handy-Verbindungsdaten aus dem Tatzeitraum.

    April 2016: Knapp sechs Jahre nach dem Mord an der Bankiersgattin geht die Polizei noch einmal 150 neuen Ermittlungsansätzen nach.

    Dezember 2016: Sechseinhalb Jahre Arbeit, über 10.300 Hinweise und keine heiße Spur. Beim Mordfall Maria Bögerl tappen die Ermittler seit Jahren im Dunkeln – aber der Fall treibt sie weiter um.

    5. April 2017: Die Ermittler suchen nach einem Verdächtigen und gehen einer entscheidenden Spur nach. Der Mann ist in Nordrhein-Westfalen gesehen worden. In der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY" suchen die Ermittler erneut nach Zeugen. Sie veröffentlichen ein Phantombild und Teile einer Tonaufnahme.

    6. April 2017: Ein Verdächtiger im Mordfall Bögerl wurde festgenommen. Er soll die Tat vergangenen Sommer betrunken vor Zeugen gestanden haben. Ein DNA-Abgleich verlief aber negativ.

    Über 10.000 Spuren sind die Ermittler in den vergangenen Jahren im Mordfall Bögerl nachgegangen. Nach sieben Jahren schien es am Donnerstagvormittag, als wären sie so nah an der Aufklärung wie nie. Die Hoffnung, dass der Mordfall endlich geklärt wird, währte jedoch nur kurz. Am Nachmittag ließen die Beamten den 47-Jährigen wieder frei. Hätten die Ermittler besonnener handeln sollen?

    Täter im Fall Bögerl forderten 300.000 Euro

    Staatsanwalt Armin Burger stellte am Nachmittag in einer Presseerklärung klar, dass die rasche Festnahme absolut richtig gewesen sei. Es sei bemerkenswert gewesen, dass sich ein Mann mit besten Heidenheim-Ortskenntnissen in Hagen mit dem Mord rühmte. Außerdem: „Es ist natürlich ein Indiz gewesen, dass er schwäbisch gesprochen hat“, sagt er über den Dialekt des Mannes. Denn auch die Entführer von Maria Bögerl sprachen schwäbisch. Warum die Sprachaufnahme erst jetzt veröffentlicht wurde, erklärt der Staatsanwalt damit, dass die Ermittler zuerst sämtliche Meldeämter abgegrast und Akten der Rentenversicherung überprüft hätten, um den Verdächtigen zu identifizieren.

    Fall Bögerl: In Neresheim Baden-Württemberg entnimmt eine Polizisten eine DNA-Probe im Rahmen eines freiwilligen DNA-Tests.
    Fall Bögerl: In Neresheim Baden-Württemberg entnimmt eine Polizisten eine DNA-Probe im Rahmen eines freiwilligen DNA-Tests. Foto: Stefan Puchner, dpa (Archivfoto)

    Die Frau des Heidenheimer Sparkassen-Direktors Maria Bögerl war im Mai 2010 aus ihrem Haus entführt worden. Die Täter forderten 300.000 Euro Lösegeld, die Übergabe scheiterte aber. Ein paar Wochen später fand ein Spaziergänger die verweste Leiche in einem Wald. Ihr Ehemann tötete sich später selbst, nachdem er in Verdacht geraten war, in den Fall verwickelt zu sein. Der Verdacht ließ sich jedoch nicht erhärten. mit dpa

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