Mehr als zwei Jahre nach dem Juwelendiebstahl aus dem Historischen Grünen Gewölbe in Dresden hat am Landgericht der Elbestadt der Prozess gegen sechs mutmaßliche Täter begonnen. Die bei mehreren Razzien gefassten 23- bis 28-Jährigen sind wegen schweren Bandendiebstahls, Brandstiftung und besonders schwerer Brandstiftung angeklagt.
Die Große Strafkammer verhandelt aus Sicherheitsgründen im für Terror- und Extremismusverfahren geschaffenen Spezialsaal des Oberlandesgerichts Dresden am Stadtrand. Das Medieninteresse ist groß, die Plätze fürs Publikum sind wegen Corona begrenzt. Zum Auftakt sind keine Zeugen geladen, wie ein Gerichtssprecher sagte.
Die mutmaßlichen Täter beim Juwelendiebstahl aus dem Grünen Gewölbe in Dresden waren laut Anklage bewaffnet. Nach der am Freitag zum Auftakt des Prozesses am Landgericht Dresden verlesenen Anklageschrift hatten sie einen Revolver und einer Pistole mit Schalldämpfer bei sich.
Juwelenraub im Grünen Gewölbe: Angeklagte wäre fast früher gefasst worden
Die Anklage listete auch auf, wie akribisch sich die Beschuldigten auf den Coup vorbereitet hatten. Dazu spähten sie mehrfach den späteren Tatort aus und entfernten vor dem Einbruch in die Schatzkammer auch einen Teil des gusseisernen Gitters, das sie anschließend mit Klebematerial wieder einfügten. Auf diese Weise wollten sie am 25. November 2019 - dem Tag des Einbruchs - schneller in das Gebäude eindringen, hieß es.
Fast wären einige der Angeklagten der Polizei schon früher ins Netz gegangen. Bei einer der Spähaktionen hatte eine Zivilstreife der Polizei die Betroffenen bei einem unerlaubten Wendemanöver beobachtet, das sie zu nächtlicher Stunde auf einer Dresdner Straße vollführten. Als die Beamten den Wagen kontrollierten wollten, flüchteten die Beschuldigten mit Tempo 120.
Die Verteidigung beantragte eine Abtrennung des Verfahrens für die beiden jüngsten Angeklagten, da sie zum Zeitpunkt der Tat erst 20 Jahre alt waren. Deshalb findet das Verfahren der 2. Strafkammer vor der Großen Jugendkammer statt.
Einbruch ins Grüne Gewölbe: Diebe stehlen Juwelen im Wert von über 113 Millionen Euro
Die Verdächtigen sollen 21 Schmuckstücke mit insgesamt 4300 Diamanten und Brillanten im Gesamtwert von über 113 Millionen Euro entwendet und im Zuge des spektakulären Coups auch Sachschäden in Höhe von über einer Million Euro hinterlassen haben. Der Anklage zufolge hatten sie einen Stromkasten in Schlossnähe sowie ein Fluchtauto in der Tiefgarage eines Wohnhauses angezündet.
Zwei Männer drangen demnach am frühen Morgen durch ein präpariertes Fenster in das Residenzschloss in der Altstadt ein, schlugen mit einer Axt Löcher in eine Vitrine und rissen befestigte Schmuckstücke aus dem 17. und 18. Jahrhundert heraus. Die Ermittler sind überzeugt, dass das Verbrechen auf das Konto krimineller Mitglieder eines bekannten Berliner Clans geht, der auch für Straftaten wie den Diebstahl der "Big Maple Leaf"-Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum 2017 in den Fokus geriet.
Zwei Tatverdächtige waren wegen Diebstahls einer riesigen Goldmünze in Berlin angeklagt
Die nach und nach in Berlin gefassten Tatverdächtigen sind Brüder und Cousins. Besonders pikant: Zwei von ihnen gehörten zur Tatzeit zu den Angeklagten im Goldmünze-Prozess am Landgericht Berlin, waren aber auf freiem Fuß. Inzwischen sitzen sie jeweils eine mehrjährige Jugendstrafe ab, zu der sie im Februar 2020 verurteilt wurden. Die vier anderen sind seit Monaten in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft ist sicher, dass alle unmittelbar Tatbeteiligten gefunden sind. Die Angeklagten haben sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert.
Bis Ende Oktober sind 50 Verhandlungstage terminiert, Fortsetzung möglich. Die Hauptakte zu dem Fall umfasst 65 Bände, und auch wegen der Zahl der Verfahrensbeteiligten ist es ein besonderer Prozess: Mit dabei sind 14 Verteidiger – Anwälte aus Dresden, Leipzig, Berlin, Hannover und Hamburg – drei Staatsanwälte, Vertreter der Jugendgerichtshilfe und Dutzende Zeugen.
Diebstahl im Grünen Gewölbe in Dresden verweist auf kriminellen Remmo-Clan
DNA-Spuren aus Autos und vom Tatort, Videos, Daten und Zeugenaussagen stützen laut Staatsanwaltschaft den ermittelten Ablauf der Tat. Die Arbeit der Sonderkommission "Epaulette", benannt nach einem der Beutestücke, geht unterdessen weiter. Gegen weitere 40 Beschuldigte, darunter vier Wachmänner sowie vier mögliche Helfer der Täter, gebe es einen begründeten Anfangsverdacht.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) mahnte, der Einsatz gegen kriminelle Clanmitglieder dürfe nicht nur ein kurzer Trend bleiben, sondern es brauche Zeit und kriminalistisches Wissen. "Hier müssen sich dauerhaft Schwerpunkt-Dienststellen entwickeln, die im Verbund mit den Staatsanwaltschaften, Finanzbehörden und dem Zoll noch enger zusammenarbeiten und auch mit den dringend erforderlichen Personalressourcen ausgestattet werden", sagte der BDK-Bundesvorsitzende Dirk Peglow den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Unter anderem sprach er sich für Aussteigerprogramme aus. "Viele Mitglieder dieser Großfamilien sind nicht kriminell oder wollen raus aus Drucksituationen, in denen sie zur Kriminalität gedrängt werden", erklärte Peglow dazu. (dpa)