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Großbritannien: City of London fast menschenleer: Wie Corona die Metropole trifft

Großbritannien

City of London fast menschenleer: Wie Corona die Metropole trifft

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    Statt Geschäftsleuten prägen jetzt Freizeitsportler wie diese das Bild des Finanzviertels Canary Wharf im ehemaligen Hafengebiet Londons.
    Statt Geschäftsleuten prägen jetzt Freizeitsportler wie diese das Bild des Finanzviertels Canary Wharf im ehemaligen Hafengebiet Londons. Foto: V. Jones, PA Wire, dpa

    Eigentlich hetzen täglich zehntausende Menschen durch die engen und verwinkelten Straßen der City of London, drängen sich in die U-Bahn-Tunnel, versammeln sich zum Feierabend vor und in den Pubs und bevölkern zu jeder Tageszeit die Restaurants, Sandwichbars und Cafés. Eigentlich. Denn die City sowie Canary Wharf, die beiden Finanzviertel Londons, erscheinen an diesem Mittag an einem Werktag, wenige Wochen nach Aufhebung des Lockdowns, wie ausgestorben. Die in der Sonne schimmernden Banktürme wie auch die historischen Gebäude wirken verlassen. Medien sprechen von einer "Wüste", ein Pubbesitzer von "Geisterstädten". Nur eine Handvoll Männer in Anzügen und Frauen in Kostümen sind unterwegs, sie fallen regelrecht auf. Es herrscht so wenig Verkehr, dass im Finanzzentrum Europas selbst das Gezwitscher der Vögel zu hören ist.

    Boris Johnson will, dass die Menschen wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehren

    Dabei ermunterte Premierminister Boris Johnson seine Landsleute, diese Woche wieder an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren. Für den Regierungschef handelt es sich um einen Drahtseilakt. Zwar wird in Großbritannien eine zweite Welle befürchtet, weshalb der wissenschaftliche Regierungsberater Patrick Vallance meinte, es gebe keinen Grund, an der Homeoffice-Empfehlung zu rütteln. Hinzu kommt, dass sich die sonst so geschäftigen Bezirke wenig mit dem Gebot des Abstand haltens vertragen. Doch gleichzeitig soll die Wirtschaft wieder angekurbelt werden, die im zweiten Quartal dieses Jahres um 25 Prozent eingebrochen ist. Das Problem trifft keineswegs nur die großen Unternehmen, die Banken, Versicherungen und Finanzdienstleister, die einen Großteil ihrer Belegschaft auch zu Hause beschäftigen können. Es geht vor allem um die zahllosen Restaurants, Cafés, Bars, Läden, Bekleidungsgeschäfte und Kioske, die auf die rund 600.000 Beschäftigten, die normalerweise in den beiden Geschäftsvierteln der Neun-Millionen-Metropole tätig sind, angewiesen sind. Während auch andere Teile der Londoner Innenstadt straucheln, etwa das West End mit all seinen Theatern, lohnt es sich in der City und in Canary Wharf für die meisten schlichtweg nicht, ihre Türen überhaupt zu öffnen. Sie könnten zum Kollateralschaden des Homeoffice-Trends werden.

    Restaurant in London: Normalerweise bis zu 400 Gäste - jetzt kommen 15

    Gleich um die Ecke der imposanten, säulengeschmückten Bank of England, der Zentralbank des Königreichs, steht vor dem Eingang der Brasserie Lombard Street ein Kellner und es ist nicht ganz klar, ob er versucht, Gäste anzulocken oder ob er allein mit seiner Präsenz verdeutlichen will, dass das Restaurant – anders als die meisten Lokalitäten in der City – geöffnet hat. Normalerweise treffen sich hier Geschäftsleute zum Frühstück, Manager halten Meetings beim Lunch ab, Kollegen trinken nach Feierabend Cocktails. Platz hat das Lombard Street für 400 Menschen, unter Einhaltung der Corona-Beschränkungen passen 88 in das Restaurant und die Bar. Doch am Dienstagmittag dieser Woche kamen lediglich 15 Gäste, am Tag zuvor ging keine einzige Reservierung zum Mittagessen ein. "Es ist sehr, sehr leer", sagt der Angestellte in britischem Understatement und lächelt gequält. In normalen Zeiten pendeln beinahe alle Beschäftigen der City zur Arbeit. Kaum jemand wohnt hier, weshalb sonntags Touristen die Gegend in der Regel für sich haben. Seit März ist immer Sonntag.

    Der Pub-Besuch ist wichtig für die Wirtschaft

    "Büroarbeiter, die in Pubs und in Cafés gehen, sind äußerst wichtig für die Wirtschaft, sagt Carolyn Fairbairn, Präsidentin des britischen Industrieverbands CBI. Und auch die Politiker des Landes betonen dieser Tage regelmäßig die Bedeutung der Gastronomie für die Stadt und das Königreich. Die Hauptstadt werde monatlich etwa 178 Millionen Pfund nur dadurch verlieren, dass zahlreiche Menschen nicht mehr vor Ort in Londons Geschäftsvierteln arbeiteten und damit kein Geld ausgeben, schätzt das Beratungsunternehmen Centre for Economics and Business Research.

    Das Problem: Der Lockdown hat bewiesen, dass der größte Teil der Jobs zu Hause gemacht werden kann. "Die Glaspaläste des Konzernkapitalismus haben plötzlich ein Stück ihrer Aura verloren", schrieb der linksliberale Guardian. Tatsächlich scheint bei den Unternehmen, Versicherungen und Banken ein Wandel stattzufinden. "Ich denke, die Vorstellung, 7000 Leute zusammen in ein Gebäude zu stecken, dürfte der Vergangenheit angehören", sagte Jes Staley, Vorstandschef der Großbank Barclays. Beim Kreditinstitut NatWest ist es der überwältigenden Mehrheit der rund 50.000 Mitarbeiter gestattet, bis 2021 von zu Hause aus zu arbeiten. Ob sie danach noch in ihren Stammlokalen essen können? Unwahrscheinlich.

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