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Großbritannien: Anschlag in London: „Es hätte weitaus schlimmer kommen können“

Großbritannien

Anschlag in London: „Es hätte weitaus schlimmer kommen können“

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    Die U-Bahn-Station Parsons Green ist weiträumig abgesperrt. Polizeibeamte in Schutzanzügen untersuchen den Zug, in dem die Bombe im morgendlichen Berufsverkehr explodierte.
    Die U-Bahn-Station Parsons Green ist weiträumig abgesperrt. Polizeibeamte in Schutzanzügen untersuchen den Zug, in dem die Bombe im morgendlichen Berufsverkehr explodierte. Foto: Daniel Leal-Olivas, AFP PHOTO

    Die Bahn war wie jeden Morgen im Londoner Berufsverkehr völlig überfüllt, aber der routinierte Pendler Rory Rigney drückte sich mit ein paar anderen Passagieren noch in den Waggon. Die Luft war heiß und stickig, zudem herrschte die zur Stoßzeit klassische Stille. Die Türen waren noch nicht geschlossen, da durchbrach plötzlich ein Knall die Ruhe, und weil dieser nicht „gewaltig laut“ war, dachte der 37-Jährige kurz, etwas sei zertrümmert worden. Rigney hörte einen Schrei und schon sah er einen „Feuerball“ auf sich zukommen – „gelb oder orange“, wie er Medien später schilderte. Selbst da fühlte er noch die Wärme auf seinem Gesicht.

    Später stellte sich heraus: Eine selbst gebaute Bombe war gegen 8.20 Uhr in einer U-Bahn an der oberirdischen Haltestelle Parsons Green im Südwesten der britischen Metropole explodiert. 29 Menschen trugen Verletzungen davon, niemand schwebt laut Behörden in Lebensgefahr. Es handelte sich hauptsächlich um Verbrennungen, mit denen die Opfer im Krankenhaus behandelt wurden. Die Polizei stufte den Vorfall als Terroranschlag ein. Die Ermittlungen laufen – genauso wie die Großfahndung nach dem Täter oder den Tätern.

    Am Abend reklamierte der IS die Taten für sich. Der Bombenanschlag sei von einer "Abteilung des Islamischen Staats" verübt worden, hieß es in einer am Freitag vom IS-Propagandasprachrohr Amaq im Internet veröffentlichten Erklärung. Kurz darauf rief May die höchste Terrorwarnstufe für Großbritannien aus. Das bedeutet, dass die Behörden einen unmittelbar bevorstehenden Terroranschlag für möglich halten.

    Anschlag in London: "Schreie so angsteinflößend"

    Bevor Rory Rigney mit der Menge die Flucht aus dem Waggon gelingen konnte, fiel ihm noch der Geruch auf, der ihn an ein gelöschtes Feuer erinnerte. Außerdem entdeckte er eine Discounter-Tüte, in die ein kleiner weißer Eimer gepackt war, aus dem nun „rote Drähte“ ragten. Und er brannte.

    Hunderte Menschen rannten in Panik, viele schreiend, zur einzigen Treppe des kleinen Bahnhofs, die zu den beiden Ausgängen führt. Augenzeugen berichteten, wie die Leute zu Boden fielen, übereinandertrampelten und sich „wie die Sardinen“ auf den Stufen drängelten. Chaos. Alle wollten nur weg, auch wenn die meisten nicht einmal wussten, was passiert war.

    „Die Schreie waren so laut und angsteinflößend, dass wir um unser Leben liefen“, sagte Emma, die sich bei der Explosion im Waggon nebenan befand. Zu tief sitzt bei den Briten der Schock nach vier Terroranschlägen zwischen März und Juni dieses Jahres.

    Bereits kurz nach dem Anschlag berief Premierministerin Theresa May den nationalen Krisenstab ein und drückte den Opfern ihr Mitgefühl aus. Außenminister Boris Johnson rief die Bevölkerung auf, Ruhe zu bewahren. Bürgermeister Sadiq Khan sagte: „Unsere Stadt verurteilt die widerwärtigen Individuen, die mit Terror versuchen, uns zu schaden und unsere Lebensweise zu zerstören.“

    2017 bereits fünf Anschläge in Großbritannien

    Den ganzen Tag kreisten Helikopter über der Gegend, die großräumig abgesperrt und untersucht wurde. Hunderte Beamte werteten Videomaterial und andere Beweismittel aus, wie der Chef der Londoner Anti-Terror-Einheit, Mark Rowley, bekannt gab. Keine andere Großstadt in Europa hat mehr Überwachungskameras installiert als die britische Metropole – an jeder Straßenecke, in U-Bahnen, an Stationen. Seitdem im Jahr 2005 vier Selbstmordattentäter 52 Menschen bei Anschlägen in der Londoner Underground sowie in einem Bus töteten, wird immer wieder der öffentliche Nahverkehr als Schwachstelle ausgemacht. Sollte sich die gestrige Explosion als Terroranschlag bestätigen, wäre dies bereits der fünfte im Königreich in 2017.

    Beobachter spekulierten gestern unter Berufung auf Polizeikreise, dass die Bombe wahrscheinlich nicht wie geplant explodiert sei. „Es hätte weitaus schlimmer kommen können“, hieß es unaufhörlich. London scheint dieses Mal verhältnismäßig Glück gehabt zu haben. mit AZ

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