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Geschichte der Wahl-Werbespots: "Mann, der hat doch Mayonnaise in den Ganglien"

Geschichte der Wahl-Werbespots

"Mann, der hat doch Mayonnaise in den Ganglien"

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    Die SPD-Vögelchen Plietsch und Plemm. Screen Shot: You Tube
    Die SPD-Vögelchen Plietsch und Plemm. Screen Shot: You Tube

    Am 27. September sind Bundestagswahlen. Viele Menschen sind sich unschlüssig, wem sie ihre Stimme geben sollen. Da helfen die Parteien gerne weiter - mit Wahlwerbe-Spots im Fernsehen und im Kino. Kein neues Phänomen: Bereits in den 1950ern versuchten die Parteien durch kleine Filmchen zu erklären, warum gerade sie unsere Zweitstimme verdient haben.

    Die SPD baute 1957 auf "Plietsch und Plemm". Gemeinsam blätterten die beiden Zeichentrick-Vögelchen durch das Bilderbuch "Sicherheit für alle" und präsentieren den Wählern eine "Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit". Straßenfeger "Pfiffikuss" möchte in einem anderen Spot etwas gegen die gestiegenen Preise tun und fordert seine Zuschauer auf "...und jetzt zur Wahl, seid alle schlauer, nur SPD und Ollenhauer".

    Auch die CDU setzte in diesem Wahljahr 1957 auf Reime und Zeichentrickfiguren. So prophezeihte Zeichentrickmännchen Adenauer Böses, falls die SPD erst einmal am Hebel sitzt: "Zuletzt in jenem schlimmsten Falle, stellt man den Hebel Nato aus, und statt der Sicherheit für alle, kommt Kurzschluss übers deutsche Haus".

    "Der hat doch Mayonnaise in den Ganglien"

    In den 1970ern gehen Union und Sozialdemokraten noch mehr auf Konfrontationskurs. Kanzlerkandidat Franz-Josef Strauß (CSU) greift im Wahlkampf 1976 vor laufender Kamera die Entspannungspolitik der SPD an und erklärt sie für gescheitert.

    Die SPD ist mindestens genauso angriffslustig: Bei den Kindern wird nicht mehr "Räuber und Gendarm" gespielt, sondern "Freiheit oder Sozialismus" und Karli und sein Vater scheinen den Verstand verloren zu haben: "Mann, der hat doch Mayonnaise in den Ganglien, genau wie sein Alter, und der wählt CDU!"

    In den 1980er Jahren bringen die Grünen neuen Wind in den Wahlkampf. Verwaltungsangestellter Karl Suffke erklärt zum Beispiel 1983, wie man Fotos inzwischen schon in chemieverseuchten Bächen entwickeln kann: "Ist das nicht ein herrlicher Farbabzug? Und den Entwickler, den brauch ich erst gar nicht mehr zu kaufen, den hol ich mir direkt aus dem Wasser. Soll dein Bild natürlich sein, tauch es nur ins Bächlein rein", erzählt er begeistert.

    1987 wird dank der Grünen klar, wer Schuld an den Unruhen und Kriegen auf dieser Welt habe: die Männer. Das lasse sich auch biologisch erklären; das männliche Sexualhormon Testosteron mache schließlich aggressiv: "Dann kann also wissenschaflich betrachtet und nach Meinung von Experten, friedliche Politik nicht von richtigen Männern gemacht werden", lautete das Fazit.

    Die CDU kehrt 1994 in ihrem Wahlwerbeclip wieder in die Steinzeit zurück. Dass Helmut Kohl - als prähistorische Comicfigur - mit seiner Fortschrittsprophezeihung das Rad neu erfinden würde, schienen ihm viele Bundesbürger zu glauben: Am 16. Oktober 1984 wurde er zum vierten Mal zum deutscher Bundeskanzler gewählt.

    Ideenfabrik beim Strandspaziergang

    Auch wenn es von einigen Usern des Videoportals "You Tube" diskutiert wurde, aber Gerhard Schröder machte 1998 keine Werbung für Jever-Bier, als er im Wahlwerbespot der SPD am Strand entlang spazierte. "Deutschland muss wieder eine Ideenfabrik werden", verlangte der Kanzlerkandidat. Neue Technologien, Innovationen und Existenzgründungen sollten

    Mit dem 21. Jahrhundert geht die Geschichte der Wahlwerbespots in eine neue Runde. Im Bundestagswahlkampf 2005 steigt nun auch die Linke "Für eine neue soziale Idee" in den Ring. Nicht nur in ihrem Wahlwerbefilmchen kommt es zum K.O.-Schlag: mit 8,7 Prozent der Stimmen zieht die Linke in den Bundestag ein und überholt die Grünen damit um 0,6 Prozentpunkte.

    Bei ihren Werbefilmen lassen sich die Politker also gerne inspirieren: die einen von Zeichentrickfilmen, die anderen anscheinend von einer Bier-Werbung, die nächsten vom Boxsport und die übernächsten vom Wahlkampf über dem großen Teich. So tut dies Guido Westerwelle wohl in diesem Wahljahr. Bei der FDP "kann" Deutschland ganz viel: "Deutschland kann inspirieren", "Deutschland kann etwas leisten" und "Deutschland kann sich auf die Zukunft freuen".

    Yes, we can! Aber mit welcher Partei wir uns auf die Zukunft freuen, entscheidet sich erst am 27. September. Cordula Sailer

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