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Fußball: Gejagter Torjäger: Cristiano Ronaldo steht vor Gericht

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Gejagter Torjäger: Cristiano Ronaldo steht vor Gericht

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    An Cristiano Ronaldo scheiden sich die Geister. Real Madrids Superstar steht nun vor Gericht.
    An Cristiano Ronaldo scheiden sich die Geister. Real Madrids Superstar steht nun vor Gericht. Foto: Sven Hoppe (dpa)

    Wenn Cristiano Ronaldo Urlaub macht, darf die Welt daran teilhaben. Und sie muss dafür nicht mal auf Paparazzi-Fotos warten. Wenn der Fußballstar sich wie in den vergangenen Wochen auf Ibiza entspannt, gehören die obligatorischen Urlaubsfotos dazu, die er dann über die Internet-Plattform Instagram veröffentlicht. Ronaldo oben ohne, der mit einem Freund seine Muskeln spielen lässt. Ronaldo allein am Pool, wieder mit Waschbrettbauch und lässigem Blick. Ronaldo, wie er grinsend mit Sohn Cristiano jr. auf einer Bank sitzt, auf dem Arm die wenige Wochen alten Zwillinge Eva und Mateo, die eine Leihmutter für ihn ausgetragen haben soll. Und dann noch das: die komplette Familie in zwei Reihen im Pool aufgestellt, inklusive Mama Dolores und der wohl schwangeren Freundin Georgina Rodríguez. Dahinter, auf dem Trockenen, thront der 32-Jährige, salutiert mit zwei Fingern an der gezupften Augenbraue, sein Blick ist so eiskalt wie ein Eisberg. Vielleicht soll diese Aufnahme zeigen, dass ein Cristiano Ronaldo über den Dingen steht. Vielleicht geht es aber nur darum, dass sein Sixpack selbst auf diesem Bild voll zur Geltung kommt.

    Ronaldo soll 14,7 Millionen Euro Steuern hinterzogen haben

    Gut zwei Wochen später hat der vielleicht beste, auf jeden Fall aber eitelste Fußballer der Welt ausnahmsweise keine Lust, in die Kameraobjektive zu lächeln. Vor dem Gerichtsgebäude im spanischen Pozuelo de Alarcón wartet am Montagvormittag ein Großaufgebot von Berichterstattern, Fotografen und Kamerateams auf den Star von Real Madrid. Ronaldo schafft es, sich fast unbemerkt in die Tiefgarage auf der Rückseite des Justizgebäudes chauffieren zu lassen. Der Torjäger bevorzugt den Hintereingang an seinem womöglich "härtesten Tag", wie ihn die Madrider Sportzeitung Marca im Vorfeld nannte.

    Die Reporter und Kameraleute warteten vor dem Gerichtsgebäude vergeblich auf Cristiano Ronaldo.
    Die Reporter und Kameraleute warteten vor dem Gerichtsgebäude vergeblich auf Cristiano Ronaldo. Foto: Paul White (dpa)

    Nur die Ermittlungsrichterin Mónica Gómez Ferrer bekommt den Fußballmillionär an diesem Montag zu Gesicht. Die Frau, die entscheidet, ob Ronaldo angeklagt wird. Im Fall einer Verurteilung droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe. Anderthalb Stunden dauert die Anhörung. Es geht um ein kompliziertes Firmengeflecht aus einem Unternehmen in Irland, einer Briefkastenfirma in der Karibik und einem Konto in der Schweiz, durch das der Fußballstar Millionen an Werbeeinnahmen geschleust hat. Und es geht um die Frage, ob er auf diese Weise 14,7 Millionen Euro an Steuern hinterzogen hat, wie ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft. Anderthalb Stunden später ist die Anhörung vorbei. Ein Sprecher schickt die Pressevertreter weg. "Alles ist in Ordnung, Cristiano ist schon auf dem Weg nach Hause", sagt er.

    Pozuelo de Alarcón, der Ort mit feinen Villenvierteln nordwestlich von Madrid, gilt als reichste Stadt des Landes. Das mittlere Einkommen ist fast drei Mal so hoch wie im Rest Spaniens. Ronaldo lebt in der Luxussiedlung namens La Finca, in einer Villa mit 4000 Quadratmetern Grundstück, großzügigem Pool und eigenem Fitnessstudio. In seiner Garage stehen mehrere Luxusautos, er hat einen Privatjet. Längst ist er der bestbezahlte Kicker der Welt: Sein Jahreseinkommen schätzte das US-Magazin Forbes zuletzt auf 82 Millionen Euro – inklusive Spielergehalt, Werbeeinnahmen und sonstigen Geschäften.

    Als Kind wurde Ronaldo als Heulsuse gehänselt

    Unvorstellbar viel Geld muss das sein, erst recht für einen Jungen aus so einfachen Verhältnissen. Cristiano Ronaldo dos Santos Aveiro, wie er mit vollem Namen heißt, wächst auf der portugiesischen Insel Madeira auf. Die Mutter arbeitet als Köchin und Putzfrau, der Vater als Korbflechter und später als Gärtner. Er stirbt, als der Sohn 17 Jahre ist – Leber- und Nierenversagen, der Alkohol. Als Kind wird Cristiano als "Heulsuse" gehänselt.

    Heute verehren ihn die Menschen auf der Azoreninsel wie einen Helden. Mit 29 bekommt er sein eigenes Museum. Nicht nur dort halten ihn viele für den besten Fußballer der Welt. Ronaldo gilt als Ausnahmesportler, als Besessener, als einer, der dann noch trainiert, wenn seine Mannschaftskollegen längst in der Kabine sind. Außer dem WM-Titel hat der 32-Jährige alles gewonnen: Er ist Europameister, war mehrmals Weltfußballer, wurde gerade zweimal hintereinander Champions-League-Sieger und hat in bislang 265 Meisterschaftsspielen für Real unfassbare 285 Tore geschossen. Und: CR7, wie der Mann mit der Nummer 7 genannt wird, ist eine gut funktionierende Marke. Er verdient so viel Geld mit Werbeverträgen wie kein Fußballprofi vor ihm.

    In Werbespots preist Ronaldo Autos, Anzüge und Bankprodukte, Flugtickets, Hähnchenschenkel und Poker-Glücksspiele, Sportausrüstung, Toastbrot und Uhren an. Er hat seine eigene Luxus-Modemarke geschaffen, die von seinen beiden Schwestern gemanagt wird. Mehrere Hotels tragen seinen Namen, ebenso der Flughafen Madeiras. "Zusammen mit dem Portwein ist Cristiano das bekannteste portugiesische Produkt in der Welt", urteilt Portugals Marketing-Institut Ipam.

    Welche Rolle spielt Jorge Mendes, Ronaldos Berater?

    Trotzdem ist es leicht, Ronaldo kein bisschen zu mögen. Man kann sich herrlich über ihn aufregen – über sein albernes Gehabe, über den überzogenen Anlauf beim Freistoß, die peinlichen Posen beim Torjubel, über die Frisur, die selbst auf dem Spielfeld perfekt sitzt. Ronaldo gilt als arrogant, eitel, egozentrisch, als selbstgefällig, selbstgerecht, selbstherrlich, als so etwas wie der Supergockel des Fußballs. Gut möglich, dass das aber nur Klischees sind. Die Wenigen, die ihn tatsächlich besser kennen, beschreiben Ronaldo ganz anders. Als einen, der sich für wohltätige Organisationen einsetzt, der vor allem Kinder unterstützt.

    Das sind die "Football Leaks"

    "Football Leaks" ist eine Enthüllungsplattform, die Interna aus Verträgen internationaler Fußballprofis ins Netz stellt. Die Betreiber – nach eigenen Angaben sind es Fußballfans aus Portugal – wollen damit zu mehr Transparenz in dem oftmals undurchsichtigen Fußballgeschäft zwingen.

    Das Nachrichtenmagazin "Spiegel" berichtete Ende 2016 über fragwürdige Steuersparmodelle von vorwiegend in Spanien tätigen Fußballstars, nachdem es zusammen mit einem europäischen Recherchenetzwerk 18,6 Millionen von Football Leaks zur Verfügung gestellte Dokumente ausgewertet hatte.

    Zu den Betroffenen zählte Weltfußballer Cristiano Ronaldo. Mit ähnlichen Steuersparmodellen sollen sich die Real-Madrid-Spieler Pepe, Fabio Coentrao und Angel di María beholfen haben. Auch gegen den Startrainer José Mourinho wird ermittelt. dpa

    Andere aber sind in diesen Tagen vor allem wütend auf ihn. Weil er den Fußball und den Ruf der ganzen Profibranche in den Schmutz ziehe. Die Enthüllungen der Internetseite "Football Leaks" und des Spiegel legen den Blick frei auf die gigantischen Millionenbeträge, die im Fußball fließen, auf die Gier der Protagonisten, auf den gefährlichen Einfluss seines Beraters Jorge Mendes.

    Jorge Mendes ist der Manager von Cristiano Ronaldo.
    Jorge Mendes ist der Manager von Cristiano Ronaldo. Foto: Manuel De Almeida (dpa)

    Mendes arbeitet mit Ronaldo zusammen, seit dieser 16 Jahre ist. Er handele mit den Vereinen nur die Gehälter seiner Spieler aus, für eine steuerliche Beratung oder die Gründung anderer Unternehmen habe er keine Zeit, sagte Mendes im Juni vor Gericht. Fakt ist jedoch: Wer mit Ronaldo werben will, wer sein Gesicht für eine PR-Kampagne oder nur für die kleinen Stickerbilder verwenden will, musste die Verträge bis 2014 mit einem Unternehmen in Irland abschließen. Dessen Mehrheitsaktionär: Jorge Mendes. Geschäftsführer: Mendes’ Neffe.

    Cristiano Ronaldo weist Vorwürfe der Steuerhinterziehung zurück

    Die Firma in Irland behielt nach Abschluss jedes Vertrags nur eine Provision ein und leitete das Geld auf die Britischen Jungferninseln weiter. Dort saß eine Briefkastenfirma, die ein Konto in der Schweiz hatte und an die Ronaldo bis 2014 seine Bild- und Werberechte abtrat. Mehr als 70 Millionen Euro flossen so zwischen 2009 und 2014 auf die Britischen

    Die Frage ist: War dieses Steuerkonstrukt legal? Ronaldo weist alle Anschuldigungen von sich. "Ich habe niemals etwas verborgen und auch niemals die Absicht gehabt, Steuern zu hinterziehen", heißt es in einer Mitteilung, die das Gericht nach der Anhörung verschickt. Er habe betont, dass die Finanzbehörden "alle meine Einnahmen im Detail kennen, da ich sie immer angegeben habe". Zuvor betonte der Torjäger, er habe "ein reines Gewissen". Und er drohte offen, wegen der Ermittlungen Real und Spanien zu verlassen.

    Doch die Vorwürfe wiegen schwer und Spaniens Justiz machte bereits im Steuerverfahren gegen Barcelona-Stürmer Lionel Messi und etliche andere prominente Fußballer klar, dass sie auch mit Promis kein Pardon kennt. Messi war im vergangenen Jahr wegen Steuerbetrugs zu 21 Monaten Haft verurteilt worden. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

    Polizei durchsuchte Jacht des Fußballstars

    Es ist gut möglich, dass es auch noch zu Ermittlungen gegen Ronaldos Spielerberater Jorge Mendes kommt – jenem Agenten, der als Erfinder dieses Steuervermeidungssystems gilt. Der Spiegel schrieb über ihn: "Er ist der Mann, der Spieler schwindelerregend reich macht. Aber bei dem sie auch zu Zockern werden." Inzwischen weiß man, dass sich eine ganze Reihe von Mendes’ Kunden ähnlicher Finanztricks bedienten und nun ebenfalls die spanische Steuerfahndung im Nacken sitzen haben. Dazu gehören aktuelle und ehemalige Real-Spieler wie Pepe, Fabio Coentrao oder Angel di María. Im Juni zeigte die Staatsanwaltschaft den früheren Real-Trainer José Mourinho wegen Steuerhinterziehung an. Auch gegen James Rodríguez, den Neuzugang beim FC Bayern München, wird in Spanien noch ermittelt.

    Wie auch immer das Steuerverfahren gegen Ronaldo ausgeht, die Vorwürfe dürften ihm den Urlaub gehörig vermiest haben. Als Ronaldos Jacht Mitte Juli in einer Traumbucht vor Formentera dümpelte, näherte sich ein Patrouillenschiff der spanischen Finanzpolizei. Schwerbewaffnete Beamte durchsuchten die Jacht. Auch davon gibt es Fotos – dieses Mal nicht von Ronaldo, Paparazzi haben sie geschossen. "Eine Routinekontrolle", betonten die Behörden später. Doch in der Umgebung Ronaldos sind sich manche sicher, dass dies kein Zufall war. mit dpa

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