Jeder Zweite in Deutschland (52,3 Prozent) hat schon mal im Urlaub gearbeitet, ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes YouGov im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa. Besonders "pflichtbewusst" sind demnach Männer: 57 Prozent haben sich schon mal dem Job gewidmet, wenn eigentlich abschalten angesagt war. Bei den Frauen waren es 48 Prozent. Neue Technologien wie Smartphones scheinen für den Arbeitsstress in den Ferien überraschenderweise weniger verantwortlich zu sein.
Fast jeder Vierte der Befragten (23 Prozent) räumte ein, "häufig" in der Freizeit zu arbeiten. Fast die Hälfte (46 Prozent) gab an: "hin und wieder", 13 Prozent sagten "nie". Die Vermischung von Arbeit und Freizeit beobachten Arbeitsmediziner mit Sorge, ständiger Handy-Stress könne auch zu gesundheitlichen Schäden führen, sagen sie.
Besonders schwer von der Arbeit trennen können sich die Befragten zwischen 45 und 54 Jahren: Hier gaben 60 Prozent an, schon mal im Urlaub gearbeitet zu haben. Auch zeigt die Umfrage, dass die Arbeitsbereitschaft im Urlaub mit dem Einkommen leicht steigt.
Das Strandtuch ist ausgebreitet, und plötzlich ruft der Chef an? Für 41 Prozent der befragten Berufstätigen ist es üblich, dass sich der Vorgesetzte oder die Kollegen im Urlaub mit dienstlichen Fragen oder Bitten melden. Die Urlaubsfreude trübt das bei den meisten allerdings nicht: Gut zwei Drittel (67 Prozent) gaben an, dass ihnen der Anruf oder die E-Mail noch nie die Laune verdorben hat.
Neue Technologien wie iPhone und Blackberry, mit denen man ständig E-Mails lesen und im Internet surfen kann, haben auf das Arbeitsverhalten in der Freizeit zwar einen Einfluss, jedoch ist der nicht allzu hoch: 57 Prozent der Berufstätigen gaben an, dass Smartphones nicht dazu geführt haben, im Urlaub häufiger aktiv sein zu müssen. Ein Fünftel (18 Prozent) fand dies jedoch schon. Jeder Vierte (25 Prozent) gab an, kein Smartphone zu haben.
Die Kölner Meinungsforscher hatten von Dienstag bis Donnerstag 1017 Menschen im Alter von mindestens 16 Jahren aus Deutschland befragt. Einen Teil der Fragen beantworteten nur Berufstätige.
Dass man den Arbeitsplatz mit Smartphone, Laptop und Co. quasi mit in den Urlaub oder mit nach Hause nehmen kann, muss aber nicht nur ein Nachteil sein - die Menschen sind generell nicht mehr so sehr an ein Büro gebunden und können flexibel arbeiten. Vor allem Beschäftigten in Führungspositionen bleibe manchmal nichts anderes übrig, als auch nach Feierabend oder im Urlaub per Telefon oder E-Mail erreichbar zu bleiben, sagte die Arbeitsmedizinerin Ulrike Roth vom TÜV Rheinland.
Arbeitspsychologen beobachten die Tendenz, Freizeit und Arbeit zu vermischen, generell aber mit Skepsis. Regenerationsphasen seien sehr wichtig für die Gesundheit, sagte Tim Hagemann von der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld. "Wenn die in der Freizeit und Urlaubszeit nicht mehr gegeben sind, sehe ich ganz klar die Gefahr, dass Formen von stressbedingten Krankheiten zunehmen - zum Beispiel Bluthochdruck, Burnout oder Depressionen."
Auch zwischenmenschliche Beziehungen litten darunter, wenn der eine ständig mit seinem Handy beschäftigt ist. "Wenn Menschen viel Zeit mit ihren technischen Geräten verbringen, leiden auch die sozialen Kontakte", sagte Hagemann.
Juristen betonen: Kein Arbeitnehmer muss in der Freizeit arbeiten. "Während des Urlaubs hat der Arbeitnehmer Urlaub und ist nicht verpflichtet zu arbeiten", sagte Arbeitsrechtler Michael Eckert, der auch im Vorstand des Deutschen Anwaltvereins (DAV) sitzt. "Er darf sein Handy abschalten, er darf sein Laptop abschalten, er ist nicht verpflichtet, seine E-Mails zu lesen...das ist der Grundsatz." (dpa)