Im Fall des von seiner Mutter zwei Jahre lang für Vergewaltigungen verkauften Neunjährigen läuft neben den Ermittlungen längst ein Schwarzer-Peter-Spiel der Behörden. Wer hat was versäumt? Warum wurde das Martyrium des kleinen Jungen erst so spät gestoppt? Wieso wurde der vorbestrafte Lebensgefährte der Mutter und Kopf des Pädophilenrings immer wieder aus den Augen verloren. Wer hätte das wahre Gesicht der Mutter entdecken müssen?
Welche Rolle spielte...
...das Jugendamt?
Seit Jahren hatte das Jugendamt die Familie im Blick. Dabei hatte es aber die allgemeine Entwicklung des Jungen im Auge, wie ein Sprecher des Landratsamtes berichtet. Nach ersten vagen Hinweisen der Polizei auf sexuelle Gefährdung des Schülers im März 2017 nahm das Amt ihn zeitweise in Obhut. Doch nur einen Monat. Noch bevor die Erziehungsfähigkeit der Mutter gutachterlich geprüft werden konnte, wie es das Jugendamt wollte, schickte das Familiengericht Freiburg den Jungen zurück zur Mutter. Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte diese Entscheidung - inklusive einer Auflage an die Mutter, keinen Kontakt zwischen ihrem Sohn und ihrem vorbestraften Lebensgefährten zuzulassen. Mit der Kontrolle dieses Verbots war das Jugendamt laut Landratsamt vom Gericht zu keiner Zeit beauftragt.
...das Familiengericht Freiburg?
Warum nur lehnte das Familiengericht eine längere Herausnahme des Kindes aus seiner Familie ab? Dem Jungen hätte das Martyrium seither erspart bleiben können. Das Gericht verwies auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Nach dieser müssen vor einer Trennung des Kindes von seiner Familie zunächst sanftere Maßnahmen ergriffen werden. Die Mutter bekam ihren Sohn zurück, angesichts der Vorstrafen ihres Lebensgefährten jedoch mit Auflagen. Man hielt die Mutter aber für fähig, Sorge zu tragen, dass ihr Freund die Wohnung nicht mehr betritt und nicht mit ihrem Kind zusammentrifft. Ob diese Regelung die Zustimmung des Jugendamts fand, ist eine ungeklärte Fragen. Das grausame Treiben der Mutter konnte sich wohl keiner vorstellen.
...das Oberlandesgericht Karlsruhe?
Nachdem die Mutter Beschwerde gegen das Kontaktverbot für ihren Freund zu ihrem Kind einlegte, befasste sich auch das OLG Karlsruhe mit der Familie. Im Ergebnis wurde das Familiengericht bestätigt: Die Mutter bekam ihren Sohn zurück. Nach Abstimmung mit dem Jugendamt, hieß es in einer Mitteilung, aber eben mit erwähntem Kontaktverbot. "Unter diesen Voraussetzungen hielten das Gericht und das Jugendamt eine Trennung des Kindes von der Mutter nicht für erforderlich", hieß es beim OLG zur Entscheidung der Vorinstanz. Anhaltspunkte für Missbrauch oder eine Gefährdung des Kindes durch seine Mutter selbst "lagen zum damaligen Zeitpunkt nicht vor". Die Mutter habe das Kontaktverbot akzeptiert. Gestrichen wurden jedoch weitere Auflagen für die Mutter: etwa, dass sie sich Erziehungshilfe suchen müsse.
...das Landgericht Freiburg?
Der Freund der Kindsmutter und mutmaßliche Kopf des Pädophilenrings war hier 2010 wegen sexuellen Missbrauchs zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Diese saß er ab und wurde Anfang 2014 entlassen, aber unter eine sogenannte Führungsaufsicht gestellt. Laut Landgericht wurde er angewiesen, eine ambulante Therapie mit mindestens einem Termin pro Monat bei der für ihn zuständigen Forensischen Ambulanz (FAB) oder einem Psychotherapeuten anzunehmen. Die Kontrolle oblag demnach einem Bewährungshelfer. Mit Mitte 2017 soll er regelmäßig Termine bei der FAB wahrgenommen haben - Mitte September wurden er und die Mutter des Opfers festgenommen.
...das Amtsgericht Staufen?
Das letzte Urteil gegen den heute 39-Jährigen mutmaßlichen Haupttäter stammt vom Juni 2017. Wegen Verstößen gegen das Kontaktverbot zu Kindern verurteilte ihn das Amtsgericht Staufen zu vier Monaten Haft. Jedoch wurde das Urteil nicht rechtskräftig. Über seine Berufung hat das Landgericht Freiburg noch zu entscheiden. Einschlägige Vorstrafen des heute 39-Jährigen sollen zwölf Jahre zurückreichen: Schon damals wird er überführt, kinderpornografisches Material gesammelt zu haben. Er soll versprochen haben, eine Therapie zu machen. Ob das jemals kontrolliert wurde, ist ungeklärt. (Roland Böhm, dpa)
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