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Freiburg: Frauenmorde in Freiburg: "Bei Ermittlungen ist Zeit ein Feind"

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Frauenmorde in Freiburg: "Bei Ermittlungen ist Zeit ein Feind"

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    Nach Mordfällen – wie dem der getöteten Studentin in Freiburg – arbeitet die Polizei unter Hochdruck, um verwertbare Spuren zu finden.
    Nach Mordfällen – wie dem der getöteten Studentin in Freiburg – arbeitet die Polizei unter Hochdruck, um verwertbare Spuren zu finden. Foto: Patrick Seeger, dpa

    Herr Falter, in den 80er Jahren ermittelten Sie im Fall einer Tramperin, die bei Böblingen vergewaltigt und ermordet wurde. Ist dieser Fall aufgeklärt?

    Heiko Falter: Nein, uns ist es bislang nicht gelungen, den Täter zu ermitteln. Mit jedem Jahr, das verstreicht, ist es umso schwieriger, den Mörder zu finden.

    Man geht bei Mord von einer Aufklärungsquote von 95 Prozent aus. Das ist sehr hoch. Was macht die Lösung dieses Falles denn so schwierig?

    Falter: Das Alter des Falles. Mitte der 80er Jahre war die Kriminaltechnik noch nicht auf dem heutigen Stand. Wenn man sich die damaligen Ermittlungsakten durchliest, tut es einem schon sehr weh, wenn man sieht, welche Möglichkeiten wir heute hätten. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Spur des Täters in Form einer DNA hätten, weil laut der Akte Sperma am Opfer gefunden wurde.

    Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, einen Täter zu überführen, wenn man seine DNA hat?

    Falter: Die Chancen sind gut, wenn wir die Person schon in den polizeilichen Dateien haben. Dort kommen sie hin, wenn wir sie schon einmal erkennungsdienstlich behandelt und ihre DNA-Spuren erhoben und gespeichert haben. Angewandt werden in besonderen Einzelfällen DNA-Reihenuntersuchungen bestimmter Bevölkerungsschichten. Sollte ein Treffer dabei sein, können wir die Person näher in den Fokus nehmen.

    Was reicht als Spur aus – die berühmte kleine Hautschuppe?

    Falter: Wir sind jetzt in einem Bereich, der nicht mehr sichtbar ist. Trotzdem haben wir die Möglichkeit, diese Spuren noch herauszufiltern und DNA zu erheben. So weit sind wir heute, und wir sind bestimmt noch nicht am Ende dessen, was die Wissenschaft künftig noch auf die Beine stellt.

    Wie geht die Polizei bei einem Sexualmordfall vor?

    Falter: Entscheidend ist zunächst der Fundort der Leiche. Ist es auch der Tatort? Gehen wir einmal davon aus, dass es so ist, dann macht man sich anhand der Spurenlage ein Bild davon, wie die Tat abgelaufen sein könnte. Es wird eine Hypothese gebildet, anhand derer wir uns in den Täter und seine Vorgehensweise versetzen. Dabei versucht man die Spuren am Tatort in Einklang zu bringen. Das Schwierigste ist die Menge der Spuren. Das ist der Knackpunkt bei der Spurensuche: herauszufinden, welche Spuren tatrelevant sind, welche nichts mit der Tat zu tun haben und welche fingiert wurden.

    Danach kommt dann die Auswertung, und daran sind verschiedene Disziplinen beteiligt?

    Falter: Ja, die Auswertung findet beim kriminaltechnischen Institut, in der Regel beim Landeskriminalamt, statt oder wird aufgrund der Masse auch zum Teil an Institute vergeben. Mit den Ergebnissen arbeiten wir dann in der Sonderkommission weiter.

    Wie arbeitet eine Soko?

    Falter: Sobald klar ist, dass es sich beispielsweise um einen Mord handelt, bündelt die Polizei sämtliche Ressourcen, um die Straftat schnellstmöglich aufzuklären. Der Faktor Zeit kann unser Freund, aber auch unser Feind sein. Mordfälle klären sich sehr häufig in den ersten 72 Stunden. Das zeigt ein Blick auf die vergangenen Jahre.

    Das klingt alles nach einem gewaltigen Aufwand.

    Falter: Es gilt, die Arbeit gleich zu erledigen. Das heißt, frische Spuren sofort zu nutzen. Und möglichst viele zuverlässige Informationen von einem Hinweisgeber abzugreifen. Jede Stunde, jeder Tag, jede Woche, die vergehen, bis wir an einen solchen möglichen Zeugen herantreten, könnten zur Überlagerung seiner Wahrnehmung führen. Dieser Gefahr sind wir alle bei unserer Wahrnehmung ausgesetzt. Deswegen ist der Aufwand zu Beginn sehr groß, wir erarbeiten enorm viele Überstunden. Wenn wir das nicht tun, gehen uns diese Ermittlungsergebnisse verloren. Da spielt es keine Rolle, ob Wochenende oder Feiertag anstehen.

    Heiko Falter, 50, lehrt an der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen. Davor leitete er Ermittlungen von Tötungsdelikten in Böblingen.

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