Jagd auf die Polizistenmörderin: Eine Spur führt in die Region
25 Tatorte, sechs Tote und eine Menge DNA-Material - so eine Spurenlage macht normalerweise die Arbeit für die Ermittler einfacher. Doch die Jagd nach der Polizistenmörderin von Heilbronn blieb bislang erfolglos. Eine Spur führt auch in die Region. Von Holger Sabinsky
Heilbronn/Augsburg 25 Tatorte, sechs Tote und eine Menge DNA-Material - so eine Spurenlage macht normalerweise die Arbeit für die Ermittler einfacher. Doch in diesem Fall passt nichts zusammen. Wo ist die Verbindung zwischen einer gestohlenen Gitarre und dem Mord an einer Polizistin? Einem angebissenen Keks in einem Wohnwagen und drei ermordeten Georgiern? "Dieser Fall sprengt alles bisher Dagewesene", sagt Peter Lechner von der Polizei in Heilbronn.
Seit 15 Jahren suchen Sonderkommissionen aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Österreich und Frankreich nach einer Schwerverbrecherin. Alles, was sie wissen: Sie ist eine Frau. Und eigentlich wissen sie nur, dass die DNA weiblich ist. Die Heilbronner Soko "Parkplatz" warnt schon, es könnte auch eine Frau sein, die wie ein Mann aussieht.
So jagen die Ermittler ein Phantom, eine "Frau ohne Gesicht". Es ist einer der spektakulärsten Kriminalfälle der letzten Jahre - und er zeigt, dass die einst als Wunderwaffe gegen das Verbrechen gefeierte DNA-Fahndung ihre Grenzen hat.
Die Heilbronner Soko "Parkplatz" ermittelt wegen eines Polizistenmordes. Am 25. April 2007 wurde zwei Beamten von hinten in den Kopf geschossen, während sie in ihrem Dienstwagen auf einem Parkplatz standen. Die 22-jährige Polizeimeisterin Michèle Kiesewetter starb, ihr Kollege überlebte. Nach Monaten fanden Spurensicherer die DNA einer Frau an dem Auto. Als die Erbgut-Spuren in die Datenbanken des Bundeskriminalamtes (BKA) eingegeben wurden, spuckte der Computer überraschend eine Latte von Verbrechen aus, bei denen die Spuren der Frau auftauchten. Eine führt auch in die Nähe von Augsburg.
Ein Mord an einer Rentnerin in Idar-Oberstein im Mai 1993. Ein Mord an einem Frührentner in Freiburg im März 2001. Eine Einwegspritze in Gerolstein, mit der ein Drogencocktail gespritzt wurde. Ein Wohnwagen-Einbruch in Mainz, bei dem die Reste eines Kekses hinterlassen werden. Eine Einbruchserie entlang der Inntal-Autobahn in Österreich im Herbst 2004. Und immer wurden Genspuren der "Frau ohne Gesicht" gefunden.
Vor kurzem hat die Augsburger Staatsanwaltschaft die Auslieferung zweier Slowaken aus Österreich durchgesetzt. Der 36-Jährige und der 45-Jährige sollen im südlichen Landkreis Augsburg in großem Stil hochwertige Fahrräder gestohlen haben. Im Auto der beiden Männer: die DNA-Spur der Phantom-Frau.
Und erst vergangene Woche tat sich eine Verbindung zu einem nicht minder mysteriösen Verbrechen auf: dem Mord an drei Autohändlern aus Georgien. Ende Februar waren die Leichen im Altrhein bei Mannheim gefunden worden. Die Polizei geht von einem Raubmord aus und hat zwei Verdächtige festgenommen. Einer von ihnen war V-Mann des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz, der andere ein Islamist aus Somalia. Im Auto der beiden Verdächtigen: wieder die Spur der derzeit meistgesuchten Frau Deutschlands. Einen sachlichen Zusammenhang zwischen dem Polizistenmord und dem Mord an den drei Georgiern sehen die Ermittler nicht. Doch die DNA-Spuren sind nicht wegzudiskutieren.
Ende der 90er Jahre wurde die Genanalyse nach und nach zum Routine-Instrument der Polizeiarbeit. Die zentrale DNA-Datei beim Bundeskriminalamt, die heute 672 000 Datensätze umfasst, startete 1998. Seitdem wurden immer wieder Jahrzehnte zurückliegende Fälle gelöst. Denn kein Mensch kann sich dagegen schützen, seinen genetischen Fingerabdruck zu hinterlassen. Und die Spezialisten der Polizei finden diese Mikropartikel, die praktisch zu 100 Prozent die Identität eines Menschen nachweisen.
Im Fall der "Frau ohne Gesicht" jedoch wird das Profil mit jeder neuen Spur diffuser, die Fahnder bekommen stets nur lose Enden zu fassen. Die Vielzahl der mikroskopisch kleinen DNA-Spuren hilft ihnen nicht. Sie haben zwar einen genetischen Fingerabdruck, aber keinen passenden Menschen dazu. Das Genmaterial kann theoretisch über Dritte oder Vierte an den Tatort gelangen. Wurden die Spuren absichtlich gelegt? Die Ermittler wissen es nicht. Sie wissen nur, dass die Frau in Zusammenhang mit den Verbrechen steht. Ihren Code können sie bisher nicht knacken - trotz DNA.
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