Das Fiasko geschah am 26. April dieses Jahres und dann erneut am 5. Mai. Jérôme Pineau hat die Daten, an denen es im Frühjahr gefror, so fest im Kopf, als handele es sich um wichtige Geburtstage. „Minus sechs Grad am Morgen des 26. April! Wir befürchteten eine Katastrophe für unsere Ernte.“
Zum Glück habe man sie abwenden können, sagt der Gutsverwalter der zusammengehörenden Weingüter Château Belle-Vue und Château Bolaire in Macau, knapp 20 Kilometer nördlich von Bordeaux gelegen. Der junge Mann in den schweren Arbeitsschuhen steht zwischen den heranwachsenden Reben, die Arbeit an der frischen Luft hat ihm rosige Wangen verpasst. Schier unerschöpflich ist sein Gedächtnis für die Wetterverhältnisse der Vergangenheit: Aus dem Stegreif kann er aufzählen, wann genau es während der letzten Jahre so stark gefroren hat, dass er um die Arbeit eines ganzen Jahres bangte. Und wann es wiederum so heiß und trocken war, dass eine verfrühte Reifung und ein unvollendeter Geschmack der Trauben bei der Ernte drohten. Diese Risiken nehmen zu, sagt Pineau: „Seit einigen Jahren haben wir immer öfter ungewöhnlich spät im Jahr noch Frost. Besonders schwierig war 2007, als wir etwa 85 Prozent der Ernte verloren.“
Feuer gegen die Kälte im Weinberg
Um hohe Schäden zu verhindern und die Temperatur über dem Boden zu erhöhen, machte er im April ein Strohfeuer. Benachbarte Winzer griffen zu kostspieligeren Methoden wie den Einsatz von Helikoptern, um kalte und warme Luft auszutauschen, oder gossen ihre Weinberge mit warmem Wasser.
Zahlreiche Studien stimmen darin überein, dass die Folgen des Klimawandels, der sich in zunehmenden Wetterextremen ausdrückt, das Bordelais erreicht haben, das weltweit größte zusammenhängende Gebiet für Qualitätswein. Erstmals war dies das Hauptthema bei der Weinmesse Vinexpo im Mai unter dem Motto „Handeln für einen Wandel!“. „In den vergangenen zehn Jahren haben wir mehr als zehn Millionen Euro in die Forschung darüber gesteckt“, sagte der ehemalige Präsident des Weinverbandes von Bordeaux, Allan Sichel, bei der Vinexpo. „Wir müssen unser System dringend anpassen.“
Resistente Sorten sollen dem Klimawandel trotzen
Dazu gehöre auch, bisher verbotene, aber resistentere Rebsorten zuzulassen. Vor kurzem hat die Weingewerkschaft für Bordeaux-Weine beschlossen, dass über die 13 traditionellen Rebsorten hinaus künftig sieben neue in begrenztem Ausmaß angebaut werden dürfen. Es sei eine kleine Revolution, die von der Basis kommt, versichert Bernard Farges, Präsident des Fachverbandes der Bordeaux-Weine CIVB. „Es ist kein Gesetz, das von oben aufgedrückt wird, sondern wir entscheiden und kontrollieren uns selbst.“ Die Frage sei simpel: Passt man sich dem Klimawandel an oder nicht? Diese Art Veränderungen durchzusetzen, gilt in einer Region, die so viel Wert auf ihre Traditionen legt, als ebenso heikel wie unvermeidbar.
Die Wein-Industrie ist der Hauptarbeitgeber im Département Gironde, in dem Bordeaux liegt. Von der Arbeit im Weinberg über Handelshäuser bis zur Vermarktung umfasst die Branche 7600 Unternehmen mit 32000 Jobs. Bei allen notwendigen Umstellungen gilt als entscheidend, dass der charakteristische Geschmack von Bordeaux-Wein erhalten bleibt: Rotweine müssen trocken und intensiv sein, die Weißweine fruchtig-aromatisch.