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Frankreich: Geiselnehmer tötet drei Menschen - IS reklamiert Tat für sich

Frankreich

Geiselnehmer tötet drei Menschen - IS reklamiert Tat für sich

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    Ein mutmaßlicher Terrorist hat bei Attacken und einer Geiselnahme in Südfrankreich drei Menschen getötet und weitere verletzt.
    Ein mutmaßlicher Terrorist hat bei Attacken und einer Geiselnahme in Südfrankreich drei Menschen getötet und weitere verletzt. Foto: Pascal Pavani, afp

    Ein mutmaßlicher Terrorist hat bei Attacken und einer Geiselnahme in Südfrankreich drei Menschen getötet und weitere verletzt. Die Polizei erschoss den Täter, der sich am Freitag in einem Supermarkt in dem kleinen Ort Trèbes östlich von Carcassonne verschanzt hatte. "Alles deutet darauf hin, dass es sich um einen Terroranschlag handelt", sagte Präsident Emmanuel Macron vor Journalisten beim EU-Gipfel in Brüssel. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte die Tat für sich. 

    Auch der 26-jährige Angreifer selbst hatte sich auf den IS bezogen, wie die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft von Carcassonne meldete.

    Vor der Geiselnahme brachte der Täter nach Angaben von Innenminister Gérard Collomb ein Auto in seine Gewalt. Einer der Insassen sei getötet, der andere schwer verletzt worden. Dann sei er Bereitschaftspolizisten begegnet, die gerade vom Joggen zurück gekommen seien - und eröffnete das Feuer. Ein Beamter wurde an der Schulter verletzt. Danach sei der Angreifer nach Trèbes gefahren, habe den Supermarkt betreten, sofort geschossen und zwei weitere Menschen getötet.

    Collomb sagte, der Mann habe allein gehandelt. Es handele sich um Redouane Lakdim, der wegen Drogenbesitzes und -handels polizeibekannt war. "Wir haben ihn beobachtet. Wir dachten, dass es keine Radikalisierung gibt. Er ist plötzlich zur Tat geschritten, obwohl er schon überwacht wurde." Der Sender Franceinfo berichtete, dass der Mann in einer Datenbank mit Hinweisen zur Vorbeugung von Radikalisierung verzeichnet gewesen sei. Dies wurde zunächst nicht offiziell bestätigt.

    Angreifer sei ein "Soldat des Islamischen Staates"

    Die Geiselnahme hatte gegen 11 Uhr begonnen. Die Polizei riegelte das Gelände ab, Spezialkräfte rückten an. Ein Polizist ließ sich freiwillig gegen eine Geisel austauschen - und wurde beim Zugriff schwer verletzt. Innenminister Collomb sprach von einer Heldentat. Der Beamte habe sein Telefon mit einer offenen Verbindung auf einem Tisch liegen lassen, sagte Collomb. So hätten die Einsatzkräfte hören können, was sich im Supermarkt abspielte. Als Schüsse fielen, seien sie eingeschritten. 

    Ob der Mann zuvor noch weitere Personen in seiner Gewalt hatte, blieb zunächst unklar. Eine Reihe von Menschen konnte nach Zeugenaussagen aus dem Supermarkt fliehen. Das Innenministerium hatte während der Geiselnahme auf Twitter dazu aufgerufen, den Bereich um den Supermarkt "Super U" in dem 5500-Einwohner-Ort zu meiden. Das Gebiet wurde abgeriegelt. Weil zunächst unklar war, ob der Mann allein handelte, mussten Schüler in Trèbes und Carcassonnes zunächst in ihren Schulen bleiben.

    Der Angreifer sei ein "Soldat des Islamischen Staates", meldete das IS-Sprachrohr Amak. Er habe damit auf Aufrufe reagiert, die "Staaten der Koalition" anzugreifen. Damit ist das internationale Bündnis gemeint, das unter US-Führung in Syrien und im Irak den IS bekämpft. Die Echtheit der Mitteilung ließ sich zunächst nicht bestäigen. Sie wurde aber über die üblichen Kanäle der Terrormiliz verbreitet.

    Die Pariser Staatsanwaltschaft ermittelt nach eigenen Angaben wegen Mordes und versuchten Mordes im Zusammenhang mit Terrorismus sowie wegen Freiheitsberaubung. Die Behörde ist in Frankreich zentral für alle Terrorfälle im Land zuständig. Die Staatsanwaltschaft äußerte sich zunächst nicht zum Stand der Ermittlungen.

    Frankreich war bereits mehrfach Ziel islamistischer Anschläge

    Der Geiselnehmer soll laut Medienberichten die Freilassung des Terrorverdächtigen Salah Abdeslam gefordert haben. Das meldeten die Sender BFMTV und France 2 ohne Angabe einer klaren Quelle. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür zunächst nicht. Der französische Staatsbürger Abdeslam soll zu einer Zelle der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) gehören, die die schweren Anschläge in Paris im November 2015 und in Brüssel im März 2016 verübte. Er sitzt in Frankreich in Untersuchungshaft.

    Die Geiselnahme hatte gegen 11 Uhr begonnen. Die Polizei riegelte das Gelände ab, Spezialkräfte rückten an.
    Die Geiselnahme hatte gegen 11 Uhr begonnen. Die Polizei riegelte das Gelände ab, Spezialkräfte rückten an. Foto: La Depeche Du Midi, dpa

    Europa im Visier der Attentäter: Die Anschläge der vergangenen Jahre

    Paris, 12. Mai 2018:

    Im Viertel um die Pariser Oper, einem besonders belebten im Zentrum der Stadt, greift ein Mann vorbeigehende Menschen mit einem Messer an. Dabei tötet er einen 29-Jährigen und verletzt vier weitere Personen, zwei davon schwer. Bei dem Täter handelt es sich mutmaßlich um einen 20 Jahre alten Islamisten, der in Tschetschenien geboren wurde.

    Carcassonne und Trèbes, 23. März 2018

    Bei einer Geiselnahme tötet ein 26-jähriger mutmaßlicher Islamist in einem südfranzösischen Supermarkt zwei Menschen. Danach nimmt er einen Polizist als Geisel. Später wird der Angreifer erschossen.

    Marseille, 1. Oktober 2017

    Ein Mann geht mit einem Messer auf Passanten am Bahnhof Saint-Charles los. Er ersticht zwei junge Frauen. Wenig später wird der islamistische Attentäter von französischen Soldaten erschossen.

    Barcelona. 17. August 2017

    Ein Attentäter fährt mit einem Lieferwagen durch eine Menschenmenge auf dem Boulevard La Rambla im Zentrum von Barcelona. Dabei werden 14 Menschen getötet und mindestens 118 Menschen verletzt. Auf der Flucht ersticht der Attentäter eine weitere Person.

    Hamburg, 28. Juli 2017

    Bei einer Messerattacke in einem Supermarkt im Hamburger Stadtteil Bambek-Nord stirbt ein Mensch. Sieben weitere werden zum Teil schwer verletzt.

    London, 19. Juni 2017

    Bei einem Anschlag tötet ein Mann mit einem Lieferwagen eine Person und verletzt zehn weitere Menschen nahe der Finsbury Park Moschee im Norden der britischen Hauptstadt.

    Paris, 6.Juni 2017:

    Ein Mann attackiert einen Polizisten mit einem Hammer. Auch wenn der Polizist überlebt stuft die Polizei die Attacke später als Terroranschlag ein.

    London, 3. Juni 2017:

    Ein Lieferwagen rast auf der London Bridge auf den Bürgersteig und fährt mehrere Passanten an. Anschließend springen die Attentäter heraus und greifen in einem nahegelegenen Ausgehviertel mit Messern wahllos Menschen an. Sieben Menschen werden getötet. 48 Verletzte müssen in Krankenhäuser eingeliefert werden. Die Polizei erschießt die drei Angreifer. Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) reklamiert die Tat für sich.

    Manchester, 22. Mai 2017:

    Ein Selbstmordattentäter sprengt sich am Ende eines Konzertes von US-Popstar Ariana Grande in Manchester in die Luft und reißt 22 Menschen mit in den Tod. 116 Menschen werden verletzt. Unter den Opfern sind viele Jugendliche und Kinder. Die Tat des 22-jährigen libyschstämmigen Briten Salman Abedi reklamiert die IS-Miliz für sich.

    Stockholm, 7. April 2017:

    Ein Mann rast in einem gestohlenen Lastwagen durch eine Einkaufsstraße in Stockholms Innenstadt und fährt wahllos Passanten um. Fünf Menschen sterben. Die Polizei nimmt den 39-jährigen Usbeken Rachmat Akilow fest, er gesteht die Tat. Akilow gilt als Anhänger der Dschihadistenmiliz IS.

    St. Petersburg, 3. April 2017:

    Ein Selbstmordattentäter zündet in einer fahrenden U-Bahn in der Innenstadt von St. Petersburg eine Bombe. 15 Menschen sterben. Als mutmaßlichen Täter identifizierten die Ermittler den 22-jährigen Akbarschon Dschalilow aus Kirgistan. Die Behörden gehen möglichen Verbindungen zur Dschihadistenmiliz IS nach. 

    London, 22. März 2017:

    Der mutmaßlich islamistische Attentäter Khalid Masood rast auf der Westminster-Brücke im Herzen Londons mit seinem Auto in eine Gruppe von Passanten, vier Menschen sterben. Vor dem Parlament ersticht Masood dann einen Polizisten, ehe er selbst erschossen wird. Die IS-Miliz reklamierte die Tat für sich.

    Istanbul, 1. Januar 2017:

    Kurz nach Mitternacht betritt ein Mann den Istanbuler Nachtclub "Reina" und schießt um sich. 39 Menschen, die dort den Jahreswechsel feiern wollten, werden getötet. Zwei Wochen später nimmt die Polizei den 34-jährigen Usbeken Abdulkadir Mascharipow als Hauptverdächtigen fest. Auch zu diesem Anschlag bekennt sich die Dschihadistenmiliz IS.

    Berlin, 19. Dezember 2016:

    Der Tunesier Anis Amri erschießt einen Lkw-Fahrer aus Polen, setzt sich an das Steuer des Lasters und rast in den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz. Zwölf Menschen sterben. Amri wird später von der Polizei in Mailand erschossen. Der Fall löst eine Debatte über Behördenversagen aus: Amri konnte zum Attentäter werden, obwohl er als islamistischer Gefährder auf dem Radar deutscher Sicherheitsbehörden war.

    Nizza, 14. Juli 2016:

    Der Tunesier Mohamed Lahouaiej Bouhlel rast über die Uferpromenade von Nizza, wo tausende Menschen den französischen Nationalfeiertag begehen. Erst nach einigen hundert Metern kommt der Lkw zum Stehen, 86 Menschen werden getötet. Die Polizei erschießt Bouhlel. Der IS bekennt sich zu der Tat.

    Istanbul, 28. Juni 2016:

    Drei Selbstmordattentäter sprengen sich auf dem Istanbuler Atatürk-Flughafen in die Luft, 47 Menschen werden getötet. Offiziell bekennt sich niemand zu der Tat, die Regierung macht die IS-Miliz verantwortlich. Ihren Angaben zufolge stammen die Attentäter aus Russland, Usbekistan und Kirgistan.

    Brüssel, 22. März 2016:

    Selbstmordattentäter zünden Sprengsätze am Brüsseler Flughafen und in der U-Bahn-Station Maelbeek. 32 Menschen sterben, mehr als 230 werden verletzt. Hinter den Taten steht eine Zelle des IS, die auch an den Pariser Anschlägen vier Monate zuvor beteiligt war.

    Paris, 13. November 2015:

    Frankreichs Hauptstadt wird zum Ziel einer blutigen Anschlagsserie. Insgesamt 130 Menschen werden bei Bomben- und Schusswaffenattentaten getötet. Die Attentäter nehmen die Konzerthalle Bataclan, Bars, Restaurants und ein Stadion ins Visier. Zu diesen Taten bekennt sich ebenfalls der IS. (afp. AZ)

    Frankreich war in den vergangenen Jahren mehrfach Ziel islamistischer Anschläge. Vor allem die schweren Attacken von Paris 2015 und Nizza 2016 hatten das Land schwer erschüttert. Zuletzt hatte im vergangenen Oktober ein Angreifer in Marseille zwei Frauen erstochen, auch hier hatte der IS die Tat für sich reklamiert. Die Behörden sprechen regelmäßig von einer weiterhin hohen Gefahr.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel bekundete ihre Anteilnahme. "Wir sind natürlich bei den Betroffenen und Angehörigen und sprechen ihnen aus vollem Herzen unsere Anteilnahme aus", sagte sie beim EU-Gipfel in Brüssel. "Wir stehen, wenn es um terroristische Bedrohungen geht, natürlich an der Seite Frankreichs und wo immer wir helfen und unterstützen können, werden wir das tun."  (dpa)

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