Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Frankreich: Autos raus aus dem Zentrum! Paris kämpft gegen das Verkehrschaos

Frankreich

Autos raus aus dem Zentrum! Paris kämpft gegen das Verkehrschaos

    • |
    Überall Autos: die Champs-Elysees unweit des Arc de Triomphe in Paris.
    Überall Autos: die Champs-Elysees unweit des Arc de Triomphe in Paris. Foto: Peter Kneffel, dpa (Archivfoto)

    Welcher Pariser schon etwas länger nicht mehr in der Rue de Rivoli war, der wird sie kaum wiedererkennen. Jene Straße, die vom Bastille-Platz vorbei am Louvre bis zum Concorde-Platz verläuft, gehörte bislang zu den meistbefahrenen der Stadt, es lärmte und ratterte nur so den ganzen Tag. Heute nutzen überwiegend Räder und Elektroroller die Fahrspuren. Und ein paar Taxis und Busse fahren noch. Doch es ist derart still, dass man sogar die Vögel zwitschern hört.

    Was zunächst nur für die Zeit der Coronavirus-Pandemie gelten sollte, scheint sich nun dauerhaft zu etablieren. Seit einigen Jahren schon sind zudem die unteren Seine-Ufer für den Autoverkehr gesperrt und für Flaneure, Rad- und Rollerfahrer reserviert. Schrittweise greifen auch Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge. Paris geht gegen das Verkehrschaos vor – und das wird zunehmend spürbar.

    Bürgermeisterin Anne Hidalgo nimmt sich nun das Zentrum von Paris vor

    Auch wenn sich der Wandel nicht geräuschlos vollzieht. Der Streit mit Automobilverbänden und der konservativen Opposition über ihre Maßnahmen prägte die erste Amtszeit der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Vor einem Jahr wurde die Sozialistin wiedergewählt. Ihr erklärtes Ziel: die Schaffung einer „verkehrsberuhigten Zone Paris-Zentrum und Saint-Germain“.

    Sie plant also, die ersten vier Arrondissements, das sind die Pariser Stadtbezirke – sie umfassen das Marais, die beiden Seine-Inseln und reichen fast bis zur Alten Oper – sowie einen Bereich unterhalb des Boulevard Saint-Germain auf der anderen Seite der Seine für den „Transit-Verkehr“ zu sperren. Rund die Hälfte der 180.000 Autos, die täglich durch die betroffene Zone rauschen, wären davon betroffen.

    Vom Fahrverbot ausgeschlossen sollen Anwohner, Taxis, Kranken-, Polizei- und Feuerwehrwagen bleiben, aber auch Handwerker, Händler und Lieferanten. Es stehe nicht zur Debatte, „den Verkehr ganz abzuschaffen“, sagte kürzlich David Belliard, Chef der Grünen im Stadtrat, mit denen Hidalgos Sozialisten eine Koalition bilden, beschwichtigend. Das Zentrum sei besonders gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden und nur ein Drittel der dortigen Einwohner besäßen ein eigenes Auto – gegenüber zwei Dritteln im Großraum Paris. Einer Studie der Zeitschrift The Lancet Planetary Health zufolge gehört Paris zu den vier europäischen Städten, in denen am meisten Menschen an den Folgen der hohen Luftverschmutzung sterben. Die Stadt grüner und sauberer zu machen, ist daher Hidalgos Hauptthema.

    Geplant ist in Paris eine Sperrung für den „Transit-Verkehr"

    Wurde der 61-Jährigen oft vorgeworfen, ihre Ziele ohne Absprache durchzudrücken, so bemüht sie sich nun um mehr Dialog. Im Internet können Bürger noch bis Oktober ihre Meinung etwa zu den genauen Konturen der betroffenen Zone oder zum Umgang mit Touristenbussen abgeben – grundsätzlich wird die Frage nach einem Für und Wider der Sperrungen dabei allerdings nicht gestellt.

    Amtsinhaberin Anne Hidalgo nach ihrer Wiederwahl als Bürgermeisterin von Paris.
    Amtsinhaberin Anne Hidalgo nach ihrer Wiederwahl als Bürgermeisterin von Paris. Foto: Christophe Ena, dpa/AP

    Die Pläne bringen die Opposition in Rage. So warnte die bürgerliche Stadtteilbürgermeisterin Florence Berthoud vor Verkehrsproblemen an anderer Stelle: „Dafür bezahlen werden diejenigen, die sich an der Peripherie befinden.“

    Berthouds Parteifreundin Nelly Garnier verwies auf die 900.000 Menschen, die in Normalzeiten täglich in die französische Hauptstadt pendeln: „Eine Hauptstadt lebt von tausenden Verbindungen, von Strömen, die nicht gekappt werden können.“ Durch eine Sperrung drohe das Zentrum noch touristischer zu werden, während die Außenbezirke das Nachsehen hätten.

    Es könnte auch Auswirkungen auf die ohnehin hohen Immobilienpreise im Stadtzentrum geben, glaubt Delphine Herman, Gründerin der Immobilienplattform Homelyoo: „Das wird die Zahl der Touristen erhöhen und damit das Interesse von Investoren, sich auf kleine Wohnungen zu stürzen, um diese an Urlauber zu vermieten.“

    Die Stadtverwaltung argumentiert dagegen, es gehe um eine umfassende Umgestaltung des öffentlichen Raums und die dauerhafte Senkung des Autoaufkommens. Ob Anne Hidalgo ihre zweite Amtszeit im Pariser Rathaus zu Ende bringt, erscheint derweil unklar: Im Herbst will sie entscheiden, ob sie bei der Präsidentschaftswahl 2022 antritt.

    Lesen Sie dazu auch:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden