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Forschung: Was wir mittlerweile über das Coronavirus wissen

Forschung

Was wir mittlerweile über das Coronavirus wissen

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    Diese Aufnahme des US-Forschungszentrums „National Institute of Allergy and Infectious Diseases“ zeigt eine mit Coronaviren (gelb) infizierte Zelle.
    Diese Aufnahme des US-Forschungszentrums „National Institute of Allergy and Infectious Diseases“ zeigt eine mit Coronaviren (gelb) infizierte Zelle. Foto: Niaid, dpa

    Wie tödlich ist Covid-19?

    Stand Mitte dieses Jahres sind etwas mehr als zehn Millionen Menschen auf der Erde als erkrankt registriert und eine halbe Million Menschen sind an oder mit Covid-19 gestorben. Daraus aber abzuleiten, dass fünf Prozent aller Infizierten sterben, ist bedenklich, weil es mit hoher Wahrscheinlichkeit viel mehr Infizierte gibt. Und überdies gibt es viele Verstorbene, die eben nicht an, sondern mit Covid-19 – an anderen Vorerkrankungen, zum Beispiel Krebs – gestorben sind.

    Wie verläuft die Infektion?

    In vielen Fällen verläuft Covid-19 nach einer Inkubationszeit von zumeist fünf bis sechs Tagen symptomlos. Wenn Symptome auftreten, verzeichnet man bei circa vier von fünf Fällen einen leichten Verlauf vor allem mit Fieber, trockenem Husten, Unwohlsein und Ermüdung, häufig auch mit zeitweisem Verlust des Riech- und Geschmackssinns. Die Symptome klingen in der Regel nach zwei Wochen wieder ab. Rund 20 Prozent aller Verläufe sind aber schwer, rund fünf Prozent sehr schwer bis lebensbedrohlich. In der Regel muss der Patient dann auf einer Intensivstation behandelt werden.

    Wie sehen diese sehr kritischen Verläufe aus?

    Derzeit wird ein Drei-Phasen-Verlauf diskutiert. Nach einer kurzen Infektionsphase, in der der Patient zunächst noch nicht intensivmedizinisch versorgt werden muss, folgt nach etwa fünf Tagen plötzlich eine erhebliche Verschlechterung des Zustandes. Der Patient erkrankt an einer starken Lungenentzündung und muss deshalb nicht selten beatmet werden. Danach scheint sich sein Zustand zu bessern. Doch die Ruhe ist trügerisch. Nach etwa zehn Tagen (nach Infektionsbeginn) lagert sich immer mehr Flüssigkeit in den Lungenbläschen ein.

    Patienten, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht sediert sind, können das als eine Art innerliches Ertrinken erleben. Die Möglichkeit der Sauerstoffaufnahme sinkt weiter rapide. Zugleich kommt ein fataler Prozess in Gang: der Zytokinsturm. Dabei gerät das Immunsystem, das ja eigentlich das Virus bekämpfen soll, in einen unkontrollierten, überschießenden Zustand, der den eigenen Körper schädigt und bis zu einem tödlichen Multiorganversagen führen kann. Danach wird noch eine dritte Phase skizziert.

    Was passiert in der dritten Phase?

    Falls der Patient die zweite Phase überlebt hat, beschädigt das überschießende Immunsystem immer weiter die Lunge, nun aber auch den Herzmuskel. Das ist ein Grund dafür, dass Corona-Patienten plötzlich an Herzschwäche sterben. Überdies schädigen Zytokinsturm sowie auch das sich immer weiter ausbreitende Virus weitere Organsysteme. Der Patient hat eine erheblich erhöhte Neigung zu Blutverklumpungen, also Thrombosen, die ihrerseits wieder zu Herzinfarkten oder Schlaganfällen führen können. Entstehen solche Gerinnsel in Extremitäten, können Amputationen etwa der Hände oder Finger nötig sein. Mediziner wissen inzwischen außerdem, dass manchmal auch die Nieren, die Leber oder auch das Nervensystem samt dem Gehirn befallen werden.

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    Wie lange dauert dieser Überlebenskampf?

    Etwa drei bis sechs Wochen. In dieser Zeit hängt bei vielen Patienten das Leben an einem dünnen Faden. Überlebt der Betroffene, so sind bleibende Schäden zum Beispiel in der Lunge, durch Vernarbungen und Verhärtungen des Gewebes, sogenannte Fibrosen, nicht unwahrscheinlich. Keine Kenntnisse hat man bislang darüber, ob das Virus nicht etwa unerkannt im Nervensystem verbleibt und nach Jahren wieder aktiv wird. Diese Vermutung gibt es aber.

    Welche Patienten sind besonders betroffen?

    Je älter der Patient ist und je mehr Vorerkrankungen er hat, desto gefährdeter ist er. Nichtsdestotrotz gibt es immer wieder Fälle, dass auch junge Menschen ohne Vorerkrankungen an Corona sterben. Doch das ist selten – etwa im Promillebereich. Mit zunehmenden Alter wird es dann gefährlicher. Laut Robert-Koch-Institut sterben in Deutschland in der Gruppe der 50- bis 69-jährigen Coronainfizierten 1,73 Prozent, in der Gruppe der 70- bis 89-Jährigen 18,38 Prozent und in der Gruppe der über 90-Jährigen knapp 29 Prozent.

    Warum betrifft Corona wesentlich mehr Männer als Frauen?

    Beim Sterbeverhältnis sind zu zwei Dritteln Männer betroffen. Zunächst führte man das auf die häufig ungesündere Lebensweise der Männer zurück. Das ist sicher ein Faktor. Doch heute weiß man zudem, dass das Virus über das in der Zellmembran verankerte Enzym ACE2 in die Zelle eindringt. Und Männer haben – aus unbekannten Gründen – einen höheren ACE2-Wert. Außerdem wird diskutiert, ob Frauen durch ihre hormonelle Situation – Östrogen statt Testosteron – eine bessere Immunantwort auf das Virus geben können.

    Welchen Einfluss hat die Blutgruppe?

    Einem internationalen Forscherteam um den Molekularbiologen Andre Franke von der Uni Kiel zufolge haben Menschen mit Blutgruppe A ein höheres Risiko für einen schweren Infektionsverlauf als solche mit anderen Blutgruppen. So soll ein schwerer Verlauf doppelt so häufig sein wie bei der Blutgruppe 0 (die anderen beiden Blutgruppen B und AB liegen von der Wahrscheinlichkeit her dazwischen). Warum das so ist, weiß man bislang nicht.

    Welche neuen Erkenntnisse gibt es über den Übertragungsweg?

    Das Virus wird hauptsächlich per Tröpfcheninfektion übertragen. Beim Husten oder Niesen können Partikel bis zu acht Meter weit geschleudert werden. Inzwischen mehren sich die Hinweise, dass das Virus sich etwa in geschlossenen Räumen bis zu drei Stunden infektiös in der Luft halten kann.

    Gibt es erste Hinweise, dass Medikamente helfen? Wie weit ist die Entwicklung eines Impfstoffes?

    Tatsächlich gibt es erste, zarte Hinweise. So hat etwa eine Studie aus Oxford ergeben, dass das Cortison Dexamethason den Zytokinsturm im Zaum halten und die Sterberate an Beatmungsgeräten von 40 auf 28 Prozent senken kann. Und wegen der starken Thromboseneigungen wird nun die prophylaktische Gabe von Gerinnungshemmern wie Heparin empfohlen. Hoffnungen setzt man auch auf das Mittel Remdesivir, das die Virusvermehrung hemmen soll. Eine internationale Studie mit über 1000 Teilnehmern hatte gezeigt, dass es die Zeit bis zu einer Genesung im Schnitt um vier Tage verkürzen kann – von 15 auf elf Tage. Die Sterblichkeit ging in der Untersuchung aber nur geringfügig zurück. Weiter auf sich warten lässt ein Impfstoff. Stand heute gibt es weltweit 153 Impfstoffprojekte, davon acht in Deutschland. Am weitesten im Testprozess fortgeschritten (Phase 3 von 4) sind dabei Impfstoffe der Firma Moderna (USA) und der englischen Universität Oxford mit der Firma AstraZeneca. Ihre Wirksamkeit muss sich in diesen Tests aber noch beweisen.

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