Herr Azzi, Ihr Speichel-Schnelltest soll innerhalb von Minuten Klarheit liefern – und damit auch das Zusammenleben der Menschen in dieser Corona-Krise vereinfachen. Wie sind Sie auf die Idee für den Speichel-Schnelltest gekommen?
Lorenzo Azzi: Ich arbeite im Bereich Zahnheilkunde und forsche schon seit längerem über den Speichel. Sars-CoV-2 wird vor allem per Tröpfcheninfektion übertragen. Mit Mauro Fasano, Professor für Biochemie, haben wir deshalb den Speichel-Schnelltest entwickelt. Die Methode ist hilfreich, um in der Phase der Quarantäne-Lockerungen infizierte Menschen, die aber keine Symptome aufweisen, schnell ausfindig zu machen.
Wie funktioniert der Speichel-Schnelltest genau?
Azzi: Die Methode nennt sich „lateral-flow“ und ist der eines Schwangerschaftstests ähnlich. Die Speichelprobe wird per Pipette auf einen Papierstreifen aufgetragen und fließt seitlich weiter. Bildet sich dann nur ein Streifen, ist der Test negativ. Bei zwei Streifen ist die Probe positiv. Das Ergebnis liegt in drei bis sechs Minuten vor. Der Test reagiert auf das charakteristische Spike-Protein des Coronavirus. Auch bei anderen Viruserkrankungen wie Ebola oder Zika wurden entsprechende Speicheltests entwickelt, weil in betroffenen afrikanischen Ländern nicht genügend Laborkapazitäten vorhanden sind.
Nun gibt es ja bereits zahlreiche Schnelltests, die man schon in der Apotheke kaufen kann, die sich aber in ihrer Qualität stark unterscheiden. Welche Vorteile bringt Ihr Speichel-Schnelltest?
Azzi: Antikörpertests, bei denen das Blut untersucht wird, weisen eine Infektion in der Vergangenheit nach. Sie sagen aber nichts darüber aus, ob aktuell eine Infektion vorliegt. Das liefern nur die Nasen- oder Rachenabstriche, die im Labor untersucht werden müssen. Aus logistischen Gründen ist es nicht möglich, vielen Menschen gleichzeitig diese Abstriche zu nehmen und unmittelbar ein Ergebnis zu bekommen. Die Labors haben diese Kapazitäten nicht. Manchmal dauert es Tage, bis die Ergebnisse vorliegen.
In welchen Situationen wäre der Speichel-Schnelltest hilfreich?
Azzi: Es könnten etwa alle Mitarbeiter einer Firma getestet werden, aber auch Besucher von Kinos, Theatern oder Fußballstadien. Auch in Schulen, Universitäten und natürlich in Krankenhäusern wäre eine Anwendung sinnvoll.
Wie sicher sind denn die Ergebnisse Ihrer Tests?
Azzi: Im Krankenhaus von Varese, das mit der Università degli Studi dell’Insubria kooperiert, haben wir innerhalb von zehn Tagen 140 Patienten getestet. Die Genauigkeit des Speicheltests lag bei 92 Prozent. Bei positiven Fällen sollte also immer noch ein Abstrich gemacht werden. Interessanterweise gab es einige Fälle, bei denen der Nasenabstrich negativ ausfiel, der Speicheltest aber positiv. Das deutet darauf hin, dass der Speichel besonders aufschlussreich im Hinblick auf das Vorliegen einer Corona-Infektion ist. Offenbar gibt es zahlreiche Menschen ohne Symptome, die das Virus aber im Speichel haben. Wir sollten deshalb gegenwärtig unbedingt Mundschutz tragen.
Wann kommt der Speichel-Schnelltest in den Handel?
Azzi: Wir kooperieren mit dem Labor Natrix in Reggio Emilia. Dort werden derzeit verschiedene Prototypen hergestellt, die wir dann wiederum testen müssen. Wenn es gut läuft, könnten wir in vier Wochen die notwendige Lizenz der Gesundheitsbehörden für den Gebrauch unter Aufsicht von medizinischem Personal haben. Das Interesse ist groß. Vor allem bei großen Firmen, die wieder aufmachen wollen und Gewissheit über den gesundheitlichen Zustand ihrer Mitarbeiter haben wollen.
Das heißt, der Test muss von einem Arzt gemacht werden?
Azzi: Nein, die Verwendung ist simpel. Es dauert aber wesentlich länger, eine Genehmigung für den Eigengebrauch eines solchen Tests zu bekommen. Deshalb wäre der erste Schritt, den Speichel-Schnelltest in Gegenwart von medizinischem Personal zu machen, das die Information über eine akute Infektion dann auch an die Behörden weitergibt.
Wie teuer ist der Test?
Azzi: Ein Schwangerschaftstest kostet bis zu 25 Euro. Da die Methode vergleichbar ist, gehe ich von einem Preis in dieser Größenordnung oder darunter aus.
Zur Person: Lorenzo Azzi, 34, ist Assistant Professor an der Università degli Studi dell’Insubria in Varese. Die Universität besuchen etwa 9000 Studenten. Varese ist eine 80.000-Einwohner-Stadt in der norditalienischen Region Lombardei – deren Hauptstadt ist Mailand.
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