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Folgen von Corona: Erst Corona, dann immer erschöpft: Das rätselhafte Fatigue-Symptom

Folgen von Corona

Erst Corona, dann immer erschöpft: Das rätselhafte Fatigue-Symptom

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    Wer an einem „chronischen Fatigue-Syndrom“ leidet, wird häufig langfristig arbeitsunfähig.
    Wer an einem „chronischen Fatigue-Syndrom“ leidet, wird häufig langfristig arbeitsunfähig. Foto: Christin Klose, dpa

    Die Geschichte von Lena Kortenbusch ist erschütternd: Die junge Frau von gerade einmal 30 Jahren kann seit vielen Wochen nur noch liegen, einfache Aktivitäten, wie etwa zehn Minuten als Beifahrerin im Auto unterwegs sein, führen bei ihr zu einem Gefühl massiver Überanstrengung. „Es ist wie eine heftige Grippe, bei der man erst einmal wieder zwei Stunden schlafen muss, wenn man mal eben auf der Toilette war“, berichtet sie unserer Redaktion. Die gelernte Erzieherin aus dem münsterländischen Olfen leidet an einem Fatigue-Syndrom infolge einer Corona-Erkrankung.

    Manche werden durch das chronische Fatigue-Syndrom (CFS) zu Pflegefällen

    Das besonders Schlimme ist: Möglicherweise wird sie ihren Beruf nicht mehr ausüben, vielleicht gar nicht mehr arbeiten können. „Wir lernen gerade, dass Covid-19 das Chronische Fatigue-Syndrom CFS auslösen kann“, sagt Professorin Carmen Scheibenbogen, eine der wenigen Expertinnen in Deutschland für das – noch viel zu wenig bekannte und erforschte – Syndrom. Sie leitet die Immundefekt-Ambulanz an der Berliner Charité. Scheibenbogen weiß von Fällen, in denen Menschen durch CFS sogar zu Pflegefällen wurden. Betroffen sind von CFS vor allem jüngere Menschen zwischen 15 und 40 Jahren.

    Ende Oktober 2020 hatte sich Lena Kortenbusch Corona eingefangen. Drei bis vier Tage erlebte sie Fieber, Schüttelfrost und ähnliche Grippesymptome. „Dann klang das ab, ich dachte, ich wäre wieder gesund“, erzählt die Westfälin. Doch danach ging es wieder los. Atemnot, Engegefühle in der Brust, selbst beim Treppenhinabsteigen. Im Dezember stellte sich dann massives Schwächegefühl ein. „Weihnachten konnte ich nur noch liegend verbringen.“ Anfang Januar unternahm sie einen bisher letzten Versuch, wieder in ihrem Kindergarten zu arbeiten – vergebens. Seitdem ist sie krankgeschrieben.

    Lena Kortenbusch konsultierte mehrere Ärzte, die mit ihrer Hinfälligkeit nichts anfangen konnten, wie sie sagt. Kürzlich wurde sie in der neu geschaffenen Longcovid-Ambulanz in Essen untersucht – ein Ergebnis steht noch aus.

    Erzieherin Lena Kortenbusch: "Ich weiß nicht, wo das enden soll"

    „Ich weiß nicht, wo das enden soll, es ist kein Ende in Sicht“, sagt die junge Frau verzweifelt. Sie ist alleinstehend und wohnt bei Mutter und Schwester. „Eine eigene Wohnung hätte ich jetzt eh aufgeben müssen.“ Inzwischen hat sie sich in Foren mit anderen Betroffenen ausgetauscht. „Es gibt viele, die das schon seit einem Jahr haben – und es geht nicht weg“, sagt sie.

    Woher genau kommt das Chronische Fatigue-Syndrom? Bei den meisten Erkrankten entsteht CFS im Zusammenhang mit Infektionen. „Gut untersucht ist das etwa für das Epstein-Barr-Virus“, sagt Expertin Carmen Scheibenbogen von der Charité. Auch Fälle bei Denguefieber, Grippe und inzwischen auch bei Covid-19 sind bekannt. „Es scheint so zu sein, dass durch die Infektion Immunprozesse ausgelöst werden, das Immunsystem kommt sozusagen nicht mehr zur Ruhe.“

    Betroffene haben zumeist auch Konzentrationsstörungen und Schmerzen

    Man kann CFS erst diagnostizieren, wenn neben der Erschöpfung weitere Symptome länger als sechs Monate anhalten. Dazu gehört, dass es nach einer Anstrengung zu einer Verschlimmerung der Symptome bis zum nächsten Tag kommt. Und Betroffene haben überdies immer auch schwere Konzentrationsstörungen und Schmerzen.

    Doch nach wie vor ist nicht sehr viel über CFS bekannt. Laut einer norwegischen Studie kann der Einsatz von Immunsuppressiva, also Mitteln, die das Immunsystem herunterfahren, manchmal helfen.

    Fast jeder Hundertste ist von CFS betroffen

    Etwa 0,8 Prozent der Bevölkerung sind von CFS betroffen, also fast jeder Hundertste. „Es ist also eine häufige Krankheit. Das steht im Gegensatz dazu, dass sie bis heute vielen – auch vielen Ärzten – nicht oder nicht ausreichend bekannt ist“, erklärt Carmen Scheibenbogen. Sie vermutet, dass das mit daran liegt, dass CFS früher anders in der Medizin kategorisiert wurde – etwa im Bereich Depressionen. „Der durchschnittliche CFS-Patient kann nicht mehr arbeiten, zehn bis 20 Prozent können nur noch liegen – das geht bis zur schweren Pflegebedürftigkeit.“

    Dafür, dass eher Jüngere betroffen sind, gibt es eine nachvollziehbare Erklärung: Bei Älteren ist das Immunsystem nicht mehr so stark. „Was viele nicht wissen: Wenn man CFS hat, darf man auf keinen Fall versuchen, dem Syndrom mit viel Bewegung oder gar Sport zu begegnen. Dann wird es nur noch schlimmer“, so Scheibenbogen. Sie hofft, dass die rätselhafte Erkrankung nun mehr ins öffentliche Bewusstsein rückt. Damit auch mehr Geld für ihre Erforschung und Behandlung aufgebracht wird.

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