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Flüchtlingsdrama: Pressestimmen: "Europa lässt sie sterben"

Flüchtlingsdrama

Pressestimmen: "Europa lässt sie sterben"

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    Nach dem Flüchtlingsdrama wurden erst wenige Tote geborgen. Hunderte Menschen werden noch vermisst.
    Nach dem Flüchtlingsdrama wurden erst wenige Tote geborgen. Hunderte Menschen werden noch vermisst. Foto: Ivan Consiglio dpa

    In der Nacht zum Sonntag war rund 110 Kilometer vor der Küste Libyens ein Flüchtlingsschiff gekentert. Laut UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR waren rund 700 Menschen an Bord, von denen nur 28 gerettet werden konnten. Nach Angaben eines Überlebenden befanden sich sogar 950 Flüchtlinge an Bord, darunter 50 Kinder.

    Das Unglück hatte erneut ein Schlaglicht auf die EU-Flüchtlingspolitik geworfen. In der Presse wird viel Kritik geübt. Hier die Pressestimmen.

    "Wir haben es gelernt, über die fast täglichen Nachrichten über das Leiden illegaler Migranten aus Nordafrika und dem Nahen Osten hinwegzulesen. Es betrifft uns nicht direkt. Und wenn es uns doch berührt, dann sind wir reflexartig gegen alles Andere und Fremde. Es seien Männer und Frauen wie wir, unsere Brüder, die ein besseres Leben suchten, mahnte Papst Franziskus in seinem Sonntagsgebet. Australien schickt seine Brüder und Schwestern, die ein besseres Leben suchen, auf eine isolierte Insel. Europa hat nicht einmal dazu die Kraft und lässt sie ertrinken." "Hospodarske noviny" aus Tschechien Fast 1000 Menschen sollen im Mittelmeer ertrunken sein

    Bootsflüchtlingen zu helfen und Grenzen schützen

    "Bei dieser Tragödie gibt es überall Opfer. Zuerst bei jenen, die ihr Land verlassen - Syrier, Somalier, Äthiopier, die vor Gewalt, Verfolgung und Hungersnot fliehen. Aber auch bei jenen, die sie aufnehmen - vor allem in Italien, wo die Großzügigkeit nicht über den Mangel an Mitteln hinwegtäuschen kann. Die EU ist hin- und hergerissen zwischen der Pflicht, den Bootsflüchtlingen zu helfen und der Notwendigkeit, ihre Grenzen zu schützen." "Figaro" Frankreich

    "Die Möglichkeit, mit Fähren und Luftbrücken das Sterben im Mittelmeer ganz zu stoppen, ist gänzlich unrealistisch. Die Folge wäre eine Völkerwanderung. Und in Europa wäre ein Volksaufstand garantiert. Die EU-Staaten sollten sich hingegen darauf einigen, die Herkunfts- und Transitländer stärker in die Pflicht zu nehmen. In Libyen etwa gibt es allerdings derzeit kaum noch staatliche Strukturen. Umso intensiver müsste die EU ihre Vermittlung betreiben, dass die rivalisierenden Gruppen und Milizen sich auf eine Regierung einigen. So oder so müssen die Europäer sich darauf einstellen, dass ihre südliche (und auch östliche) Nachbarschaft instabil bleiben wird." Schweizer "Tages-Anzeiger"

    "Das Grauen dieser gewaltigen menschlichen Tragödie im Mittelmeer wird weitgehend ignoriert. Britische Politiker sind auf sich selbst und auf die bevorstehenden Wahlen fixiert und die schwerfällige EU bleibt ungerührt. Es wird Jahre dauern, um die Ursachen dieser Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen. Zuerst sollten dringend die von der EU finanzierten Rettungsaktionen wieder eingeführt werden. Dann sollten, wie von den UN gefordert, Flüchtlinge legale Möglichkeiten bekommen, damit sie sich nicht mehr an Menschenhändler wenden und ihr Leben bei der Fahrt über das Mittelmeer riskieren müssen. Großbritannien und andere EU-Regierungen haben eine Verpflichtung, das Chaos im Mittelmeer zu beenden."  "Guardian" Großbritannien

    "Unheilvolle Allianz im gesetzlosen Libyen muss ausgeschaltet werden"

    "Es ist klar, dass das bisherige Herangehen hoffnungslos ist. Nach dem Stopp der Operation "Mare Nostrum", bei der die Rettung von Flüchtlingen im Vordergrund stand, haben sich nur noch mehr Unglücke ereignet. Allein erneute Rettungseinsätze und die Aufnahme aller Flüchtlinge sind aber auch keine Option angesichts eines erwarteten Zustroms von mehr als einer halben Million Migranten. Obendrein hat das Auftauchen der IS-Mörderbande in Libyen, der Brutstätte des Menschenschmuggels, die Sache verkompliziert. Europol hat seit einiger Zeit Anzeichen dafür, dass die IS-Terroristen mit den gnadenlosen Menschenschmugglern kooperieren. Diese unheilvolle Allianz im gesetzlosen Libyen muss ausgeschaltet werden, notfalls mit militärischen Mitteln." "De Telegraaf" Amsterdam

    "Auch ein neues Seerettungsprogramm nach dem Vorbild des im vergangenen Herbst eingestellten "Mare Nostrum" ist kein Allheilmittel. Dringend nötig ist es dennoch. Angesichts von deutlich mehr als 1000 Ertrunkenen allein seit Jahresbeginn gibt es dagegen auch kein schlagendes Argument - wie das fehlender Finanzen oder die Angst vor einer Mittäterschaft beim menschenverachtenden Werk der Schlepper. Doch solch ein Programm kann ohnehin nur eine Maßnahme sein. Dazu müssen weitere kommen, Vorschläge gibt es. Zum Beispiel, dass die EU Einrichtungen in Transitländern eröffnet, um zu ermöglichen, dass sich Menschen schon weit vor einer waghalsigen Fahrt übers Meer legal um Visa oder Asyl bewerben können. Auch die Suche nach Lösungen für die Krisenländer darf nicht aufgegeben werden, damit Syrer, Iraker, Libyer, Somalier irgendwann wieder eine Zukunft in ihrer Heimat haben." "Der Tagesspiegel" Berlin

    "Die Menschen kommen, kentern, und wenn wir sie nicht retten, machen wir uns unterlassener Hilfeleistung schuldig. Natürlich müsste man "die Probleme an der Wurzel anpacken". Thomas de Maizière sagt, man brauche "nicht nur eine gemeinsame europäische Strategie, sondern auch eine bessere Verzahnung der Außen-, Innen- und Entwicklungspolitik". Schön und gut. Aber Wurzeln anzupacken und Strategien zu verzahnen, dauert Jahre. Jahre mit Tausenden Toten. Kurzfristig hilft nur: Schiffe schicken, Leute retten." "Sächsische Zeitung" (Dresden)

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