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Bildung: Finnland schafft Schreibschrift in der Grundschule ab

Bildung

Finnland schafft Schreibschrift in der Grundschule ab

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    Stirbt die Schreibschrift aus?
    Stirbt die Schreibschrift aus? Foto: Patrick Pleul (dpa)

    Cornelia Funke kommt bei dem Thema ins Schwärmen: "Wenn es die Schreibschrift noch nicht gäbe, müsste man sie erfinden", sagt die Autorin der Jugendbuch-Klassiker "Tintenherz" und "Die Wilden Hühner". Sie glaube "ganz fest daran, dass die Schreibschrift für Kinder und Jugendliche ein wunderbares Mittel ist, um sich selbst zu entdecken". Zugleich fordere das Computerzeitalter offenkundig Tribut: "Wenn ich hier in Amerika, wo ich lebe, Bücher signiere, fragen die Kinder oft, was ich da für Zeichen verwende."

    Schnörkelige Tradition gegen stromlinienförmige Moderne: Die von Funke verehrte geschwungene Handschrift auf der einen Seite, nüchterne Druckbuchstaben auf der anderen - was sollen Kinder in der Grundschule lernen? Spätestens seit das in Pisa-Tests so erfolgreiche und daher zum großen Bildungs-Vorbild aufgestiegene Finnland den Übergang zu einer stark vereinfachten Schrift ab Herbst 2016 ankündigte, ist die Diskussion auch in Deutschland neu eröffnet. 

    Computer-Kompetenzen statt Schreibschrift in Finnland

    Zumal Finnland seine Reform ganz unverblümt mit den Zwängen der allgegenwärtigen Digitalisierung begründet: "Das flüssige Tippen auf einer Tastatur ist eine wichtige nationale Fähigkeit", erklärt Bildungsexpertin Minna Harmanen. Zugunsten von Computer-Kompetenzen der Kinder soll also die verbundene Schreibschrift von finnischen Lehrplänen weichen. Ähnliche Überlegungen oder Tests gibt es in den USA und in der Schweiz, wo die "Schnürli-Schrift" zur Debatte steht. 

    In Deutschland empfiehlt der Grundschulverband, Kindern im Unterricht "eine gut lesbare, leicht und flüssig schreibbare Schrift" anzubieten - eine "Grundschrift" aus Druckbuchstaben als Alternative zu den drei älteren (und komplizierteren) "Ausgangsschriften". Dagegen propagiert der Verein "Allianz für die Handschrift" das Ziel, ein "Kulturgut" zu retten. Ein Streit mit teilweise schon weltanschaulichen Zügen. 

    Die Kultusministerkonferenz (KMK) der Bundesländer behilft sich mit einem Formelkompromiss: "Schülerinnen und Schüler lernen sowohl Druckschrift als auch eine verbundene Schrift und entwickeln ihre feinmotorischen Fertigkeiten." Bis zum Ende der Jahrgangsstufe 4 sollten sich die Kinder "eine individuelle, gut lesbare und flüssige Handschrift" aneignen, heißt es in einer Mitte Juni beschlossenen KMK-Empfehlung, die manches offen lässt. 

    Handschrift fördere strukturiertes Denken

    Ein Trend zur neuen Grundschrift mit Druckbuchstaben lässt sich in mehreren Bundesländern feststellen. Aber selbst das oft als Vorreiter genannte Hamburg ist noch vorsichtig: "Die Grundschrift als einzige Schrift wird in der Regel bei Lerngruppen angewandt, die besonders schwierige soziale und Lernvoraussetzungen haben", sagt ein Sprecher der Schulbehörde. Einige Länder lassen ihren Lehrern freie Hand.

    Auch die amtierende KMK-Chefin Brunhild Kurth (CDU) will für eine traditionelle Schrift kämpfen. Denn im Gegensatz zu Buchstaben auf einem Rechner könne man Handschriftliches "nicht einfach löschen, man muss gut überlegen, bevor man schreibt. Damit wird das strukturierte Denken gefördert." Mit Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hat Kurth eine wichtige Verbündete, auch wenn Grundschul-Lehrpläne natürlich Ländersache sind. Wanka empfiehlt, dem Reform-Vorreiter aus dem hohen Norden Europas diesmal die Gefolgschaft zu verweigern: "Nicht alles, was Finnland macht, muss richtig sein."

    "Schule soll Kindern Schrift schmackhaft machen"

    Eine Umfrage unter gut 2000 Lehrern in Deutschland lieferte kürzlich weitere Argumente für das herkömmliche Schreibhandwerk: Demnach hat die Hälfte der Jungen und ein Drittel der Mädchen Probleme, die gewünschte lesbare und flüssige Handschrift zu entwickeln. Das Ergebnis: Eine "Sauklaue", die viele Lehrer kaum noch entziffern können. Der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, fordert, das Thema verstärkt in den Blick zu nehmen: "Wir benötigen mehr Förderung der Grob- und Feinmotorik schon in den Kindertagesstätten und dann in den Grundschulen."

    Ähnlich positioniert sich der Verband Bildung und Erziehung (VBE), eine der Lehrergewerkschaften: Zwar sei es in der deutschen Debatte "deutlich zu kurz gesprungen, nur die Rettung des Kulturguts Handschrift einzufordern", meint der Bundesvorsitzende Udo Beckmann. Gleichwohl solle sich auch künftig jedes Kind "den Mühen der Handschrift unterziehen". Denn die sei "ein komplexerer Vorgang als Buchstaben nur per Tastatur aneinanderreihen zu können". 

    Ilka Hoffmann, in der Bildungsgewerkschaft GEW Vorstandsmitglied für den Bereich Schule, gibt einer Radikalreform wie in Finnland ebenfalls keine Chance. "In Deutschland war es bereits ein weiter Weg, überhaupt erst einmal eine vereinfachte Schrift einzuführen", sagt sie. "Ich bin nicht dafür, dass man das Schreiben mit der Hand nun abschafft und nur noch mit der Tastatur schreibt. Schule hat immer noch den Auftrag, den Kindern Schrift schmackhaft zu machen." dpa/AZ

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