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Finale des Eurovision Song Contests: Deutschland - Lena-Land

Finale des Eurovision Song Contests

Deutschland - Lena-Land

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    Lena Meyer-Landrut und ihr Kumpel Holger bei einem Schulkonzert vor rund zwei Jahren: In der integrierten Gesamtschule Roderbruch in Hannover weisen nur noch diese beiden Fotos, ausgedruckt auf gewöhnlichem Papier, daraufhin, dass die Sängerin hier vor einem Jahr ihr Abitur machte, während sie den Eurovision Song Contest gewann.
    Lena Meyer-Landrut und ihr Kumpel Holger bei einem Schulkonzert vor rund zwei Jahren: In der integrierten Gesamtschule Roderbruch in Hannover weisen nur noch diese beiden Fotos, ausgedruckt auf gewöhnlichem Papier, daraufhin, dass die Sängerin hier vor einem Jahr ihr Abitur machte, während sie den Eurovision Song Contest gewann. Foto: Karin Seibold

    Viel ist von Lena nicht übrig geblieben. Ein Blatt Papier nur, auf dem in verblassten Farben zwei Fotos abgedruckt sind. „Es hängt“, sagt Bernd Steinkamp, „in diesem Flur dort, hinter der fünften Säule.“ Der Schulleiter der Integrierten Gesamtschule Roderbruch weist mit ausgestrecktem Arm die Richtung. An seiner Schule in Hannover hat

    Über Hintereingänge schleusten die Lehrer ihre plötzlich berühmt gewordene Schülerin in jenen Tagen ins Gebäude, um den Pulk an Reportern und Kamerateams zu überlisten. Grundschüler lauerten vor der Klassenzimmertür, um ein Autogramm oder vielleicht sogar ein Foto mit ihr zu ergattern. Für den Abi-Ball wurde das Gelände abgeriegelt, um die Presse vor dem jungen Star fernzuhalten. „Irgendwer“, erinnert sich Steinkamp, „hat es damals trotzdem geschafft, heimlich ein Video aufzunehmen und ins Internet zu stellen.“

    Am kommenden Samstag will Lena in Düsseldorf wieder auf der Bühne stehen, um ihren Titel zu verteidigen. Rund 120 Millionen Fernsehzuschauer werden sie dabei beobachten. In Hannover, wo Lena lebte, bevor und während sie berühmt wurde, interessiert das aber offenbar fast niemanden mehr. Lena ist mittlerweile nach Köln gezogen, näher hin zum Zentrum der Medienwelt und näher zu ihrem Entdecker und Mentor Stefan Raab.

    „Lena ist hier eigentlich kein Thema mehr.“

    Schulleiter Steinkamp sitzt in seinem Büro. „In diesem Jahr waren noch überhaupt keine Journalisten da“, sagt er, „Sie sind die erste“. Dann lehnt er sich in seinen Stuhl zurück und atmet hörbar ein. „Lena ist hier eigentlich kein Thema mehr.“

    Völlig überraschend hatte die 19-Jährige 2010 bei dem internationalen Musikwettbewerb Deutschland zum Sieg gesungen – erstmals nach Nicoles „Ein bisschen Frieden“, zum ersten Mal nach 28 Jahren. Vom „Lena-Wunder“ titelten daraufhin die Zeitungen und schrieben von „Lena-Manie“ und „Lenahaftigkeit“. „Grandios und traumhaft“ habe sie das gemacht, ließ der heutige Bundespräsident Christian Wulff ausrichten, und Kanzlerin Angela Merkel erklärte: „Sie ist ein wunderbarer Ausdruck des jungen Deutschlands.“ Lena ist mit dem Echo ausgezeichnet worden und mit der Goldenen Kamera.

    In der Schulaula, in der das Finale des internationalen Musikwettbewerbs im vergangenen Jahr noch auf Großleinwand übertragen wurde, sitzt jetzt eine Gruppe Zwölftklässler. „Lena“, fragt einer von ihnen und verzieht das Gesicht. „Nein“, sagt er dann, er wird sich das diesjährige Finale am Samstag nicht im Fernsehen ansehen. Auch die anderen Schüler schütteln verneinend die Köpfe.

    Sie kennen Lena „vom Sehen“

    Die meisten von ihnen kennen Lena Meyer-Landrut noch „vom Sehen“. Auf Schulveranstaltungen hat sie schon früher öfter gesungen, meistens mit ihrem Schulfreund Holger, der sie auf der Gitarre begleitete. Sie hat auch getanzt, hauptsächlich Hip-Hop, gemeinsam mit gut zwanzig anderen Tänzern in der „Showtanzcrew Link2 Dance“. Seit ihrem Sieg in Oslo sei das aber vorbei, erzählt Trainerin Kati Heininger. Sie hat Lena als „sehr nett“ in Erinnerung, sagt: „Sie ist kein gängiger Typ, schon etwas Besonderes, ein bisschen verrückt, aber auf eine gute Art.“

    Lena selbst hält sich, wenn es um ihre Person geht, seit jeher bedeckt. Nicht einmal mit den Autoren des „Lena“-Buches, das der Heyne-Verlag nach ihrem Sieg herausbrachte, hat sie gesprochen. Nach Rücksprache mit der Rechtsabteilung des Verlages haben Michael Fuchs-Gamböck und Thorsten Schatz das Buch trotzdem geschrieben. Weil Lena Meyer-Landrut durch ihren Sieg zu einem Stück Geschichte geworden ist. „Und solang da kein Unsinn drinsteht, kann niemand etwas gegen so ein Buch machen“, sagt Fuchs-Gamböck. Er habe, erzählt er, der Sängerin ein Exemplar zugeschickt. Sie hat nie darauf reagiert.

    Auch jetzt, eine Woche vor ihrem zweiten großen Auftritt beim Eurovision Song Contest, versucht Lena, Journalisten zu meiden. Bei Pressekonferenzen bestehe die Möglichkeit, „Fragen zu stellen“, teilt ihre Sprecherin in einer E-Mail mit. Fragen nach ihrem Privatleben beantwortet Lena aber ohnehin seit jeher nur mit frechen Sprüchen, erklärt etwa, sie sei schon „achtmal zwangsverheiratet“ gewesen.

    Dafür meldet sich ihre Verwandtschaft zu Wort – und gewährt so doch einen Blick in die Lena-Welt, die weniger heil ist, als sie scheint. Sollte sie am Samstag beim diesjährigen Musikwettbewerb verlieren, sei sie „immer noch die Gewinnerin der Herzen“, lassen sich ihre beiden Stiefbrüder Monty (13) und Poul (17) von der Illustrierten Bunte zitieren. Und deren Mutter Daniela, die „ab und zu“ mit Lenas Mutter telefoniert, lässt über das Blatt ausrichten: „Wir haben angedacht, dass sich unsere Kinder nach dem Finale des Eurovision Song Contest treffen, wenn Lena wieder mehr Zeit hat.“

    Kein Kontakt zu ihrem Vater

    Denn die 19-Jährige soll ihre beiden Stiefbrüder noch nie gesehen haben, und auch zu ihrem gemeinsamen Vater Ladislas Meyer-Landrut hat sie seit 17 Jahren keinen Kontakt. Der hat sich, so berichtet die Bild, von Lenas Mutter getrennt, als das Mädchen zwei Jahre alt war. Erst als er sein Kind singend im Fernsehen sah, tauchte er wieder aus der Versenkung auf. Um Neuigkeiten von Lena zu erfahren, erzählt er in der Bunten, klicke er jetzt regelmäßig ihre Webseite im Internet an. Und er sagt: „Lena soll sich nicht verpflichtet fühlen gegenüber einem Mann, der ihr kein Vater war.“

    Nach der Trennung der Eltern lebte das Mädchen mit seiner Mutter in Misburg, einem unscheinbaren Stadtteil im Osten Hannovers. Backsteinhäuser mit spitzen Dächern und Wohnanlagen reihen sich hier aneinander. In den Hinterhöfen schaukeln Kinder auf Gemeinschaftsspielplätzen, Jugendliche liefern sich Wettbewerbe an Allwetter-Tischtennisplatten.

    In den ersten Jahren bewohnten Lena und ihre Mutter eine kleine Wohnung im sechsten Stock solch einer großen Wohnanlage. „Die meiste Zeit war sie aber sowieso bei der Oma“, weiß die Frau des Hausmeisters. „Einfach ein Mädchen“ sei Lena gewesen, mehr gebe es dazu nicht zu sagen. Dann schließt sich die Haustür.

    Auch ein paar Straßen weiter, im Kindergarten St. Martin, will man sich zu seinem berühmtesten Sprössling nicht äußern. Zwischen den Türen zu „Igelgruppe“ und „Gruppe Hase“, wo noch vor einem Jahr Lena-Plakate und Zeichnungen klebten, hängen jetzt nur noch der Terminplan für Sommer-Schwimmkurse und ein Zettel, auf dem irgendwer einen Radanhänger verkaufen will.

    „Keine Lust mehr auf diesen Firlefanz“

    Er habe „keine Lust mehr auf diesen Firlefanz“, sagt auch Lenas einstiger Friseur Florian Resech vom „Salon Flori“. Noch vor einem Jahr hatte er den Reportern erzählt, dass er dem Star früher die Spitzen geschnitten hatte – für 7,90 Euro. „Damals war sie noch schüchtern, aber immer eine ganz Liebe“, sagte Resech. Heute sagt er nichts mehr. Und auf die Frage, ob er glaubt, dass die Titelverteidigung gelingen kann, zuckt er mit den Schultern.

    „Das wird höchstens ein Platz irgendwo im Mittelfeld“, sagt der Autor Michael Fuchs-Gamböck. „Ob das eine gute Idee war, noch mal anzutreten? Dazu möchte ich lieber nichts sagen,“ sagt Tanzlehrerin Kati Heininger. „Kein Kommentar“, sagt auch Schulleiter Bernd Steinkamp auf diese Frage. Die Zwölftklässler schütteln die Köpfe.

    Hinter einer großen Glasfassade neben der Aula haben die Schüler den „Künstler des Jahres“ gekürt. Es ist der Maler Paul Klee. Die Filmleinwand, die 2010 aufgebaut war, steht jetzt zusammengerollt in einem Abstellraum. Der Eurovision Song Contest wird in diesem Jahr an der Schule nicht mehr übertragen.

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