„Nein, Deutschlehrer haben wir mehr als genug. Die ganzen Rentner rennen uns hier die Bude ein“, sagt der Leiter des Flüchtlingsheimes in freundlichem, aber bestimmten Ton. So hatte sich das Angelika Hartmann (Senta Berger) nicht vorgestellt. Die ehemalige Schuldirektorin wollte helfen und Gutes tun, wo sie am Morgen die arme Maus schon nicht vor dem tödlichen Zugriff der Katze retten konnte. Sie solle endlich einsehen, dass sie nicht die ganze Welt retten könne, hatte ihr Mann Richard (Heiner Lauterbach) vom Balkon der Münchner Stadtrandvilla heruntergespöttelt.
Aber ganz so selbstlos ist Angelikas Helferwunsch nun auch nicht. Seit ihrer Pensionierung macht sich eine große Leere in ihrem Leben breit, die sie zunehmend mit gutem Rotwein zu füllen versucht. Die Kinder – Sohnemann Philip (Florian David Fitz), ein Workaholic, Tochter Sophie (Palina Rojinski), eine Dauerstudentin – sind längst aus dem viel zu großen Haus. Ehemann Richard scheint bis zum Umfallen an seinem Chefarztposten festhalten zu wollen, lässt sich beim Schönheitschirurgen die Augenfalten wegspritzen und hat neuerdings sogar einen Facebook-Account.
"Willkommen bei den Hartmanns" macht den Umgang mit der Flüchtlingskrise zur Komödie
Als Angelika beim Familienessen verkündet, dass sie einen Flüchtling im Haus aufnehmen will, legt Richard mit großer patriarchaler Geste und ohne Erfolg sein Veto ein. Die Wahl fällt schließlich auf den jungen Nigerianer Diallo (Eric Kabongo), der mit neugierigem Blick die dysfunktionalen Familienverhältnisse der Hartmanns erkundet.
Kaum mehr als ein Jahr nach Merkels „Wir schaffen das“ macht Simon Verhoevens „Willkommen bei den Hartmanns“ den Umgang der Deutschen mit der Flüchtlingskrise zum Gegenstand einer Komödie. Angesichts der Situation im Lande ist vielen Menschen das Lachen vergangen – und vielleicht ist das gerade der beste Grund für eine komödiantische Herangehensweise.
Verhoeven nähert sich dem Thema mit einer scheinbar sorglosen Attitüde, die ihm sicherlich viele zum Vorwurf machen werden. Sein Film nimmt die Wohlstandsperspektive der Münchner oberen Mittelklasse ein, die keine anderen Sorgen hat außer sich selbst. Zum gutbürgerlichen Familienchaos bietet der Nigerianer Diallo, der vor dem islamistischen Terror der Boko Haram nach Deutschland geflüchtet ist, einen starken Kontrast.
"Willkommen bei den Hartmanns" will es nicht allen recht machen
Verhoeven inszeniert den Zusammenprall der Kulturen jedoch in einem abgesicherten Modus. Die Figur des Flüchtlings wird zum Katalysator im zerrütteten Familiengefüge und verschiebt angesichts ihres sehr viel realeren und tragischeren Schicksals die selbstbespiegelnde Problemperspektive der Hartmanns. Dieses Verfahren entspricht sicherlich nicht den Standards politisch korrekter Reinheitsgebote.
Obwohl „Willkommen bei den Hartmanns“ in seiner Machart auf ein breites Publikum ausgelegt ist, will, kann und wird diese Komödie es nicht allen recht machen. Verhoeven stürzt sich mitten hinein in den widersprüchlichen emotionalen Zustand des Landes und zeigt die bizarren Effekte, die beim Aufeinanderprallen bundesdeutscher Luxusprobleme und Flüchtlingsschicksale freigesetzt werden. Er tut dies ohne moralische Wertungen und politische Posen, sondern mit einer offensiven Leichtigkeit, die dem gesellschaftlichen Diskurs abhandengekommen ist. Dabei findet sein Film im humoristischen Getümmel Zeit, Raum und eine prägnante Form für die Darstellung der traumatischen Fluchterlebnisse, die über eine bloße Alibifunktion hinausgeht.
Film-Kritik: "Willkommen bei den Hartmanns" ist ein guter Anfang
Aber auch als Komödie spielt „Willkommen bei den Hartmanns“ mit schnellen Pointen immer wieder die realpolitischen Verhältnisse an, macht Anleihen beim politisch-inkorrekten Humor von „Monsieur Claude“ und spürt die komischen Dissonanzen zwischen Mitgefühl und kultureller Ignoranz in der bundesdeutschen Willkommenskultur auf. Das alles hätte sicherlich sehr viel schärfer und satirischer formuliert werden können – und es wird hoffentlich noch andere, bissigere Komödien zu diesem Thema geben. Aber mit „Willkommen bei den Hartmanns“ ist schon einmal ein guter Anfang gemacht. ****
Filmstart in vielen Kinos der Region.