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Feuer in Paris: 15 bis 30 Minuten später wäre Notre-Dame verloren gewesen

Feuer in Paris

15 bis 30 Minuten später wäre Notre-Dame verloren gewesen

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    Die verkohlte Fassade der Pariser Kathedrale Notre-Dame.
    Die verkohlte Fassade der Pariser Kathedrale Notre-Dame. Foto: Marcel Kusch, dpa

    Kommt die Rede auf Notre-Dame, steigen Laurence die Tränen in die Augen und es fehlen ihr die Worte. „Was soll ich sagen…“, fängt sie an. „Es ist traurig. Wirklich sehr traurig.“ Die Kathedrale sei für sie „wie ein Familienmitglied“ und es tue ihr im Herzen weh, sie nun seit dem Brand am Montagabend so angeschlagen, halb zerstört zu sehen. Verstohlen putzt sie sich die Nase.

    Seit 40 Jahren verbringt die Bouquinistin, wie die Händler mit ihren Verkaufsständen von Büchern, Postern, Postkarten und Souvenirs an den Ufern der Seine heißen, fast jeden Tag schräg gegenüber der Pariser Stadtinsel Île de la Cité, auf der das mehr als 850 Jahre alte Monument steht, und verkauft ihre Ware. Schon ihr Vater, erzählt Laurence, übte diesen Beruf aus. Er lebt nun auf dem Land und habe am Telefon geweint, nachdem er die Bilder der brennenden Kathedrale gesehen habe. Auch Laurence selbst saß mit ihrem Sohn, ebenfalls ein Bouquinist, während des Unglücks fassungslos vor dem Fernseher. „Als ich Feierabend machte, war es nur eine kleine Rauchschwade und ich dachte mir noch nicht allzu viel dabei.“ Sie zeigt ein Foto davon auf ihrem Handy. „Und dann wurden die Flammen immer heftiger! Wir fürchteten den kompletten Zusammenbruch.“

    Beim Kampf um die Hauptstruktur kam es auf 15 bis 30 Minuten an

    Inzwischen ist bekannt, dass das beinahe passiert wäre. Dem Staatssekretär für innere Sicherheit, Laurent Nuñez, zufolge kam es beim Kampf um die Hauptstruktur der Kathedrale auf 15 bis 30 Minuten an: „Etwa 20 Feuerwehrleute gingen unter Lebensgefahr in die Zwillingstürme, um den Brandherd von innen zu bekämpfen, was ermöglicht hat, das Gebäude zu retten.“ Am Mittwoch befanden sich laut Feuerwehr-Sprecher Gabriel Plus noch rund 60 Einsatzkräfte im Inneren der Kathedrale, um das Gerüst und potenzielle neue Brandherde zu überwachen sowie um die Experten und Architekten zu begleiten, die den Zustand des Bauwerks und der darin befindlichen Schätze prüfen.

    Weiterhin sperrt die Polizei den Bereich um den Sakralbau ab, dem der Dachstuhl aus Holz und der charakteristische Spitzturm fehlen. Noch ist es für eine komplette Bilanz zu früh, doch man weiß, dass rund 100 Gemälde und Reliquien gerettet werden konnten und auch die berühmten Rosettenfenster standhielten. Als kleines Wunder gilt, dass der Hahn, der auf dem Spitzturm thronte, in den Trümmern gefunden wurde.

    Notre-Dame war das meistbesuchte Monument Europas

    Nun tummeln sich noch mehr Touristen als sonst am gegenüberliegenden Ufer und halten ihre Handykameras auf die Kathedrale, die mit jährlich rund 13 Millionen Gästen das meistbesuchte Monument Europas war. „Dank Notre-Dame haben wir Arbeit, denn wir leben hauptsächlich von den Touristen“, sagt Fatma, Kellnerin im Restaurant „L’Auberge Notre-Dame“, dessen Terrasse einen großzügigen Blick auf die Kathedrale erlaubt. „Seit Montagabend kommen sie auch weiterhin. Wir hoffen natürlich alle, dass Notre-Dame schnell wieder neu errichtet wird.“

    Das hat Präsident Emmanuel Macron bei einer kurzen Ansprache am Dienstagabend angekündigt. Noch schöner solle Notre-Dame werden, und das binnen weniger Jahre. Experten zweifeln daran. Denn: Es handele sich um eine komplizierte Baustelle. Auch erscheint unklar, ob es sich um einen originalgetreuen Wiederaufbau handeln soll oder ob „modernere“ Elemente mit eingearbeitet werden. Die Handwerksorganisation „Compagnons du devoir“ warnte bereits, der große Bedarf an Steinmetzen, Dachdeckern und Zimmerern könne schwer gedeckt werden. Premierminister Édouard Philippe kündigte am Mittwoch an, einen internationalen Architektenwettbewerb zum Wiederaufbau des Spitzturms zu organisieren und schon nächste Woche ein Gesetzesprojekt vorzustellen, das den Spenden einen legalen Rahmen verleihe. Privatspender, die bis zu 1000 Euro geben, dürften demnach 75 statt 66 Prozent von der Steuer absetzen. Innerhalb von nur zwei Tagen war in verschiedene Spendenfonds fast eine Milliarde Euro eingegangen.

    Kunsthistoriker sieht die Wiederaufbau-Pläne mit Skepsis

    Der Kunsthistoriker Stephan Albrecht von der Bamberger Otto-Friedrich-Universität sieht die Wiederaufbau-Pläne mit Skepsis. Er wies darauf hin, dass etwa der Dachstuhl auf eine Holzkonstruktion aus dem 13. Jahrhundert zurückgehe, deren Baupläne nicht mehr verfügbar seien. „Es gibt nur vage Zeichnungen, wie das ausgesehen hat“, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. Er könne sich daher nicht vorstellen, dass der Dachstuhl wieder aus Holz aufgebaut wird.

    Was die Suche nach der Brandursache angeht, gab es am Mittwoch nichts Neues. Die Pariser Staatsanwaltschaft geht von einem Unfall aus und nicht von einer „vorsätzlichen Tat“. Daher würden Zeugen befragt, darunter Arbeiter, die vor dem Feuer an Renovierungsarbeiten beteiligt waren.

    Am Mittwoch um 18.50 Uhr wurde die Bouquinistin Laurence erneut an den Grund für ihre Traurigkeit erinnert. Wie Franzosen im ganzen Land: Zum Zeichen der Solidarität läuteten die Glocken aller französischen Kathedralen. Um diese Zeit war am Montag der Brand entdeckt worden.

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