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Festnahme in Zwickau: Andre E. und die Neonazi-Gruppe

Festnahme in Zwickau

Andre E. und die Neonazi-Gruppe

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    Der 32 Jahre alte Andre E. (M) aus Sachsen wird zu einem Haftprüfungstermin beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe gebracht. Foto: Uli Deck dpa
    Der 32 Jahre alte Andre E. (M) aus Sachsen wird zu einem Haftprüfungstermin beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe gebracht. Foto: Uli Deck dpa

    Der Name Andre E. wird schon seit Tagen in zahlreichen Medienberichten im Zusammenhang mit der Zwickauer Terrorgruppe genannt. Nachdem der Bundesgerichtshof am Mittwoch einen Haftbefehl erlassen hatte, ließ die Bundesanwaltschaft E. am Donnerstagmorgen festnehmen. Der 32-Jährige soll die terroristische Vereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) unterstützt haben.

    In seiner Wohnung im brandenburgischen Landkreis Potsdam-Mittelmark spürten ihn Mitglieder der Elitetruppe GSG 9 auf. E. soll nach Erkenntnissen der Ermittler seit 2003 engen Kontakt zu den Mitgliedern der NSU gehabt haben. Der Propagandafilm, in dem sich die Gruppe zu den Morden an türkischen und griechischen Kleinunternehmern sowie einer Polizistin aus Heilbronn bekennt, soll von dem 32-Jährigen hergestellt worden sein. Außerdem steht E. im Verdacht, die Terrorgruppe logistisch unterstützt zu haben. Die Ermittler gehen davon aus, dass er im Mai 2009 für Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe Bahncards besorgt hat, die auf seinen sowie den Namen seiner Frau ausgestellt waren.

    Spur führt nach Sachsen

    Die Zwickauer Terrorzelle - Chronologie der Ereignisse

    Freitag, 4. November: Am Vormittag überfallen zwei Männer eine Bank im thüringischen Eisenach und fliehen. Während der Fahndung stoßen Polizisten auf zwei Leichen in einem Wohnmobil. Beamte hatten Hinweise erhalten, dass ein Caravan bei dem Überfall eine Rolle gespielt haben könnte.

    Samstag, 5. November: Ermittler untersuchen die Schusswaffen, die in dem Wohnmobil gefunden wurden.

    Montag, 7. November: Unter den Pistolen im Wohnwagen sind die Dienstwaffen der im April 2007 in Heilbronn getöteten Polizistin Michele Kiesewetter und ihres schwer verletzten Kollegen. Die später identifizierten Männer Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, deren Leichen entdeckt wurden, sollen den Banküberfall begangen haben. Sie sollen zusammen mit einer Frau in einer Wohnung in Zwickau gelebt haben, die wenige Stunden nach dem Banküberfall explodiert war. Nach der Frau, Beate Zschäpe, wird gefahndet.

    Dienstag, 8. November: Die bundesweit gesuchte Beate Zschäpe stellt sich der Polizei in Jena. Spekulationen kommen auf, dass die mutmaßlichen Bankräuber eine Verbindung in die Neonazi-Szene gehabt haben könnten. Sie und die verdächtige Frau sollen in Thüringen als rechtsextreme Bombenbauer in Erscheinung getreten sein.

    Mittwoch, 9. November: Zschäpe sitzt in U-Haft und schweigt. Nach Aussage von Thüringens Innenminister Jörg Geibert hatten die Männer bis 1998 Verbindungen zum rechtsextremen Thüringer Heimatschutz - danach jedoch nicht mehr. Polizei und Staatsanwaltschaft in Sachsen machen die Frau zunächst nur für die Explosion des Wohnhauses in Zwickau verantwortlich.

    Donnerstag, 10. November: In den Trümmern des abgebrannten Hauses in Zwickau werden weitere Schusswaffen gefunden.

    Freitag, 11. November: Es ist die spektakuläre Wende in dem Fall: Unter den Waffen ist die Pistole, mit der zwischen 2000 und 2006 neun Kleinunternehmer erschossen wurden - Türken, ein Grieche und Deutsche mit Migrationshintergrund. Außerdem entdecken Fahnder rechtsextreme Propaganda-Videos. Diese beziehen sich auf eine Gruppierung mit dem Namen Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) und enthalten Bezüge zur Mordserie. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe übernimmt die Ermittlungen.

    Sonntag, 13. November: Die Bundesanwaltschaft geht erstmals ausdrücklich von Rechtsterrorismus aus. Der Bundesgerichtshof erlässt  Haftbefehl gegen Zschäpe wegen des dringenden Tatverdachts «der Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung». In Lauenau bei Hannover wird ein mutmaßlicher Komplize festgenommen. Holger G. soll dem Neonazi-Trio 2007 seinen Führerschein und vor etwa vier Monaten seinen Reisepass zur Verfügung gestellt haben. Die Rolle des Verfassungsschutzes in dem Fall ist unklar. Politiker fragen, warum die Rechtsextremen, die unter Beobachtung standen und schon 1998 in Jena als Bombenbauer auffielen, so lange unbehelligt blieben.

    Montag, 14. November: Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger sagt, die Strukturen des Verfassungsschutzes sollten auf den Prüfstand gestellt werden. Ihre Frage: «Was mich wirklich umtreibt, ist: Gibt es ein fester gefügtes rechtsextremistisches Netzwerk in Deutschland als bisher angenommen wurde?».

    Donnerstag, 17. November: Der hessische Verfassungsschutz dementiert einen Bericht, ein 2006 suspendierter Mitarbeiter habe einen V-Mann beim rechtsextremen Thüringer Heimatschutz geführt. Der Verfassungsschützer war 2006 in einem Internetcafé in Kassel gewesen, kurz bevor dort die tödlichen Schüsse auf den türkischstämmigen Betreiber fielen.

    Freitag, 18. November: Die Terrorzelle ist möglicherweise größer als bisher bekannt. Ermittler haben zwei weitere Personen im Visier. Sie sollen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe unterstützt haben. Nach mehreren Ermittlungspannen in der Vergangenheit wollen Bund und Länder mit besseren Strukturen auf den über Jahre unentdeckten rechtsextremistischen Terror reagieren.

    Dienstag, 29. November: Fahnder nehmen den früheren NPD-Funktionär Ralf W. fest. Er soll ein weiterer mutmaßlicher Unterstützer der terroristischen Vereinigung «Nationalistischer Untergrund» (NSU) sein.

    E. wurde am Donnerstag in Brandenburg festgenommen, doch seine Spur führt vor allem nach Sachsen. Nach Angaben der sächsischen Linke-Abgeordneten Kerstin Köditz soll der 32-Jährige zunächst in Johanngeorgenstadt gelebt und dort der rechten Gruppierung "Brigade Ost" angehört haben. Später sei er mit seiner Ehefrau Susann E. nach Zwickau gezogen. Dort lebten auch die mutmaßlichen Neonazi-Mörder. Eine Mitarbeiterin der Opferberatungsstelle RAA Sachsen sagte, dass E. zusammen mit seinem Bruder Maik und weiteren Anhängern in

    Maik E. wohnt mittlerweile in Brandenburg und ist beim dortigen Verfassungsschutz bekannt. Im Jahresbericht 2010 wird er als Leiter der Potsdamer NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" geführt. Angaben dazu, ob Andre E. beim sächsischen

    Auf den Namen von Andre E. sind im Internet mindestens zwei Domains angemeldet, die aber abgeschaltet sind. Bei der Anmeldung der Internetseiten hat der 32-Jährige nicht nur seinen Namen, sondern auch die Firma "AE-Montageservice" angegeben. Medienberichten zufolge handelt es sich um eine Firma für die Montage von Solarzellen. Darüber hinaus soll E. auch die Firma "Aemedig" betrieben haben, die sich auf die digitale Verarbeitung von Videos und Filmen spezialisiert hat.

    Ein Handzettel dieser Firma soll in den Trümmern des explodierten Wohnhauses der Terrorgruppe gefunden worden sein, berichtete das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Der 32-Jährige wurde am Mittag per Hubschrauber nach Karlsruhe gebracht und dort dem Ermittlungsrichter vorgeführt. (dapd)

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