Anna Blomeier kann sogar spontan die Titelmelodie der alten „Miss Marple“-Filme singen. Die neue Kommissarin „Esther Rubens“, die seit Mitte Mai Christian Berkel als „Kriminalist“ bei seinen Ermittlungen unterstützt, bringt frischen Wind in den fast ausschließlich von Männern dominierten Krimi-Freitag des ZDF – sieht man von Kathi Böhms „Chefin“ ab.
Es ist ein Zufall, dass der Einstieg Blomeiers im ZDF mit dem Bekanntwerden des Ausstiegs einer anderen jungen Ermittlerin zusammenfiel: Anna Maria Sturm wird nicht mehr an der Seite von Matthias Brandt im bayerischen „Polizeiruf 110“ für Spontaneität und Gefühle verantwortlich sein. Sie wolle endlich weg von der Rolle des bayerischen Mädchens und da sei ihr die Kommissarin „Anna Burnhauser“ im Weg, lässt Sturm zur Begründung wissen.
Matthias Brandt soll in Zukunft allein auf Verbrecherjagd gehen
In der zuständigenBR-Redaktion bedauert man die Entscheidung, macht aber auch klar, dass die junge Ermittlerin nie auf Augenhöhe mit ihrem männlichen Kollegen war. „Wir sind froh, dass wir Brandt haben“, lautet die Ansage. Der bekommt in Zukunft nur noch „bei Bedarf“ jemanden an die Seite gestellt. Beim BR ist man sich bewusst, dass „weibliche Ermittlerinnen bei uns in ,Tatort‘ und ,Polizeiruf‘ unterrepräsentiert sind“.
Traurig ist man deswegen nicht gerade – vielleicht weil viele junge Ermittlerinnen zurzeit den Bildschirm stürmen. In Dortmund ermitteln Aylin Tezel und Anna Schudt. Kommissar „Borowski“ hatte es jüngst gleich mit zwei Co-Kommissarinnen zu tun, davor bestach Maria Simon mit ihrer selbstbewusst-lässigen Art als „Olga Lenski“ im „Polizeiruf 110“ des RBB. Und ihre Kollegin Anneke Kim Sarnau findet sogar unter den anderen TV-Ermittlerinnen Fans.
Anna Blomeier aus Konstanz zum Beispiel. „Ich war früher ein großer ,Miss Marple‘-Fan, dann kam Hannelore Elsner als ,Die Kommissarin‘ und heute schau ich gern den Rostocker ,Polizeiruf‘: Anneke Kim Sarnau und Charlie Hübner spielen unaufdringlich, haben immer einen Konflikt miteinander und agieren doch normal“, sagt sie. Das klingt fast wie die Stellenbeschreibung zu Blomeiers aktuellem ZDF-Job als Kommissarin „Rubens“. Die sei „selbstbewusst im Beruf, geht gern einen unbequemen Weg, nervt oft andere und dabei geht es ihr nur um die Sache“. Das hört sich – allen Quotendiskussionen für Frauen in Führungsetagen zum Trotz – nach unaufgeregter Normalität im ewigen Geschlechterkampf an.
Hannelore Elsner zeigte die ARD 1990 am Vorabend
Vorbei die Zeiten, als der „Tatort“ noch eine reine Männerdomäne war. Karin Anselm als Kommissarin „Hanne Wiegand“ musste 1981 noch damit zurechtkommen, dass ihr zerbrechliches Äußeres so wenig mit ihrem „harten“ Beruf harmonieren wollte. Erst Hannelore Elsner entwickelte nach ihr 1990 den Prototyp der selbstbewussten und eleganten Kommissarin „Lea Sommer“. Die ARD versteckte diesen Schatz allerdings im Vorabendprogramm. Aber der Boden war nun bereitet für die vielen verschiedenen Frauentypen, die im Fernsehen auf Verbrecherjagd gehen durften und schließlich auch den Männern zeigten, wo’s langgeht.
Trotz oft schwacher Drehbücher avancierte Ulrike Folkerts zur dienstältesten „Tatort“-Kommissarin. Und Maria Furtwängler ist die Quotenqueen. Möglich, dass das an der immer durchscheinenden Verletzlichkeit trotz aller Kühle der von ihr gespielten „Charlotte Lindholm“ liegt.
"Mann und Frau ergänzen sich doch so gut"
Hannelore Hoger trauert dagegen Nina Kunzendorf an der Seite Joachim Krols im Frankfurter „Tatort“ nach. „Mann und Frau ergänzen sich doch so gut“, sagt sie – nicht ohne ironischen Unterton. Sie musste in ihrer „Bella Block“-Karriere immer wieder ihre mitermittelnden „Kerle“ abgeben, sagt sie. Devid Striesow versucht sich nun im Saarbrücker „Tatort“ und Rudolf Kowalski ermittelte als „Stolberg“ im ZDF alleine weiter.
Ihre weiteren „Bella Block“-Folgen wird sie solo bestreiten müssen. Dem Hype um die weiblichen Ermittlerinnen begegnet die Hamburgerin dennoch ganz nüchtern: „Frauen sind nicht besser. Wir sind aber verschieden, weil wir eine andere Sozialisation haben“, sagt sie und verweist auf die Macht der Drehbuchautoren, „die ja so eine Figur erfinden“.
Einen Unterschied zu den männlichen Kollegen lässt Hoger aber gelten: „Ich benutze seltener einen Revolver.“ Sie selbst habe sich früher gern die französischen Krimis angesehen. Heute stehe ihr der Sinn nach einem „spannenden Thriller“. Mal sehen, ob die „Block“-Autoren der Hoger diesen Wunsch zum Abschied erfüllen, denn: „Ich mach noch drei Block-Filme und dann ist damit Schluss.“
Die Sehnsucht nach mehr Spannung verbindet sie mit der „Tatort“-Ermittlerin vom Bodensee. „,Klara Blum‘ ist über die Jahre ruhiger geworden. Ich würde mir wünschen, dass sie mal wieder ihre wilde Seite zeigt“, sagt Eva Mattes, die den Ausstieg von Anna Maria Sturm aus dem bayerischen Polizeiruf bedauert. „Ich mag das Frische und Jugendliche, dass sie in diesen Krimi brachte.“
Der Polizeipräsident macht Michaela May ein Geständnis
Privat hat Eva Mattes ihre Einstellung gegenüber der echten Polizei durchs Krimidrehen übrigens geändert. „Wenn ich Polizisten auf der Straße sehe, denke ich: Hey Kollegen – und habe einen Riesenrespekt. Beim Schießtraining ist mir erst klar geworden, wie viel Kraft man im Finger braucht, um den Abzug einer Polizeiwaffe zu betätigen.“
Das ist eine Erkenntnis, die sie mit der „KDD“-Ermittlerin Saskia Vester verbindet. „Erst seit ich die lesbisch-toughe ,Kristin Bender‘ im ,Kriminaldauerdienst‘ gespielt habe, ist mir klar geworden, welch hohe Verantwortung Polizisten haben, die eine Waffe tragen. Das Schusstraining war erschreckend. Ich wusste nicht, was für ein Gewicht und was für einen Rückstoß so eine Waffe hat.“
So ging es auch ihrer Münchner Kollegin Michaela May, die im bayerischen „Polizeiruf 110“ reüssierte: „Seit den Schießübungen bei der Polizei habe ich einen Heidenrespekt vor den Beamten, die sich entscheiden müssen, ob sie schießen.“ Der Münchner Polizeipräsident gestand dann Michaela May bei der Verleihung der Ehrenkommissarswürde, dass die Polizei sehr gerne Frauen einstelle. „Aber nicht für die Verbrecherjagd, sondern bei Familienstreits und im Umgang mit jugendlichen Straftätern.“