Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Neues Album „Rekord“: Fanta Vier: „Wir haben nur uns“

Neues Album „Rekord“

Fanta Vier: „Wir haben nur uns“

    • |
    And.Ypsilon, Thomas D., Michi Beck und Smudo (von links) stehen als "Fanta Vier" seit 25 Jahren auf der Bühne.
    And.Ypsilon, Thomas D., Michi Beck und Smudo (von links) stehen als "Fanta Vier" seit 25 Jahren auf der Bühne. Foto: imago/Future Image

    Smudo (46), Thomas D. (45), Michi Beck (46) und And.Ypsilon (46) sind durch wenige Tiefen und sehr viele Höhen gegangen und vor allem: Die gebürtigen Stuttgarter, die mit „Die da“ berühmt wurden und seitdem stets präsent, relevant und auf verlässliche Weise unberechenbar blieben, sind immer noch da.

    Neues Fanta-Vier-Album "Rekord" ist vielfältig

    Ihr neues Album „Rekord“ ist stilistisch wieder so vielfältig, wie man es von den Fantas gewohnt ist. „Single“ und „Lass sehen“ gehen in Richtung Disco, „Gegen jede Vernunft“ erinnert an Britpop und vor allem an Blur, „Typisch ich“ erinnert an lustiges Videospiel-Geklimper aus den 80ern, „Wie geliebt“ klingt dunkel, „Der Mann, den nichts bewegt“ schön böse und rockig, mit „Gott ist mein Zeuge“ fehlt auch die traditionelle Thomas D.-Ballade nicht. 

    Wir frühstückten mit Smudo und Michi Beck, die auch als neue Juroren in der Castingshow „The Voice“ zu sehen sind, in einem Berliner Privatclub.

    Die Herren, täuscht der Eindruck eigentlich, oder feiert ihr praktisch schon das ganze Jahr lang euer 25-jähriges Bestehen?

    Smudo: Wir haben einfach Bock, das Jubiläum mit unserer typisch fantamäßigen Bescheidenheit umzusetzen. Und unser richtiger Geburtstag war ausgerechnet der Tag des WM-Halbfinales Deutschland gegen Brasilien. Da wären wir eventuell ein bisschen untergegangen mit unserer Party.

    Der Titel eures neuen Albums steht bereits seit Anfang des Jahres fest. Ebenso, dass es Ende Oktober veröffentlicht wird. Braucht ihr diese festen Termine, um euch selbst unter Druck zu setzen, fertig zu werden?

    Michi Beck: Ja, brauchen wir. Wir müssen uns hin und wieder selbst in den Arsch treten. Deshalb hatten wir dieses Datum festgelegt, dass wir unbedingt einhalten wollten, was nicht leicht war. Wir haben vor zwei Jahren angefangen, erste Ideen zu sammeln, doch lange Zeit, fast anderthalb Jahre lang, wollte uns nicht so richtig viel einfallen. Das nervte.  So ein Album schreibt sich nicht von selbst, und je länger du das machst, desto schwieriger wird es. Zugleich ist es auch eine seriöse Angelegenheit, ungefähr so wie ein Hausbau.

    Smudo findet Selbstmitleid scheiße

    Es gibt auf dem Album ein paar Nummern, in denen ihr euch ziemlich auskotzt. „Das Spiel ist aus“ zum Beispiel, oder „Der Mann, den nichts bewegt“ mit einer Zeile wie „Was bleibt übrig von einem Vierteljahrhundert Rap- außer Dreck“. Ist das eure Art der Frustbewältigung, wenn es im Studio nicht vorangeht?

    Michi: Total. „Der Mann, den nichts bewegt“ ist ein Lied über die Selbstzweifel, die man hat, wenn man ein Album macht. Wir haben an diesen Songs wahnsinnig lange gefeilt, bis wir sie alle geil fanden, und immer wieder gab es auch richtige Frustphasen. Da fragt man sich dann eben, was man den 20-jährigen denn erzählen will und ob das überhaupt noch cool ist, was man so macht.

    Smudo: Und so kann „Der Mann, den nichts bewegt“ ganz schnell zum „Mann, der nichts bewegt“ werden. Selbstmitleid ist einfach scheiße. Ich bin sehr froh, dass wir das alles überstanden haben.

    In „Das Spiel ist aus“, einer sehr groovigen Funk-Nummer, begegnet ihr sogar der Demenz und dem Tod.

    Smudo: Dass ist so ein Song, mit dem wir klarmachen wollen: Passt auf, wir können diesen Style bis ins ganz hohe Alter kicken. Meine Lieblingszeile ist „Ich habe keine Ahnung, wen du vor dir hast“. „Das Spiel ist aus“ war der erste Song, der für das Album entstanden ist. Am Anfang sitzen wir immer frustriert da und denken „Wie sollen wir das nur wieder schaffen?“, und dann kommt erstmal so ein Hammer-Abkacksong. Das ist der normale Verlauf bei uns.

    Wie oft denkt ihr „Warum lassen wir es nicht einfach bleiben?“

    Michi: Ganz oft. Wenn wir nichts mehr bewegen könnten, wäre das wirklich der Moment, an dem wir aufhören würden. Dass es dann doch noch geklappt hat mit dem Album, das ist das Schöne. Wir sind stolz darauf, uns gegenseitig nicht hängengelassen zu haben. Die Fans würden auch jemand anderen finden, aber wir – wir haben nur uns.

    Smudo: Ganz im Ernst: Wir sind wirklich stolz auf dieses Album. Vor allem auf unsere Rap-Skills. Es gibt noch keine Band, die im HipHop so richtig alt geworden ist, dazu gibt es das Genre noch nicht lange genug. Leute wie Dr. Dre oder wir gehören ja noch zur ersten Generation.  

    Fanta Vier und auf Rekordjagd

    Welchen „ Rekord“ genau habt ihr genau aufgestellt?

    Michi Beck: Wir sind neben De La Soul die am längsten amtierende und dabei ständig aktive HipHop-Band weltweit. Das ist nicht normal, und damit beschäftigen wir uns natürlich auch. Wir alle haben Familie und machen das immer noch. Ich finde es sehr erstaunlich, mit 46 noch Rapper zu sein.

    Auf „25“, der Auftaktnummer des Albums, hört man euren Stolz richtig raus.

    Michi: Soll man auch. Wir sind stolz auf die 25 Jahre und darauf, dass wir nach diesen 25 Jahren eine Platte gemacht haben, auf die wir stolz sein können. Früher ist früher, jetzt ist jetzt.

    Smudo: Die Lorbeeren von gestern sind nichts wert. Man muss sich seinen Siegerkranz immer wieder neu verdienen.

    Ihr seht übrigens immer noch aus wie vor zehn Jahren.

    Smudo (lacht): Das ist sachlich unrichtig.

    Michi: Ich habe mir letztens acht Jahre alte Bilder angesehen. Ich schwöre: Damals sahen wir besser aus.

    Ihr singt in eurer Single „Los“: „Wir woll‘n ne Revolution/ oder die schnelle Million/ im Moment fehlt die Vision/ doch irgendwas findet sich schon.“ Was genau nehmt ihr in dem Song auf die Schippe?

    Smudo: In erster Linie dieses grassierende Gutmenschentum, das ich zum Beispiel gerade in dem Boom von Veganismus sehe. Vegan sein wird von vielen wie eine Mode konsumiert, und neben der löblichen Tatsache, dass er ein Statement gegen industrielle Tierhaltung ist, verkauft er einem das Gefühl, sich für etwas Gutes eingesetzt zu haben. Was auch mit reinspielt, ist Kritik an der Haltung: Wenn du dich nur genug anstrengst, dann wird das, was du machst, auch zum Erfolg. Das ist einfach nicht richtig und ein bisschen altmodisch. Es ist kein Naturgesetz. Gerade in Kunst und Kultur nicht. Du kannst rackern wie blöde und es trotzdem nicht schaffen, von deiner Kunst zu leben.

    Was nervt euch an Gutmenschen?

    Michi: Beim Gut sein geht es ganz viel um Selbstprofilierung. Die Leute tun so, als ginge es ihnen um die Sache, um welche Sache auch immer. Doch in Wirklichkeit geht es ihnen nur um sich selbst. Wer wirklich etwas Gutes und Sinnvolles zu will, der soll lieber einen Brunnen in Guatemala bauen.

    Smudo: Nimm diese dämliche „Ice Bucket Challenge“, das ist genau das, worüber wir uns aufregen. Für jemanden wie mich, der seit 25 Jahren Saunagänger ist, ist das eh Pipifax.

    Michi Beck: "Die Hörner haben wir uns in jungen Jahren abgestoßen"

    Am Schluss des Songs kommen  plötzlich Einhörner, die zu psychedelischen Klängen zur Sonne reiten, des Weges.

    Smudo: Völlig durchgeknallt, ja. Die Sequenz ist angelehnt an eine Folge von „Emily Erdbeer“, namens „Das Pferdefestival“. Als Vater von zwei kleinen Mädchen kommst du an so etwas nicht vorbei. Am Ende rennen die Pferde den Regenbogen hoch. Das sieht aus wie ein Beatles-Film aus den späten 60er Jahren, der totale Trip. Wer „Emily Erdbeer“ guckt, braucht definitiv keine weiteren Drogen.

    Hörst du selbst gern „Emily Erdbeer“?

    Smudo: „Emily Erdbeer“ gehört zu den Coolen, und auch Erwachsene haben Humor. Die Inspiration lauert eben überall.

    Das Stück „Wie geliebt“ ist ein bisschen traurig. Es geht um Einsamkeit. Was haben vier glücklich verheirate Familienväter mit diesem Thema am Hut?

    Michi: Das ist natürlich eine gewisse Arroganz von uns, über vereinsamte Menschen zu reden. Aber das ist ein echtes, ernstgemeintes Lied. Ganz viele Leute in diesem urbanen Gehege, also in den gesellschaftlichen Kreisen, in denen wir uns bewegen, führen vordergründig so ein High-Life-Leben, aber wenn man nur ein bisschen hinter deren Fassade blickt, kriegt man mit, wie allein die in Wirklichkeit sind.

    Seid ihr froh, dass ihr euch in diesem Balz-Gehege nicht mehr tummeln müsst?

    Michi: Ach, das machen wir doch schon lange nicht mehr. Die Hörner haben wir uns in jungen Jahren abgestoßen.

    Smudo: Wenn wir über den einsamen Mann mittleren Alters sprechen, dann ist das immer auch eine Standortbestimmung von uns selbst, indem wir indirekt sagen „Gott sei Dank ist es bei uns nicht so“.

    Interview, Teil 2 - Smudo und Michi Beck: Darum sind wir bei "The Voice of Germany"

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden