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Fall Peggy: Böhnhardt-DNA bei Peggy: Parallelen zu Kindstötungen in Thüringen?

Fall Peggy

Böhnhardt-DNA bei Peggy: Parallelen zu Kindstötungen in Thüringen?

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    Die DNA von Uwe Böhnhardt war am Fundort der 2001 verschwundenen Peggy entdeckt worden.
    Die DNA von Uwe Böhnhardt war am Fundort der 2001 verschwundenen Peggy entdeckt worden. Foto: Bundeskriminalamt, dpa (Archivfoto)

    Ein DNA-Fund des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt unweit der sterblichen Überreste der neunjährigen Peggy aus Oberfranken schreckt auf. Gab es etwa Parallelen zu Kindstötungen in Thüringen? Die Polizei will nun ungeklärte Fälle erneut untersuchen.

    Nach der Entdeckung von DNA-Spuren des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt am Fundort der Leiche der kleinen Peggy will eine neue Sonderkommission der Thüringer Polizei ungeklärte Fälle von Kindstötungen nach 1990 unter die Lupe nehmen. Die Ermittler reagieren damit auf die Sicherstellung von Genmaterial Böhnhardts in der Nähe der sterblichen Überreste der getöteten neunjährigen Peggy aus Oberfranken. An diesem Montag will die Kommission ihre Arbeit aufnehmen.

    Drei Kindsmorde in Jena in den 90er Jahren

    Der Fall Peggy - eine Chronologie

    7. Mai 2001: Auf dem Heimweg von der Schule verschwindet die neunjährige Peggy aus dem oberfränkischen Lichtenberg. Wochenlange Suchaktionen bleiben ohne Erfolg.

    August 2001: Die Polizei nimmt den geistig behinderten Ulvi K. fest. Er gibt an, sich an Peggy und drei weiteren Kindern sexuell vergangen zu haben.

    22. Oktober 2002: Die Ermittler präsentieren den 24-jährigen Tatverdächtigen als mutmaßlichen Mörder der Schülerin.

    7. Oktober 2003: Vor dem Landgericht Hof beginnt der Prozess. Nach nur fünf von 16 geplanten Verhandlungstagen platzt der Prozess wegen fehlerhafter Besetzung der Strafkammer.

    November 2003: Der Mordprozess beginnt erneut.

    30. April 2004: Ulvi K. wird wegen Mordes an Peggy zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Strafe tritt er niemals an. Stattdessen wird er wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in der forensischen Psychiatrie untergebracht. Peggys Leiche bleibt indes verschwunden.

    17. September 2010: Ein wichtiger Belastungszeuge widerruft seine Aussage und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Ermittlungsbehörden.

    4. April 2013: Der Anwalt des geistig behinderten Mannes beantragt die Wiederaufnahme des Falls. Er sagt, sein Mandant könne die Tat nicht begangen haben.

    April 2013: Ebenfalls im April 2013 beginnt die Polizei, wieder nach der Leiche des Mädchens zu suchen. Entdeckte Knochenteile stammen aber nicht von Peggy.

    Dezember 2013: Das Landgericht Bayreuth ordnet die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Ulvi K. an. Ein Belastungszeuge hatte eingeräumt, falsch ausgesagt zu haben.

    8. Januar 2014: Auf dem Friedhof Lichtenberg öffnen die Ermittler ein Grab. Sie vermuten, dass bei einer Beerdigung 2001 Peggys Leiche dort abgelegt wurde. Doch sie finden keine Hinweise.

    10. April 2014: Auf Anordnung des Landgerichts Bayreuth beginnt das Wiederaufnahmeverfahren. Ulvi K. bestreitet, Peggy getötet zu haben.

    7. Mai 2014: Das Gericht beendet das Verfahren aus Mangel an Beweisen. Eine Woche später gibt es einen Freispruch für den geistig behinderten Mann. Er bleibt aber weiter in der Psychiatrie untergebracht.

    18. Februar 2015: Die Staatsanwaltschaft Bayreuth stellt ihre Ermittlungen ein. Ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wird aber aufrechterhalten, um mögliche Spuren weiterzuverfolgen.

    19. März 2015: Das Oberlandesgericht Bamberg entscheidet, dass der ursprünglich verurteilte Mann aus der Psychiatrie entlassen werden soll.

    16. Juni 2015: Ein ehemaliger Verdächtiger im Fall Peggy wird in einem anderen Fall wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Jugendstrafe von sieben Monaten ohne Bewährung verurteilt. Im Fall Peggy gilt er nicht mehr als tatverdächtig.

    Mai 2016: Ein im Fall Peggy ehemals verdächtigter Mann fordert Schadenersatz von mehr als 20.000 Euro. Ermittler hatten 2013 auf der Suche nach dem verschwundenen Mädchen sein Grundstück in Lichtenberg metertief durchsuchen lassen. Die Ermittler hatten dabei zwar Knochenreste gefunden. Sie stammten aber nicht von Peggy.

    2. Juli 2016: Ein Pilzsammler findet in einem Wald im thüringischen Landkreis Saale-Orla Skelettreste.

    4. Juli 2016: Polizei und Staatsanwaltschaft teilen mit, dass die Knochen «höchstwahrscheinlich» von Peggy stammen. Dies hätten erste rechtsmedizinische Untersuchungen und Erkenntnisse am Fundort ergeben.

    13. Oktober 2016: Das Polizeipräsidium Oberfranken und die Staatsanwaltschaft Bayreuth teilen mit, dass am Fundort des Skeletts des Mädchens DNA-Spuren des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt gefunden worden.

    8. März 2017: Der Verdacht einer neuen Ermittlerpanne im Mordfall Peggy hat sich bestätigt: Das in der Nähe der Leiche des neunjährigen Mädchens gefundene DNA-Material des NSU-Mitglieds Uwe Böhnhardt wurde von der Polizei versehentlich selbst an den Tatort gebracht, wie Polizei und Staatsanwaltschaft in Bayreuth mitteilten. Bei der Spurensicherung wurde das gleiche Werkzeug verwendet wie nach Böhnhardts Tod 2011. Beide Fälle haben nichts miteinander zu tun. So etwas »darf nicht passieren», sagte der Leiter der Sonderkommission Peggy, Uwe Ebner.

    12. September 2018: Die Polizei durchsucht mehrere Anwesen eines 41 Jahre alten Beschuldigten. Der Mann zählte schon früher zum «relevanten Personenkreis» im Zusammenhang mit dem Verschwinden von Peggy. Nach der Vernehmung kommt er wieder auf freien Fuß.

    21. September 2018: Die Ermittler geben bekannt, dass der 41-Jährige gestanden hat, das tote Mädchen in den Wald an der bayerisch-thüringischen Grenze gebracht zu haben, wo später die Knochen gefunden wurden. Ein anderer Mann habe ihm den leblosen Körper am Tag des Verschwindens an einer Bushaltestelle übergeben.

    11. Dezember 2018: Die Polizei Oberfranken meldet eine Festnahme in dem Fall, ohne zunächst weitere Details zu nennen.

    Ende Dezember 2018: Der Verdächtigte kommt wieder auf freien Fuß. Das Amtsgericht hebt den Haftbefehl gegen den 41-Jährigen auf.

    22. Oktober 2020: Die Ermittlungen im Fall Peggy werden eingestellt. Der Fall ist seitdem ein "cold case".

    April 2022: Knapp 21 Jahre nach dem Verschwinden des jungen Mädchens werden ihre sterblichen Überreste in Lichtenberg beigesetzt.

    In Jena, wo das mutmaßliche NSU-Trio um Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe aufgewachsen war, gab es in den 90er Jahren drei Kindsmorde. Zwei von ihnen sind noch immer nicht geklärt.

    Am Donnerstag hatten die Ermittler überraschend mitgeteilt, dass am Fundort der Skelettteile der 2001 verschollenen Peggy aus Oberfranken Genmaterial von Böhnhardt entdeckt worden war. Die damals Neunjährige war 2001 im oberfränkischen Lichtenberg verschwunden. Erst im Juli waren Skelettteile von ihr in einem Wald im benachbarten Thüringen entdeckt worden.

    Böhnhardt war bei einem Kindsmord von 1993 verdächtig

    In Thüringen gibt es nach Angaben des Innenministeriums seit 1990 etwa 70 ungeklärte Fälle, wie viele davon Kinder sind, war nicht bekannt. 1993 verschwand in Jena ein Neunjähriger, er wurde zwölf Tage später tot am Ufer der Saale in einem Gebüsch gefunden. Böhnhardt war damals einer der Verdächtigen. Ihm konnte jedoch nichts nachgewiesen werden. Auch das Verschwinden und der Tod einer Zehnjährigen aus Jena 1996 konnte bislang nicht aufgeklärt werden.

    Der aus Thüringen stammende Rechtsextremist Böhnhardt soll mit seinem mutmaßlichen Komplizen Mundlos jahrelang unerkannt gemordet haben - hauptsächlich aus fremdenfeindlichen Motiven. Mundlos und Böhnhardt töteten sich laut Ermittlern im Herbst 2011 nach einem Banküberfall, um einer Festnahme zu entgehen. Zschäpe stellte sich der Polizei. Sie steht seit fast dreieinhalb Jahren in München vor Gericht. dpa

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