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Fall Kalinka: Vater wollte Kalinkas Tod aufklären und steht nun vor Gericht

Fall Kalinka

Vater wollte Kalinkas Tod aufklären und steht nun vor Gericht

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    Kalinka, eine Französin polnischer Abstammung, war 1982 im Haus ihrer Mutter und ihres Stiefvaters in Lindau am Bodensee unter unklaren Umständen gestorben.
    Kalinka, eine Französin polnischer Abstammung, war 1982 im Haus ihrer Mutter und ihres Stiefvaters in Lindau am Bodensee unter unklaren Umständen gestorben. Foto: privat / undatiert dpa

    Der Tod der 14 Jahre alten Kalinka liegt mehr als 30 Jahre zurück. Die Todesumstände gelten bis heute ungeklärt. Im Entführungsprozess hat jetzt Kalinkas leiblicher Vater Selbstjustiz-Vorwürfe zurückgewiesen.

    Vorwurf: Stiefvater von Kalinka entführt

    Der inzwischen 76 Jahre alte André Bamberski soll die Entführung des deutschen Stiefvaters seiner Tochter, Dieter K., 2009 nach Frankreich eingefädelt haben. Welche Rolle er aber genau in dem Fall Kalinka spielt, ist strittig. Für Bamberski war immer klar, dass der deutsche Arzt  Dieter K. seine Tochter vergewaltigt und getötet hat. Kalinka starb 1982 unter nie eindeutig geklärten Umständen im Haus des Mediziners am Bodensee.

    Die Bundesrepublik hatte Dieter K. nicht ausgeliefert, die deutsche Justiz stellte schon 1987 ein Ermittlungsverfahren aus Mangel an Beweisen ein. Nach der Verschleppung wurde der Stiefvater jedoch in Frankreich vor Gericht gestellt und zu 15 Jahren Haft verurteilt.

    Der Fall Kalinka: Eine Chronologie

    Juli 1982: Kalinka Bamberski (14) wird tot in ihrem Bett im Haus ihres Stiefvaters Dieter K. in Lindau am Bodensee entdeckt.

    1983: Die deutschen Behörden gehen von einem Unfall ohne Fremdverschulden aus. Der leibliche Vater André Bamberski hat Zweifel und fordert vergeblich neue Untersuchungen in Deutschland.

    1984: Bamberski erhebt Anklage in Frankreich, die Justiz ermittelt.

    1985: Die französische Justiz exhumiert die Leiche Kalinkas und geht nach einer erneuten Obduktion von einem Gewaltverbrechen aus.

    1987: Die deutsche Justiz stellt Ermittlungen gegen Dieter K. ein.

    1993: Ein Pariser Gericht eröffnet gegen ihn ein Verfahren.

    1995: Dieter K. wird wegen der Tötung seiner Stieftochter Kalinka in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt.

    1997: In einem anderen Fall wird er von einem deutschen Gericht zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt, weil er eine 16-jährige Patientin in seiner Praxis betäubt und vergewaltigt hat. Seine Zulassung als Arzt wird für zwei Jahre gesperrt.

    2001: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte rügt das in Frankreich verhängte Urteil, da nicht einmal der Anwalt des Angeklagten angehört wurde.

    2005: Deutschland verweigert die Auslieferung von Dieter K. mit Hinweis auf die Einstellung des deutschen Verfahrens im Fall Kalinka.

    2007: Wegen illegaler Ausübung des Arztberufs ohne Zulassung und Betrugs wird er in Deutschland zu 28 Monaten Haft verurteilt.

    2008: Ein französisches Berufungsgericht hebt das Urteil von 1995 mit Blick auf Verfahrensfehler auf.

    Oktober 2009: Dieter K. wird verletzt und gefesselt im französischen Mülhausen nahe einem Gerichtsgebäude aufgefunden. Gegen André Bamberksi und zwei weitere Männer wird wegen Entführung ein Ermittlungsverfahren eröffnet. Kalinkas Stiefvater wird in ein bei Paris gelegenes Gefängnishospital gebracht.

    März 2011: Zum Prozessauftakt zweifelt der Verteidiger von Dieter K. die Zuständigkeit des Gerichts in Paris an. Wegen gesundheitlicher Probleme des Angeklagten wird der Prozess später unterbrochen.

    Oktober 2011: Der Prozess gegen Dieter K. wird neu aufgenommen. In ihren Plädoyers fordert die Staatsanwaltschaft 15 Jahre Haft für Dieter K., die Verteidigung will einen Freispruch.

    22. Oktober 2011: Dieter K. wird wegen der Tötung von Kalinka zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die Verteidigung kündigt umgehend Berufung an.

    Dezember 2012: Wegen des Todes seiner Stieftochter Kalinka wird der deutsche Mediziner Dieter K. erneut zu 15 Jahren Haft verurteilt.

    Juni 2013: Die Staatsanwaltschaft klagt Kalinkas Vater und zwei mutmaßliche Komplizen an, die für die Entführung von Dieter K. verantwortlich sein sollen.

    Juni 2014: André Bamberski wird zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt.

    Kalinkas Stiefvater soll vorgehabt haben, die Tochter seiner französischen Frau im gemeinsamen Wohnort Lindau sexuell zu missbrauchen und Kalinka ein Beruhigungsmittel verabreicht haben. Infolgedessen soll das Mädchen dann in seinem Bett im Haus des Arztes gestorben sein. Der Stiefvater hat immer seine Unschuld beteuert.

    Kalinks Vater: Er habe legitim gehandelt

    Kalinkas leibliche Vater Bamberski sagte am Donnerstag im Gerichtssaal im elsässischen Mulhouse: "Ich hätte nie vor Gericht gestellt werden dürfen." Sein Anwalt Laurent de Caunes will auf Freispruch plädieren: "Man kann jemanden nicht dafür verurteilen, legitim gehandelt zu haben", sagte der Verteidiger am Rande der Verhandlung. Sein Mandant sei in die Situation der Entführung gedrängt worden und habe keine Alternative gehabt, um Dieter K. der Justiz zu übergeben.

    Bamberski drohen in Frankreich bis zu zehn Jahre Haft für Entführung, Beihilfe zur Gewaltanwendung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. "Ich bin nicht darauf vorbereitet, ins Gefängnis zu gehen. Ich habe mich auf meine Verteidigung vorbereitet", hatte Bamberski vor dem Beginn des Prozesses im französischen Rundfunk gesagt. Mit ihm angeklagt sind die beiden mutmaßlichen Entführer sowie eine Journalistin, die zwischen dem Vater und den Männern vermittelt haben soll.

    Arzt wurde gefesselt in Nähe des Gerichts gefunden

    Der Arzt war 2009 von seinem Wohnort in Lindau am Bodensee ins Elsass entführt worden. Man hatte ihn gefesselt und geknebelt in der Nähe des Gerichts in Mulhouse gefunden. Bamberski griff selbst zum Telefonhörer, um die Ermittler zu informieren. Die Polizei nahm Dieter K. fest. So wurde der Prozess in Frankreich möglich.

    "In einem Rechtsstaat muss das Recht gelten, und nicht die Rache", sagte der Anwalt des Stiefvaters. Sein Mandant sei stundenlang geschlagen und gefoltert worden. "Er hätte sterben können", sagte Philippe Ohayon. Dieter K. (79) erschien aus gesundheitlichen Gründen nicht selbst. Der Prozess soll bis Freitag dauern. Wann das Urteil fällt, ist noch unklar. dpa/AZ

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